Börsianer und „Staatsmann auf der Parkbank“

Neun amerikanische Präsidenten schrieben ihm etwa 1200 Briefe, allein von Winston Churchill erhielt Bernard Baruch 700 Schreiben. Während seiner neun Lebensjahrzehnte lernte Bernard M. Baruch alle wichtigen Staatsmänner und Wirtschaftsführer der westlichen Welt kennen, und sie alle wollten seinen Rat. Den sie auch bekamen – außer Lenin, Hitler und Stalin. Bernhard Baruchs großes Vermögen entstand durch geschicktes Agieren an den Märkten und kluges Verwalten seiner Anlagen. Die Börsenlegende selbst sieht sich als Spekulant und Berater, und in beidem war er einer der Besten seiner Zeit.

Bernard Baruch: Die Jahre bis zum Reichtum

Bernard Mannes Baruch wurde am 19. August 1870 als zweiter von vier Söhnen in Camden im US-Bundesstaat South Carolina geboren. Sein Vater, ein deutscher Auswanderer, arbeitete als Chirurg. Von seiner Mutter Isabelle Baruch erbte er die Liebe zu den Südstaaten, die ihn sein Leben lang begleitete. Als Bernard Baruch zehn Jahre alt wurde, siedelte die Familie nach New York über. Im Jahre 1889 absolvierte er das City College und begann für drei US-Dollar pro Woche als Laufbursche für die Maklerfirma Housman an der Wall Street zu arbeiten. Baruch lieferte Wertpapiere hierhin, holte Schecks von dort und kopierte Briefe. Es war die Zeit der großen Money Trusts: Finanziers wie John Pierpont Morgan oder die Lehman Brothers kontrollierten über ihre Banken ganze Industriezweige.

Der Dow Jones Index notierte bei etwa 30 Punkten und wurde regelmäßig im Wall Street Journal veröffentlicht. Bernard Baruch wurde schnell vom Wall Street-Fieber angesteckt und nach einigen Jahren zum Junior-Partner der Firma ernannt. Der spätere Börsen-Guru handelte viel mit eigenem Geld, und seine Erfolge hielten sich in Grenzen. 1897 spekulierte Baruch auf steigende Kurse bei American Sugar. Er kaufte für 300 Dollar Aktien und erhöhte die Position bei steigenden Kursen. Nach drei Monaten verkaufte Baruch alle Anteile mit einem Gewinn von 60.000 Dollar. Mit dem Geld bezahlte er seine Hochzeit und die Schulden an den Vater. Der Gewinn war bald dahin, aber seine Ehe mit Annie Baruch hielt bis zu ihrem Tod im Jahr 1938. 1903 gründete Baruch seine eigene Maklerfirma im New Yorker Börsenviertel, und er wurde in den Börsenrat der New York Stock Exchange gewählt.

Bernard Baruch – „der König der Wall Street“

Kurz nach der Jahrhundertwende begann für Baruch eine sehr erfolgreiche Zeit. „Der Wohlstand brach über mich herein“, meinte er. Baruch spekulierte erfolgreich mit Eisenbahn- und Kupfer-Aktien und wurde mit Anfang Dreißig zum ersten Mal Millionär. Bernard Baruch reiste mit einem eigenen Eisenbahnwaggon, und sein erstes Automobil versetzte die Pferdekutschen der Wall Street in Angst und Schrecken. Bis 1910 wurde er zu einem der bekanntesten Händler und bald auch „König der Wall Street“ genannt. Sein Einfluss war so gewaltig, und der Markt war so klein, das sogar die Aktienkurse fielen, wenn Baruch nach Europa reiste und die Presse darüber berichtete. Die Politiker baten um seinen Rat, und Bernard Baruch engagierte sich auch in der Wirtschaft mit Gefälligkeiten.

Bernard Baruch: Vom Börsianer zum Berater

Während des Ersten Weltkrieges wurde Baruch zum Berater des damaligen US-Präsidenten Wilson ernannt. Als Vorsitzender des Rates für Kriegsindustrie war er für die gesamte Organisation der Landesverteidigung zuständig. Deshalb sah Hindenburg in Baruch den eigentlichen Besieger des kaiserlichen Deutschland. Diese Informationen aus seiner Tätigkeit nutzte Bernard Baruch wiederum erfolgreich für seine Börsenspekulationen. 1919 nahm er als amerikanischer Berater an den Versailler Friedensverhandlungen teil. Durch großzügige Lobbyarbeit gelang es ihm auch nach dem Krieg, seinen Einfluss in der Gesellschaft weiter auszubauen.

Die endgültige Wende hin zur Politik brachte die Krise von 1929. Anfangs unterschätzte der Börsianer Baruch die Extremität der Kursbewegungen und telegrafierte viel zu früh an Churchill: „Finanzsturm definitiv vorbei“. Der Dow Jones stand bei 300 Punkten und sollte in den folgenden beiden Jahren noch bis auf 48 Punkte fallen. Baruch hatte sich genau so geändert wie die wirtschaftlichen Bedingungen. Als Berater war er eine anerkannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, und die Wall Street wurde zunehmend für die wirtschaftlichen Probleme der Zeit verantwortlich gemacht. So demonstrierte Bernard Baruch diese Wende dann auch öffentlich: Er verkaufte sein Haus in der Wall Street und die Familie zog in einen anderen Stadtteil um.

Baruch als „Staatsmann auf der Parkbank“

Anfang der dreißiger Jahre sah Bernard Baruch den Antisemitismus in Europa heraufziehen. Sensibilisiert durch seine jüdischen Wurzeln empfahl er, gegen Deutschland vorzugehen, fand aber kein Gehör. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Berater wieder mit einer Aufsichtsfunktion in der Kriegswirtschaft betraut. Zum Präsidenten Roosevelt pflegte er ein freundschaftliches Verhältnis, Frau Roosevelt war sogar Ehrengast auf der Beerdigung seiner Ehefrau Annie Baruch. Das Angebot Roosevelts, ihn zum Finanzminister zu ernennen schlug Baruch aber aus und fungierte weiterhin als inoffizieller Berater. 1946 wurde er zum Vertreter der Vereinigten Staaten in der Atomenergiekommission der UNO ernannt.

In einer mitreißenden Rede schlug er vor, Atomwaffen unter die Kontrolle der Vereinten Nationen zu stellen. „Wir sind hier, um zwischen Leben und Tod zu wählen“, proklamierte Baruch in Anlehnung an ein Bibelzitat. In einer späteren Ansprache benutzte er die Formel vom „Kalten Krieg“, die dann viele Jahre das Verhältnis der Supermächte bestimmen sollte. Bis zum Vietnam-Krieg war Baruch weiter als politischer Berater der US-Präsidenten tätig. Weil er niemals ein politisches Amt inne hatte, sprachen seine Bewunderer von einem Büro auf der Parkbank gegenüber dem Weißen Haus. Diese Bank im Lafayette Park wurde ihm dann auch zu seinem 90. Geburtstag offiziell gewidmet, und Bernard Baruch ging als „Staatsmann auf der Parkbank“ in die Geschichte ein.

Bernard Mannes Baruch war ein Mann der Finanzen und der Wirtschaft, der sich in den Dienst der Politik stellte, als das Vaterland und die Welt seiner Hilfe bedurften. Nach seinem Tod am 20. Juni 1965 schrieb die New York Times: „Wir haben niemanden mehr unter uns von seiner Genialität und Menschlichkeit, um uns Rat und Führung zu geben.“



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