Der „Vater“ des Investmentfonds’

"Das Anlagerisiko auf verschiedene Werte verteilen, statt alles auf eine Karte zu setzen – Investmentfonds ermöglichen genau dies. Und wer hat’s erfunden? Ein Amerikaner, der später lieber Brite sein wollte: John Marks Templeton, Steuerflüchtling, Presbyterianer, Philanthrop und glühender Verfechter des Value-Investment-Ansatzes. Mit der richtigen Aktienauswahl erzielte Templeton ein Vermögen, doch in die Börsengeschichte ging er als „Vater“ des klassischen Aktienfonds ein.

John Templeton: Herkunft und Ausbildung

John Marks Templeton wurde am 29. November 1912 in der Kleinstadt Winchester im ländlich geprägten US-Bundesstaat Tennessee geboren. Im jungen Erwachsenenalter besuchte er als angeblich erster Mensch aus Winchester überhaupt eine Universität, und zwar die renommierte University of Yale. Dort wurde ihm übrigens die Mitgliedschaft im elitären Geheimbund „Elihu“ zuteil, die sich nach dem großzügigen Gönner und späteren Namensstifter Elihu Yale benannte. Dabei finanzierte Templeton einen Teil des Wirtschaftsstudiums durch Pokerspiele, die er leidenschaftlich und mit ausgesprochenem Erfolg bestritt. Im Jahre 1934 graduierte der spätere Börsen-Guru mit Auszeichnung als einer der Besten seiner Abschlussklasse.

Mithilfe des sogenannten „Rhodes Scholarship“ (ein begehrtes Stipendium, das auf den britischen Unternehmer und Politiker Cecil John Rhodes zurückgeht) konnte sich Templeton im Anschluss an der Elite-Universität Oxford einschreiben. Dort absolvierte er 1936 schließlich einen Master im Fach Jura – eigentlich hatte er Betriebswirtschaft studieren wollen, doch dieser Studiengang wurde damals in Oxford noch nicht angeboten. Erst 1965 gründeten die Engländer eine eigene Manager-Kaderschmiede und nannten diese zunächst „Oxford Centre for Management Studies“. Nach einer großzügigen Geldspende Templetons erfolgte 1983 die Umbenennung – in „Templeton College“.

John Templeton und der Pessimismus

Als Jugendlicher hatte Templeton noch Missionar werden wollen, doch knapp zwei Jahre nach Beendigung seines Studiums verließ er Großbritannien, um an der Wall Street zu arbeiten. Beinahe legendär ist heute die Geschichte von Templetons erstem großen Börsenerfolg. So kaufte der spätere Börsen-Guru kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 jeweils hundert Aktien von 104 ausgewählten Gesellschaften, deren vermeintlich zu Unrecht abgestürzte Anteilscheine weniger als einen Dollar kosteten und einen lukrativen Turnaround versprachen. Dabei sollen 34 dieser Unternehmen sogar unmittelbar vor dem Bankrott gestanden haben. Das beeindruckende Ergebnis:

Templeton, der sich für dieses Wagnis eigens verschuldet hatte, musste lediglich vier Totalverluste hinnehmen. Die anderen hundert Aktien hielt er durchschnittlich vier Jahre lang und verkaufte sie letztlich teils weit über dem Einstandskurs. So waren am Ende aus ursprünglich rund 10.000 Dollar Startkapital mehr als 40.000 Dollar geworden, was einer Gesamt-Performance von über 300 Prozent entsprach. Die Strategie dahinter war verblüffend simpel. Denn Templeton hatte einfach zum Zeitpunkt des maximalen Pessimismus gekauft.

Dieses Vorgehen wurde später noch zu einer der wichtigsten Säulen der Value-Strategie. Derzufolge stellen Aktien immer dann ein besonders günstiges Kaufobjekt dar, wenn Angst weit verbreitet ist und die Wertpapiere deshalb unterbewertet sind. Mit diesem Ansatz sollte Templeton einige Jahre später zum Stammvater des klassischen Investmentfonds’ werden, der Aktien bündelt und in einem einzigen Wertpapier handelbar macht.

John Templeton: Karriere als Fondsmanager

Den großen Durchbruch brachte die Gründung der Fondsgesellschaft „Templeton Funds“. Flaggschiff war dabei ein Aktienfonds namens „Templeton Growth Fund“, der am 29. November 1954, also exakt an Templetons 42. Geburtstag, aus der Taufe gehoben wurde. Er gehörte in den 60ern zu den ersten Fonds überhaupt, die breit in japanische, aber auch etwa russische oder chinesische Aktien investierten und dadurch besonders hohe Profite einfuhren. Der „Templeton Growth Fund“ wurde übrigens in Kanada aufgelegt, da dort damals keinerlei Steuern auf Kapitalerträge anfielen und sich folglich die Abgaben für Anleger reduzieren ließen. Der Schritt nach Kanada symbolisierte gleichzeitig die internationale Ausrichtung des Investmentfonds.

1992 verkaufte der Investmentpionier „Templeton Funds“ für 440 Millionen Dollar an den Konkurrenten Franklin Group, blieb jedoch als Fondsmanager aktiv. Durch die Transaktion entstand das noch heute unter diesem Namen firmierende Unternehmen „Franklin Templeton“, bei dem Templeton bis 1996 hauptverantwortlich den Value-Ansatz vertrat. Der Templeton Growth Fund erwirtschaftete von 1954 bis 1992 indes eine durchschnittliche Jahresrendite von 14,5 Prozent und gehört mit einem Fondsvolumen von rund 14,5 Milliarden Dollar nach wie vor zu den weltweit größten Investmentfonds.

John Templeton: Britische Staatsbürgerschaft

Um Millionensummen an Steuern zu sparen, zog Templeton 1968 nach Lyford Cay, einen äußerst exklusiven Ort auf den damals noch zu Großbritannien gehörenden Bahamas. Gleichzeitig gab der Börsen-Guru seinen amerikanischen Pass ab und wurde in seiner neuen Heimat „naturalisiert“, sodass er fortan ausschließlich britischer Staatsbürger war. Templeton selbst gab später bekannt, dass seine Anlageergebnisse besser wurden, als er Distanz zur „Massenmentalität“ der Wall Street gewann und sich nicht mehr um steuerliche Folgen seiner Anlageentscheidungen kümmern musste.

Templeton, der Presbyterianer

Zeit seines Lebens war Templeton bekennender Presbyterianer. Presbyterianismus stellt eine Kirchenverfassung dar, bei der die Kirche auf mehreren Ebenen durch Gremien von Ältesten sowie Pastoren geleitet wird. Presbyterianische Normen sind besonders innerhalb reformierter Kirchen gebräuchlich. Templeton diente dabei als Ältester der First Presbyterian Church of Englewood (New Jersey). Er war 42 Jahre lang Treuhänder im Vorstand des Princeton Theological Seminary, des größten presbyterianischen Priesterseminars, und leitete dieses insgesamt zwölf Jahre lang sogar als Vorsitzender (bis 1994). Hauptversammlungen seiner Fondsgesellschaft eröffnete Templeton übrigens regelmäßig mit einem Gebet, da für ihn Erfolg im Berufsleben ohne Spiritualität kaum möglich erschien.

John Templeton: Ein leidenschaftlicher Philanthrop

In den Vereinigten Staaten, wo private Wohltätigkeit traditionell eine wichtige Rolle spielt, spenden viele Superreiche große Teile ihres Vermögens für wohltätige Zwecke. Auch Templeton präsentierte sich – wenngleich mittlerweile Wahlbrite – gegen Ende seines Lebens als reicher Wohltäter. Denn 1972 schrieb er erstmals den so genannten „Templeton Prize for Progress Toward Research or Discoveries About  Spiritual Realities“ aus, der mit einem Preisgeld von aktuell einer Million Pfund Sterling als derzeit weithöchstdotierte Auszeichnung für Einzelpersonen weltweit gilt – noch vor dem Nobelpreis, der Templeton zufolge zu stark auf reine Wissenschaftsthemen setze und religiöse bzw. moralische Aspekte zu sehr vernachlässige.

Geehrt werden Menschen, die außergewöhnliche Beiträge im Bereich der  Lebensbejahung bzw. Spiritualität leisten. Erste Gewinnerin war 1973 Mutter Teresa, und auch der deutsche Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker wurde bereits als Preisträger ausgewählt (1989). Allerdings ist der Templeton-Preis relativ umstritten, da er zuletzt wiederholt an pseudowissenschaftliche oder christlich-fundamentalistische Personen ging.

Im Jahr 1987 gründete der Aktienfonds-Pionier zudem die „John Templeton Foundation“. Diese heute rund 2,5 Milliarden Dollar schwere Stiftung, in die Templeton große Teile seines Privatvermögens steckte, unterstützt zahlreiche Forschungs- sowie Bildungsprojekte, wobei die Aussöhnung von Wissenschaft und Religion im Fokus steht. So soll insbesondere der Gedanken- bzw. Ideenaustausch zwischen Wissenschaftlern, Philosophen, Theologen und der breiten Öffentlichkeit gefördert werden. Beispielhaft für ihr Wirken war etwa eine zweijährige Studie, die untersuchte, wie sich Gebete auf 600 Patienten vor einer Operation auswirkten.

Für seine Verdienste wurde Templeton von Queen Elizabeth II. 1987 zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan „Sir“ John Marks Templeton nennen. Ferner zählte ihn das „Time Magazine“ 2007 aufgrund des herausragenden Engagements zu den hundert einflussreichsten Menschen in der Kategorie „Power Givers“.

Familienleben von John Templeton

John Marks Templeton war zwei Mal verheiratet. Seine erste Ehefrau, Judith Folk, ehelichte Templeton 1937 und zeugte mit ihr drei Kinder, darunter John Marks Templeton Jr., der heute die John Templeton Foundation leitet. Nachdem Judith 1951 bei einem Motorradunfall tödlich verunglückte, trat Templeton mit Irene Reynolds Butler 1958 erneut vor den Traualtar. Templeton selbst starb am 8. Juli 2008 im hohen Alter von 95 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.



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