Kapitalanlage - Die überraschende Vermehrung der Aktionäre

Mittwoch, 08.08.12 13:49
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

„Die Gesamtzahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen in Deutschland hat sich im ersten Halbjahr 2012 deutlich erhöht. Insgesamt waren 10,2 Millionen Anleger direkt oder indirekt in Aktien investiert.“ Die lapidare Erläuterung einer routinemäßigen Statistik? Nein, was das Deutsche Aktieninstitut (DAI) soeben gemeldet hat, ist nichts Geringeres als eine Sensation. Es ist die eindrucksvolle Bestätigung einer volkswirtschaftlich relevanten Trendwende. Es ist ein Beleg für die Beobachtung, dass viele Privatanleger dazu gelernt haben und flexibler geworden sind. Es ist zugleich ein Widerspruch zur These, die Bundesbürger hätten sich frustriert schmollend nach den empfindlichen Rückschlägen seit dem Jahr 2000 endgültig von der Börse verabschiedet. Und es ist ein Beweis dafür, dass es vielen Anlegern eben nicht nur um Sicherheit, sondern um Rendite geht – um Vermehrung des eingesetzten Kapitals durch produktive Sachwertanlagen.

Wer hätte das gedacht: Mit einer Zunahme um 1,5 Millionen Anleger (plus 17,1 Prozent) ist die Steigerung überraschend deutlich ausgefallen. Eine noch stärkere Zunahme war nur im Ausnahmejahr 2000 mit damals 3,6 Millionen neuen Aktienanlegern zu verzeichnen. Die halbjährlich ermittelten Aktionärszahlen sind damit zum dritten Mal in Folge gestiegen.

Von den knapp 10,2 Millionen Aktienbesitzern sind 2,9 Millionen ( = 4,5 Prozent der Bevölkerung) reine Aktionäre, die ausschließlich direkt in die Aktie investieren. 5,3 Millionen Anleger halten nur Aktienfondsanteile (8,1 Prozent) und 2,0 Millionen (3,1 Prozent) sowohl Aktien als auch Anteile an Aktienfonds. Vom Höchststand in Sachen Aktienbesitz im Jahr 2001 sind wir allerdings immer noch weit entfernt.

Vorsichtige Experten warnen nicht nur deshalb vor Euphorie, denn dieser Trend müsse erst noch längerfristig stabilisiert werden. Außerdem passen die seit Monaten enttäuschenden Investmentfonds-Statistiken nicht in dieses Bild, denn die Privatanleger haben große Beträge an Aktienfonds zurückgegeben. Zufällig zeitgleich kam gestern auch die monatliche Absatzstatistik des Investmentverbands BVI heraus: Es gab im Juni erneut beträchtliche Rückflüsse von Aktienfonds, während große Beträge in Rentenfonds investiert wurden.

Und wie haben sich die Profis verhalten? Bei den Wertpapier-Spezialfonds für institutionelle Großanleger hat sich schon seit längerem der Anlageschwerpunkt stark verändert: In den Jahren 2003 bis 2007 pendelte die Aktienquote zwischen 25 und 30 Prozent. Seit dem Markteinbruch im Jahr 2008 verharrt sie bei gut 10 Prozent. In diesen beiden Perioden mit tendenziell steigenden Kursen haben Fondsmanager Aktien verkauft, da die Aktienquote nahezu konstant blieb. „Diese Investoren werden zukünftig wieder stärker chancenorientierte Anlagen suchen. Somit dürften verstärkt sachwertorientierte Anlagen wie Immobilien und Aktien auf der Kaufliste stehen“, so die Überzeugung von BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.

Sie, liebe Anleger, wissen, dass es mehrere Gründe gibt, die für die langfristige Aktienanlage sprechen. Und die bleiben, werden eher noch stärker, denn ein Ausstieg der Zentralbanken aus den geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen ist auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. Mehr noch: Wenn Inflationsraten und Zinsen in Zukunft tendenziell wieder steigen sollten, dann verlieren Zinspapiere endgültig an Attraktivität.

Können 10,2 Millionen Deutsche irren?

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Ihr

Hermann Kutzer
Chefredakteur
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