Die Hamburg-Krise (1799)

Hamburg war im 18. Jahrhundert neben Frankfurt, Köln und Berlin eine der wichtigsten Bankenstädte in Deutschland. Kurz vor dem Jahrhundertwechsel kam es hier zu einer kurzen aber ernsten Finanzkrise, die sich vor allem auf den Hamburger Raum beschränkte. Bereits bei der Finanzkrise von 1763 um die niederländische Bank De Neufville, die durch Wechselreiterei zustandegekommen war, wurden viele Handelshäuser in Hamburg zahlungsunfähig. Im Gegensatz dazu wurde die Krise von 1799 aber vor allem durch politische Veränderungen in Europa und Amerika ausgelöst.

Seit Jahrzehnten kam es damals zwischen Hamburg und Dänemark immer wieder zu Kontroversen. So versuchte der Dänenkönig Christian IV.. mit der Gründung von Glückstadt im Jahr 1616 die Elbschiffahrt zu kontrollieren. Nachdem dieser Plan fehlgeschlagen war, förderte sein Nachfolger Friedrich III. das erstmals 1535 als Fischerdorf erwähnte Altona als Konkurrenz zu Hamburg und verlieh dem Ort am 23. August 1644 sogar das Stadtrecht, um so die Stellung der Dänen an der Unterelbe zu stärken. Erst mit dem sogenannten Gottorper Vergleich im Jahr 1768 zwischen Hamburg und dem Haus Holstein erkannte auch Dänemark schließlich Hamburg als unabhängige "Kaiserlich Freye Reichsstadt" an. Außerdem erhielt Hamburg die für seinen Hafenausbau wichtigen Elbinseln zwischen Billwerder und Finkenwerder.

Hansestadt Hamburg beginnt mit dem Seehandel

Im 18. Jahrhundert vollzog sich im Hamburger Handel ein dramatischer Strukturwandel. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts gelangten die über See gehandelten Güter ausschließlich unter Regie der westeuropäischen Kolonialmächte - insbesondere Frankreich und Großbritannien - nach Hamburg und das angrenzende Hinterland. Somit war die Bedeutung des Hafens im Welthandel noch gering. Um das Jahr 1769 begann die Hansestadt dann selbst Handel und Schiffahrt nach Übersee aufzunehmen. Hintergrund waren die Umwälzungen in Amerika, die schließlich in die Unabhängigkeit der USA führten. Seitdem stieg das Handelsvolumnen in Hamburg und anderen Hafenstädten stark an. Viele Kaufleute witterten hohe Gewinne, da nun Güter aus der Neuen Welt auf direktem Wege, d.h. ohne Zwischenhandel der Kolonialmächte, importiert und inländische Erzeugnisse wesentlich billiger exportiert werden konnten. Die Handelsverbindungen mit den jungen Staaten Amerikas nahmen derart zu, dass 1794 bereits das erste europäische Konsulat der USA in Bremen eröffnete wurde. Neben Bremen konnte insbesondere Hamburg aufgrund der zentralen Lage in Europa massiv an Bedeutung dazugewinnen.

Auch auf politischer Ebene gab es Ende des 18. Jahrhunderts weitreichende Veränderungen. Seit der französischen Revolution brodelte es in Europa. Auf der einen Seite standen Frankreich und Dänemark, auf der anderen England, Österreich, Rußland und Preußen. Nach dem Sonderfrieden mit Preußen erhielt Frankreich im Frieden zu Basel (1795) die Länder auf dem linken Rheinufer. Gleichzeitig ging der Krieg gegen England und Österreich weiter. In diesen Kriegen zeichnete sich vor allem ein junger General namens Napoleon Bonaparte aus. Im Jahr 1795 stieg Napoleon, nachdem er einen Aufstand der Royalisten in Paris niedergeschlagen hatte, zum Oberbefehlshaber der Truppen in Paris auf. Wenig später übernahm der General den Oberbefehl über die französischen Heere in Oberitalien und fügte in der Folgezeit den Österreichern eine Niederlage nach der anderen zu. Im Jahr 1797 trat die geschlagene Donau-Monarchie schließlich im Frieden zu Campo Formio alle auf dem linken Rheinufer gelegenen Gebiete sowie die österreichischen Niederlande an Frankreich ab. Damit war England Frankreichs Staatsfeind Nummer eins, aufgrund seiner starken Flotte für Frankreich aber unangreifbar. So beschloss die Französische Republik mit einem Feldzug gegen Indien das britische Imperium an einer empfindlichen Stelle zu treffen. Um diesen Feldzug führen zu können, mußte aber zuvor Ägypten erobert werden und so stach Bonaparte mit Einwilligung des in Frankreich regierenden Direktoriums mit 350 Schiffen und einer Armee von 30 000 Mann im Mai 1798 mit dem Ziel Ägypten in See.

Unruhebedingte Handelsverlagerung

Die Unruhen in Frankreich und den Niederlanden führten dazu, dass sich - zusätzlich zum Handel mit Übersee - ein Großteil des französischen und niederländischen Handels in die norddeutschen Seehäfen Bremen und Hamburg verlagerte. Auch viele in ihrer Heimat verfolgte Franzosen liessen sich in Hamburg nieder. Um 1800 zählte die Hansestadt bereits rund 130.000 Einwohner. Die norddeutsche Wirtschaft stand zu jener Zeit in voller Blühte. Der Rhein war aufgrund seiner Grenzfunktion als Handelstrasse zu gefährlich geworden und so waren nun Elbe und Weser die Hauptwege ins Binnenland. Kolonialwaren gingen flußaufwärts, Getreide, Holz, Salz und Leinwand kamen aus dem Hinterland zurück in die Hafenstädte. Seit Anfang der 1790er Jahre erlebte Hamburg einen bis dato unbekannten Wohlstand. Der Lebenstil - insbesondere in der Oberschicht - veränderte sich zusehens. Nicht nur Hausgeräte und Möbel wurden schlichter und praktischer, auch in der Mode verdrängte der dunkelfarbige Frack mit weißer Weste die goldbestraßten und seidenbestickten Röcke der Vergangenheit. Wie in England gab es in Hamburg bald vornehme Klubs mit Lesezimmern, Kasino und Tanzsäälen. Immer mehr Handelshäuser und Banken wurden eröffnet und hofften einen Teil der fetten Gewinne abzubekommen. Doch die politische Entwicklung in Europa setzte der überhitzten Konjunktur bald ein Ende.

Die Abwesendheit Napoleons seit Mai 1798 nutzten die Gegner, um zum Gegenschlag auszuholen. Der englische Admiral Viscount Horatio Nelson hatte die Schiffe, mit denen die französische Armee nach Ägypten gesegelt war, kurz vor der Rückkehr nach Frankreich vernichtet. Im selben Jahr griff auch Rußland in den Krieg ein und marschierte 1799 über die Alpen in Italien ein. Zudem konnte Napoleon, der von Ägypten aus gegen Syrien zog, das mit englischer Hilfe verteidigte Akkon nicht einnehmen. Die abgebrochene Verbindung zu Frankreich, ununterbrochene Kämpfe, sengende Sonne und die Pest setzten dem Heer Napoleons schwer zu und so befahl Napoleon schließlich den Rückzug. In Frankreich selber hatte das regierende Direktorium durch Korruption und Skandale inzwischen in der Bevölkerung das Ansehen verloren. England hatte eine Blockade errichtet um die Rückkehr von Napoleon nach Frankreich zu verhindern. Auch die Häfen in Hamburg und Altona, das zu diesem Zeitpunkt als südlichster Vorposten des mit Frankreich verbündeten Dänemarks galt, wurden 1799 von England blockiert.

Dies hatte jedoch verheerende Auswirkungen auf den Handel in der Stadt. Viele der oft hoch-spekulativen Handelsgeschäfte waren mit Wechseln getätigt worden, die nun in der Blockade nicht mehr erfüllt werden konnten und so kam es ab August 1799 schließlich zur Krise. Immer mehr Unternehmen wurden in den Sog des abrupt beendeten Handels mit hineingezogen. Zwar wähnte manch einer ein baldiges Ende der Situation, doch ging vielen aufgrund der spekulativen Geschäfte schon nach kurzer Zeit das Geld aus. Unterdessen gelang Napoleon der Durchbruch der Blockade. Er kehrte im Oktober 1799 aus Ägypten nach Frankreich zurück und übernahm kurz darauf mit einem Staatsstreich am 9. November 1799 ohne große Gegenwehr die Macht des Direktoriums. Da nun Bonaparte wieder in Frankreich herrschte, war die Blockade nutzlos geworden und England zog seine Schiffe für wichtigere Unternehmungen ab. Damit konnte Hamburg wieder uneingeschränkt am internationalen Handel teilnehmen.

Die eigentliche Krise in Hamburg dauerte zwar nur wenige Monate, dennoch reichte es um zwischen August und November 1799 insgesamt 82 Unternehmen in den Konkurs zu stürzen. Allerdings kam die Stadt nach Aufhebung der Blockade schnell wieder auf die Beine. Doch die europäische Ordnung war durch Industrialisierung und die politischen Veränderungen in Frankreich in einen Zustand der fortlaufenden Veränderung eingetreten, der das ganze Jahrhundert anhalten sollte. Auch im 19. Jahrhundert gab es genügend Möglichkeiten über Nacht steinreich oder bettelarm zu werden.


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