in meinem vorigen Editorial „
Inflation, Zinsanstieg und Kriegsgefahr! … Und wie man als Anleger darauf reagieren soll!“ habe ich noch so sehr gehofft, dass es zu einer friedlichen Lösung des Ukraine-Konflikts kommen mag. Wie Sie wissen, kam es leider ganz anders. Russland ist mittlerweile in die Ukraine einmarschiert, und es tobt ein erbitterter Krieg zwischen den beiden Widersachern.
Dass das menschliche Leid in einer solchen Situation und die Unterstützung der betroffenen Menschen an vorderster Stelle stehen, versteht sich von selbst und bedarf aus meiner Sicht keiner weiteren Kommentierung. Die negativen Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine reichen jedoch weit darüber hinaus und haben logischerweise auch Implikationen für die Weltwirtschaft und die internationalen Aktienmärkte. Vor diesem Hintergrund sind in der Redaktion Anfragen von einigen Lesern eingegangen, wie ich denn die aktuelle Situation aus Anlegersicht beurteile. Und da ich Ihnen meine Sicht der Dinge nicht vorenthalten möchte, habe ich meine Gedanken, Ansichten und Argumente in diesem Editorial zu Papier gebracht.
Ukraine-Konflikt: Aktuelle Situation an den Aktienmärkten
Die aktuelle Lage an den Aktienmärkten ist genau so, wie ich sie in einer solchen Situation auch erwartet hätte. Ich hatte mein letztes Editorial (erschienen am 22. Februar 2022) am 18. Februar auf Basis der Schlusskurse vom 17. Februar 2022 erstellt. Am 24. Februar 2022 kam es dann zum Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Wertentwicklung des MSCI World Preisindex (in Euro) seit Jahresanfang.

Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, setzte der Kursrückgang am internationalen Aktienmarkt schon lange vor der Invasion Russlands am 24. Februar 2022 ein. Gründe hierfür liegen sicherlich in der vorausgehenden, sich sukzessive verschärfenden Konfliktsituation zwischen den beiden Nachbarstaaten, aber auch in einer drohenden Zinserhöhung aufgrund einer deutlich angestiegenen Inflation.
In der nachfolgenden Abbildung sind die beiden impliziten Volatilitätsindizes VDAX New und VIX abgebildet. Die beiden Indizes messen die erwartete Volatilität der Marktteilnehmer, die sich anhand der beobachteten Optionspreise für den Dax (VDAX New) bzw. den S&P 500 (VIX) implizit ermitteln lassen. Die impliziten Volatilitätsindizes werden umgangssprachlich auch als „Angstbarometer“ bezeichnet. Je höher ihr Wert ist, desto ängstlicher sind die Anleger.

Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass die implizite Volatilität sowohl am deutschen als auch am amerikanischen Aktienmarkt kurz vor dem Überfall Russlands nochmals deutlich angestiegen ist. Es zeigt sich auch, dass die implizite Volatilität in Deutschland stärker zugenommen hat als in den USA, was möglicherweise auch auf die regionale Nähe zum Konfliktherd zurückzuführen sein mag. So wies die implizite Volatilität am Tag der Invasion (also am 24. Februar) beim VDAX New einen Wert von 36,8 und beim VIX von 27,3 auf. Zum Vergleich: Während der coronabedingten Aktienmarkteinbrüche im März 2020 lag der VDAX-New in der Spitze bei über 80 und der VIX bei über 70! Von diesen absoluten Topwerten ist man beim aktuellen Stand noch meilenweit entfernt. Fazit: Ja, die Aktienmärkte haben nachgegeben, und bei den Aktienanlegern herrscht erwartungsgemäß Verunsicherung. Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Lage an den Aktienmärkten aber nicht als extrem dramatisch einzustufen, wie dies beispielsweise auch ein Vergleich mit dem Corona-Einbruch zeigt.
Reagieren ja, aber bitte richtig!
In Anlagesituationen wie der aktuellen drängt sich bei vielen Investoren immer wieder die Frage auf, ob man aktiv reagieren bzw. eingreifen soll oder nicht. Ich habe hierzu eine klare Meinung. Was keinesfalls schaden kann, ist eine objektive Analyse seines Portfolios bzw. seiner Anlagestrategie. Wie ich schon mehrmals erwähnt habe, ist der
boerse.de-Weltfonds die größte Position in meinem Wertpapierportfolio. Das Anlageuniversum bilden hier die jeweils aktuellen 100 Champions-Titel, also ausschließlich Qualitätsaktien. Unter den aktuellen Top-Positionen im boerse.de-Weltfonds befinden sich unter anderem eine Alphabet-, eine Microsoft- und eine Apple-Aktie, aber auch Anteile von Berkshire Hathaway, McDonald‘s sowie Church & Dwight. Bei all diesen Titeln handelt es sich um grundsolide Unternehmen mit stabilen Gewinnen, die entweder wieder ins Unternehmen investiert werden oder den Anlegern auch in Form von Dividenden zufließen.
Analysiert man beispielsweise die zehn Top-Positionen im MSCI-World-Quality-Index, so finden sich auch dort eine Alphabet-, eine Microsoft- sowie eine Apple-Aktie wieder. Während die Champions-Aktien mithilfe der Performance-Analyse identifiziert werden, erfolgt die Auswahl der Qualitätstitel beim MSCI World Quality-Index anhand der drei Kriterien hohe Eigenkapitalrendite, stabiles Gewinnwachstum sowie geringe Verschuldung. Wie man schön sehen kann, spiegelt sich die Qualität vieler Champions-Aktien auch in den Bilanzkennzahlen wider, auch wenn diese nicht explizit Eingang in die Performance-Analyse finden. Fazit: Ich fühle mich mit meinem Champions-Depot, abgebildet im
boerse.de-Weltfonds, trotz des Ukraine-Konflikts sehr solide aufgestellt, und ich persönlich glaube auch nicht, dass all die enthaltenen Unternehmen aufgrund der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung dauerhaft und nachhaltig an Wert verlieren werden.
Anlagefehler 1: Panikverkäufe
Viele Anleger erfasst in Sondersituationen wie der aktuellen die Panik, was dann zu spontanen und zumeist unzureichend durchdachten Aktionen führt! Ein Hauptfehler, der sich sehr häufig beobachten lässt und immer wieder begangen wird, sind Panikverkäufe. Aufgrund der im vorangehenden Abschnitt beschrieben Argumente sehe ich keinen Grund, mich von meinen Anteilen am boerse.de-Weltfonds und am boerse.de-Aktienfonds oder auch meinen sonstigen Champions-Aktien zu trennen. Das soll natürlich nicht heißen, dass es nicht auch triftige Gründe geben mag, sich von bestimmten Aktien zu trennen. Gerade Krisensituationen zeigen häufig die Schwach- und Angriffspunkte vieler Unternehmen auf. So hat beispielsweise die Corona-Krise eindrucksvoll demonstriert, dass die ausgesprochen kapitalintensive Luftfahrtbranche massive Probleme bekommt, wenn der Luftverkehr stark eingeschränkt wird bzw. fast zum Erliegen kommt, was sich natürlich in der Kursentwicklung entsprechender Aktien widerspiegelt.
Anlagefehler 2: Wilde Kurzfrist-Spekulationen, wie z.B. mit Gazprom, Aktien aus der Rüstungsindustrie & Co.
Genauso wie viele Anleger in Krisensituationen spontan und panikartig verkaufen, tätigen andere wiederum – häufig auch unüberlegt – entsprechende Käufe. Zu verlockend ist es für viele Anleger, einem heißen Tipp, einer „intuitiven Eingebung“ oder einfach nur dem Herdentrieb zu folgen. Wenn ich mir das aktuelle Suchvolumen zur
Gazprom-Aktie oder auch zu diversen Aktien aus der Rüstungsindustrie auf dem Finanzportal www.boerse.de anschaue, dann schwant mir auch hier nichts Gutes. Lassen Sie sich zu nichts Unüberlegtem hinreißen! Aber das soll natürlich nicht heißen, dass man in solchen Situationen Käufe grundsätzlich vermeiden soll. Ganz im Gegenteil! Für den Erwerb von qualitativ hochwertigen Anlagen gibt es keine besseren und günstigeren Einstiegszeitpunkte als diese ...
Ich hoffe, dass meine „Sicht der Dinge“ hilfreich für Ihre eigenen Anlageentscheidungen ist. Uns allen wünsche ich, dass die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine hoffentlich möglichst bald ein Ende findet. Und hierbei denke ich nicht primär an irgendwelche Kapitalanlagen, sondern insbesondere an all die Menschen, die dieses, aus meiner Sicht absolut vermeidbare, Leid ertragen müssen.
Auf bald,
Ihr Hubert Dichtl
P.S.: Alle Kolumnen von Hubert Dichtl erhalten Sie ganz bequem im Newsletter boerse.de-Aktien-Ausblick, Deutschlands großem Börsen-Newsletter mit mehr als 150.000 Lesern.
Hier kostenfrei anfordern…