MALCHOW (dpa-AFX) - Bahnreisende können darauf hoffen, künftig deutlich bessere Mobilfunk-Internetverbindungen zu bekommen als bisher. Bei einem ambitionierten Bahnprojekt in Mecklenburg-Vorpommern starteten am Dienstag die Messfahrten. Genutzt wird ein ausrangierter ICE, der zum Laborfahrzeug umgerüstet wurde. Er fährt nun auf der 10 Kilometer langen Strecke hin und her, um Erkenntnisse über die Qualität der Datenverbindung im Zug und außerhalb des Zuges zu testen. Das Fahrzeug hat Antennen im Inneren und auf dem Dach.
Es geht um Downloadraten von 1000 Megabit pro Sekunde (1 Gigabit). Zum Vergleich: Derzeit sind die Mobilfunkfirmen an den Bahnstrecken zu einem Download-Speed von 100 Megabit pro Sekunde verpflichtet. Das Projekt könnte Impulse für den Ausbau des Handynetzes an Bahnstrecken in ganz Deutschland setzen und auf lange Sicht Verbesserungen bewirken. Ob das wirklich passiert, ist aber noch offen. Erst nach dem bis Ende des Jahres laufenden Projekt wird entschieden, wie es weitergeht.
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Hier gratis anfordern ... Bahn-Vorständin Daniela Gerd tom Markotten zeigte sich zufrieden mit dem zügigen Bau der Teststrecke, die in nur acht Monaten fertiggestellt worden sei. Auf dem Abschnitt zwischen Karow und Malchow wurden 13 neue Mobilfunk-Masten installiert. Das Besondere dabei: Sie funken im hohen und sehr leistungsstarken 3,6 Gigahertz-Frequenzband im Standard 5G und nicht in niedrigeren Bändern, in denen Bahnstrecken üblicherweise versorgt werden. Dadurch verbessert sich die Verbindung wesentlich. Die Frage ist aber, wie viel von diesem sehr guten Netz beim Reisenden ankommt, der in einem schnellen Zug sitzt und dabei etwas abgeschirmt ist.
Bisher spielt 5G in dem hohen Frequenzband bei der Bahnstrecken-Versorgung nur eine Nebenrolle, weil die Reichweite der Antennen nur circa einen Kilometer beträgt. Das ist wesentlich weniger als Mobilfunk in niedrigeren Bändern, sogenannten Flächenfrequenzen. Die bieten längst nicht so hohe Geschwindigkeiten. Fährt der Zug in einen Bahnhof ein, kann es zwar durchaus passieren, dass der Reisende mit dem sehr guten 5G-Netz verbunden wird und dadurch sehr hohe Datenraten bekommt. Fährt der Zug hingegen wieder los, ist es auf der Strecke zum nächsten Bahnhof in der Regel nur noch eine schlechtere Verbindung - also dann, wenn viele Reisende sich mit dem Smartphone, Laptop oder Tablet Dateien aus dem Netz herunterladen, Filme streamen oder per Video telefonieren wollen.
Vier Firmen machen mit
Das Projekt namens "Gigabit Innovation Track" soll wichtige Erkenntnisse sammeln, wie 5G in Zeiten steigenden Datenbedarfs gut eingebunden werden kann in den Handyempfang auf Bahnstrecken. Neben der Bahn machen auch der Mobilfunker O2 Telefónica, das Infrastrukturunternehmen
Vantage Towers und der Netzwerkausrüster Ericsson mit.
Kritisch ist zudem die Verbindungsübergabe von einer Funkzelle zur nächsten, wenn sich das Smartphone in einem schnellen Zug befindet. Auch hierzu sollen die Tests Erkenntnisse liefern. Zunächst ist der Laborzug mit 50 oder mit 80 Kilometern pro Stunde unterwegs. Später soll er im Rahmen des Projekts bis zu 140 Kilometer pro Stunde schnell sein. Auf das auf manchen ICE-Trassen übliche Tempo 300 kommt der Testzug zwar nicht. Tempo 140 reicht aber nach Einschätzung der Fachleute aus, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen für Netzverbindungen bei noch höheren Geschwindigkeiten.
"Mit dem Start der Messungen vor Ort geht das Projekt in eine entscheidende Phase", erklärte O2-Vorstandsmitglied Valentina Daiber. "Ob Business-Anwendungen oder Videostreaming - die Anforderungen an die mobile Datennutzung nehmen kontinuierlich zu." Sie versteht das Projekt als Beitrag für die Infrastruktur vom "5G-Zug der Zukunft". "Die Ergebnisse helfen Bahn, Politik und Telekommunikationsanbietern dabei, ein besseres Verständnis über den künftigen Mobilfunkausbau entlang der Schienen sowie dessen Kosten und Finanzierung zu erlangen."
Ausbau wäre eine teure Sache
Damit spricht Daiber einen Knackpunkt des Themas Gigabit-Mobilfunk an Bahngleisen an: die Kosten. Denn selbst wenn das Projekt positive Erkenntnisse mit sich bringt, wäre unklar, ob dann im großen Stil 5G-Antennen für 3,6 Gigahertz an Bahnstrecken installiert werden. Wegen der geringen Reichweite des hohen Frequenzbandes müssten viel mehr Masten gebaut werden als bei den Flächenfrequenzen. Das wäre eine teure Sache.
Eine teure Sache, die es möglicherweise aber wert wäre, heißt es von Verbraucherschützern. "Wir sind zwar mitten im Digitalzeitalter, aber so fühlt sich das auf Bahnfahrten häufig nicht an - die Datenverbindung wird auf manchen Strecken immer wieder unterbrochen oder sie findet nur im Schneckentempo statt", sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW. Diesbezüglich erreichten die Verbraucherzentralen auch Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, eine rechtliche Handhabe gebe es hierbei aber nicht. "Die Menschen sind angewiesen auf die Bahn und die Mobilfunker." Sollte die Mobilfunkbranche ihre Anstrengungen wesentlich verstärken, wäre das sehr zu begrüßen./wdw/DP/men
Quelle: dpa-AFX