Technische Indikatoren
„Gleitende Durchschnitte“ (=“Moving Averages“ oder einfach „GDs“) dürften durch ihre Einfachheit und ihre Objektivität die am häufigsten verwendete technische Studie repräsentieren. Der „Moving Average“ definiert den Durchschnittskurs des Betrach-tungszeitraumes, wobei „moving“ bzw. „gleitend“ auch bedeutet, dass mit jedem neuen Kurs (Tag, Woche, Monat), der älteste Kurs (Tag, Woche, Monat) des Betrachtungszeitraumes aus der Berechnung (von „simple“ und „weighted GDs“) herausfällt.
„Moving Averages“ werden für gewöhnlich als gestrichelte oder gepunktete Linien im Chart des Basistitels dargestellt oder in einer zweiten Abbildung als Oszillator um die Mittelpunktslinie. Im Falle einer Oszillatoren-Darstellung wird nur die Differenz zwischen zwei Linien errechnet, wobei eine positive Differenz oberhalb der Mittelpunktslinie angetragen wird, eine negative unterhalb.
„Gleitende Durchschnitte“ dienen zur Glättung des gegebenen Kursverlaufes und sind demnach (im wahrsten Sinne) trendfolgend. Basierend auf „Moving Average“-Systemen wurde eine Vielzahl von Konzepten entwickelt, von denen heute vor allem fünf bekannt sind: „simple“ (einfache), „weighted“ (gewichtete), „exponential“ (exponentielle), „triangular“ sowie „variable“ „Moving Averages“, die sich jeweils durch die Gewichtung der Daten unterscheiden.
„Moving Averages” repräsentieren also eine Glättungslinie, die – entsprechend der Einstellung – den vorherrschenden (kurz-, mittel-, langfristigen etc.) Trend definiert. Ein Kreuzen des Basistitels mit seinem „Moving Average” oder das Kreuzen verschiedener „Moving Averages” (mit unterschiedlichen Einstellungen) kann als Kauf- oder Verkaufssignal interpretiert werden.
Simple
In einem einfachen „Gleitenden Durchschnitt“ wird der arithmetische Mittelwert des Basiskurses im Beobachtungszeitraum errechnet. Die Schlusskurse im Beobachtungszeitraum werden addiert und durch ihre Anzahl dividiert. Jedem Tag des Beobachtungszeitraums wird somit das gleiche Gewicht eingeräumt, d.h. beispielsweise bei einem 10-Tages-Durchschnitt hat jeder einzelne Tag ein Gewicht von 10%, bei einem 5-Tages-Durchschnitt hat jeder einzelne Tag ein Gewicht von 20%.
Weighted
In einem gewichteten „Gleitenden Durchschnitt“ wird den aktuellen bzw. den jüngeren Kursen ein höheres Gewicht eingeräumt als den weiter zurückliegenden. Jeder einzelne Schlusskurs im Beobachtungszeitraum wird also mit einem Gewichtungsfaktor multipliziert, wobei der aktuelle Schlusskurs den größten Gewichtungsfaktor erhält und der letzte Wert des Beobachtungszeitraumes den kleinsten. Es bestehen verschiedene Alternativen zur Berechnung des Gewichtungsfaktors. Am weitesten verbreitet ist der linear gewichtete „Gleitende Durchschnitt“, in dem die einzelnen Schlusskurse entsprechend ihrer Stellung in der Zeitreihe gewichtet werden. So wird bei einem linear gewichteten 5-Tages-„GD“ beispielsweise der aktuelle Schlusskurs mit 5 multipliziert, der vorangegangene mit 4 usw. Der aktuelle Wert errechnet sich schließlich durch Addition der gewichteten Durchschnitte und einer Division dieser Summe durch die Summe der Gewichtungen, hier also 15 (1+2+3+4+5 = 15).
Exponential
Der exponentielle „Gleitende Durchschnitt“ räumt den jüngeren Kursen ebenfalls ein höheres Gewicht ein als den weiter zurückliegenden, die Berechnung bezieht sich jedoch nicht auf einen festgelegten Zeitraum (von n Tagen), sondern berücksichtigt sämtliche vorhandenen Datenreihen. Dies wird erreicht, indem vom heutigen Schlusskurs der exponentielle „GD“ von gestern subtrahiert und diese Differenz anschließend mit einem exponentiellen Wertungsfaktor multipliziert wird. Eine Addition dieses Produktes zum exponentiellen „GD“ von gestern ergibt den exponentiellen „GD“ von heute. Der jeweilige Exponent (Wertungs- oder Glättungsfaktor) errechnet sich durch eine Division der Zahl 2 durch die Anzahl (unabhängig ob Tage, Wochen, Monate etc.) der Zeitperioden. Es gelten somit die folgenden (Standard-)Exponenten: Anzahl der Zeitperioden Exponent 5 0.4 10 0.2 20 0.1 40 0.05 80 0.025 Da sämtliche existierenden Datenreihen in die Berechnung einbezogen werden („n“ also nicht für den Berechnungszeitraum, sondern für den Exponenten definiert ist), werden Untersuchungen verschiedener Analysten mit einem unterschiedlichen historischen Datenmaterial auch differierende exponentielle Durchschnittswerte – und d.h. möglicherweise auch unterschiedliche Ergebnisse – zur Folge haben.
Variable
Der variable „Gleitende Durchschnitt“ versteht sich als eine Art weiterentwickelter exponentieller „Gleitender Durchschnitt“, für den der Wertungsfaktor von der vorherrschenden Volatilität im Basistitel abhängt. Je höher die Volatilität der zugrunde liegenden Daten, desto größer wird die Glättungskonstante, die hier in die Berechnung eingeht. Daher erhalten die jüngeren Kurse bei größeren Kursschwankungen auch ein höheres Gewicht und analog bei kleineren Schwankungen ein geringeres. Durch diese automatische Adjustierung des Wertungsfaktors ist ein variabler „Gleitender Durchschnitt“ grundsätzlich eher in der Lage zwischen Trend- und Seitwärtsmärkten zu unterscheiden. Der variable „Gleitende Durchschnitt“ errechnet sich wie der exponentielle „Gleitende Durchschnitt“, wobei der exponentielle Wertungsfaktor zunächst noch mit einer Volatilitätskennziffer, der sog. „Volatility Ratio“, multipliziert wird. Auch hier gilt, dass Untersuchungen verschiedener Analysten mit einem unterschiedlichen historischen Datenmaterial auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen werden.
Triangular
Der triangulare „Gleitende Durchschnitt“ ist ein linear gewichteter Gleitender Durchschnitt, wobei das Verteilungsschema der Gewichte einer „dreieckigen“ Form folgt, die den mittleren Bereich des Glättungszeitraums betont. Ein 7-Perioden-Durchschnitt erhält bspw. die Gewichtsverteilung: 1,2,3,4,3,2,1 (für alle ungeraden Periodenzahlen wird die Verteilung entsprechend gebildet. Für ungerade Periodenzahlen tritt das mittlere Gewicht doppelt auf, Beispiel: 1,2,3,3,2,1). Der triangulare „Gleitende Durchschnitt“ zeichnet sich durch einen konstanteren Verlauf aus als entsprechende einfache oder gewichtete Durchschnitte, ist dafür jedoch weniger reaktionsfreudig. Der triangulare Gleitende Durchschnitt ist äquivalent zu einer doppelten linearen Glättung mit ungefähr halbiertem Glättungszeitraum (vgl. unten).
einfacher GD MAt = (Ct + Ct-1 + Ct-2 + ... + Ct-n+1)/n wobei MAt = aktueller Wert des einfachen GD gewichteter GD WMAt = (W1Ct + W2Ct-1 + W3Ct-2 + ... + WnCt-n+1 )/(W1 + W2 + ... Wn ) wobei WMAt = aktueller Wert des gewichteten GD Wn = jeweiliger Gewichtungsfaktor.
exponentieller GD EMAt = EMAt-1 + (SF*(Ct-EMAt-1)) wobei EMAt = aktueller Wert des exponentiellen GD SF = Wertungsfaktor, wobei 2/(n+1) den gebräuchlichsten Wertungsfaktor darstellt.
variabler GD VMAt = VMAt-1 + ((SF * VR) *(Ct - VMAt-1))) wobei VMAt = aktueller Wert des variablen GD SF = Wertungsfaktor, wobei 2/n+1 den gebräuchlichsten Wertungsfaktor darstellt. VR = Volatility Ratio, wobei diese in der Literatur nicht eindeutig definiert ist. Die Entwicklung dieses „GD“-Ansatzes geht zwar auf Tushar Chande zurück, doch am beliebtesten erscheint mittlerweile der Ansatz von Steven B. Achelis, der als „Volatility Ratio“ den Quotienten zwischen dem heutigen „VHF-Indikator“ („Vertical Horizontal Filter“, siehe dort) und dem vor 12 Perioden benutzt.
triangularer GD Die Berechnung des triangularen „GD“ kann durch eine Abbildung auf zwei lineare GDs erfolgen. Für die Bestimmung der beiden Periodenlängen wird zwischen geraden oder ungeraden Periodenzeiträumen unterschieden. Konkret: Soll sich der triangulare „GD“ auf eine „gerade“ Periodenlänge beziehen, also z. B. auf 20 Tage, so wird hier mit den Werten 10 für den inneren linearen GD sowie 11 für den äußeren linearen GD gerechnet. Bezieht sich der triangulare GD indes auf eine ungerade Periodenlänge, also z. B. auf 19 Tage, so wird hier mit dem Wert 10 für beide lineare GDs gerechnet. gerade Periodenlänge : m = Periodenlänge / 2, n = m + 1 ungerade Periodenlänge : m = (Periodenlänge / 2) + 0,5, m = n TMAt = (MAt + MAt-1+...+ MAt-n+1)/n wobei TMAt = aktueller Wert des triangularen GD m = Periodenlänge des inneren GDs n = Periodenlänge des äußeren GDs.
Sehr kurzfristig: 5 - 13
kurzfristig: 14 - 25
kurz- bis mittelfristig: 26 - 49
mittel- bis langfristig: 50 - 100
langfristig: 100 - 200
Die exponentiellen und die gewichteten „Moving Averages“ haben den Vorteil, dass sie den „jüngeren“ Kursen ein höheres Gewicht einräumen als den weiter zurückliegenden, womit sich ein Trendwechsel früher herauskristallisiert als in linearen „Moving Averages“. Bei letzteren wird vor allem kritisiert, dass der Herausfall eines Extremkurses zum Ende des Beobachtungszeitraumes zu einem Dreh des linearen „GD“ führen kann. Dem steht jedoch entgegen, dass es ja gerade die Aufgabe der „Moving Averages“ sein soll, den gegebenen Kursverlauf zu glätten. Durch die Glättung des vorherrschenden Trends zeigt ein aufwärtsgerichteter „GD“ einen Aufwärtstrend, ein abwärtsgerichteter „GD“ einen Abwärtstrend und ein seitwärtsgerichteter „GD“ einen Seitwärtstrend im Basistitel an. Je kleiner die Einstellung im Durchschnitt bzw. Exponenten gewählt wird, desto sensitiver verhält sich der „GD“ und analog je größer, desto träger verhält sich der „GD“. Die Einstellung des „Moving Average“ ist für die Anwendung als Signalgeber entscheidend.
So liefert ein kürzer eingestellter „GD“ gute Ergebnisse in Seitwärtstrends (schnelle Reaktion), aber schlechte Ergebnisse in Trendphasen (Trendwechsel werden nicht erkannt). Analog liefert ein länger eingestellter „GD“ gute Ergebnisse in Trendphasen (Trendwechsel werden erkannt), aber schlechte in Seitwärtsphasen (zu träge Reaktion). Der variable „Moving Average“ sollte dieser Problemstellung Abhilfe schaffen, wobei dieser „GD“ aufgrund seiner hohen Reagibilität oftmals auf Zwischenkorrekturen innerhalb kräftiger Trendphasen unbefriedigend reagiert. Sofern mit einem „Moving Average“ gearbeitet wird, sind die Kreuzungspunkte zwischen dem Basistitel und dem „GD“ als Handelssignal zu interpretieren. Ein Kaufsignal gilt, wenn der Basistitel den „GD“ von unten nach oben schneidet und analog ein Verkaufssignal, wenn der Basistitel den „GD“ von oben nach unten schneidet. Um die Anzahl der Fehltrades bei Anwendung eines „Moving Average“ zu reduzieren, setzen die meisten Techniker Filter ein; Kauf- oder Verkaufssignale werden also nur befolgt, wenn bestimmte, im Voraus definierte Kriterien erfüllt sind.
Ein oftmals verwendeter Filter ist beispielsweise die Einschränkung, dass die gesamte Handelsspanne am Signaltag (für ein Verkaufssignal also auch das Tageshoch, für ein Kaufsignal auch das Tagestief) außerhalb des „Moving Average“ gelegen sein muss. Sofern sich hier demnach ein Signal nur durch den Schlusskurs ergibt, wird zunächst die Entwicklung der nachfolgenden Börsensitzung abgewartet. Weitere Filter können u.a. sein: – Ein bestimmter Betrag bzw. Prozentsatz, um den der „Moving Average“ durchbrochen sein muss. Eine notwendige charttechnische Bestätigung, also ein Ausbruch des Basistitels aus dem vorherrschenden Tradingbereich. Ein Zeitfilter, d.h. ein kurzfristiges Abwarten, ob sich der Kurs annahmegemäß entwickelt oder ob das Signal wieder zurückgenommen wird. Der Einsatz von „Envelopes“ (Umhüllungslinien, siehe dort), die ebenfalls durchbrochen werden müssen.
Einige Nachteile in der Anwendung eines einzigen „GDs“ können durch die Kombination verschiedener „Moving Averages“ vermieden werden, die eine weitere Filterung der Signale bewirken. Solche „Moving Average“-Systeme repräsentieren heute die am häufigsten angewendeten Handelssysteme. Im Regelfall basieren diese auf zwei, drei oder vier „Moving Averages“. Anwendung von zwei „Moving Averages“ Die Kombination von zwei „Moving Averages“ („Double-Moving Average-System“) stellt als „Crossover“-Umkehrsystem die populärste Konstruktion dar. Im Normalfall wird mit einem längeren „GD“ der Trend definiert, während der kürzere „GD“ zur Signalgenerierung dient. Weit verbreitet ist hier das System von Richard Donchian, der einen 5-Tages-Durchschnitt mit einem 20-Tages-Durchschnitt kombinierte (jeweils einfach gleitend).
Anwendung von drei „Moving Averages“ Bei einer Verknüpfung von drei „Moving Averages“ („Triple-Moving Average-System“) erfolgt eine weitere Filterung der Signale. So wird das Handelssignal (Kreuzung des kurzen „GD“ mit dem langen „GD“) nur befolgt, wenn auch der mittlere „GD“ den langen „GD“ in die angezeigte Trendrichtung schneidet. Bekannt ist vor allem die Konstruktion von Richard C. Allen, der 4-, 9- und 18-Tage-„GDs“ miteinander kombinierte. Dabei erfolgt der jeweilige Positionsaufbau wenn der 9-Tages-„GD“ den 18-Tages-„GD“ durchkreuzt (der 4-Tages-„GD“ wird vorher den 9-Tages-„GD“ in die gleiche Richtung gekreuzt haben). Die Glattstellung wird vorgenommen sofern sich 4- und 9-Tages-„GD“ wieder in die entgegengesetzte Richtung kreuzen.
Anwendung von vier „Moving Averages“ Die Anwendung von vier „Moving Averages“ bewirkt eine weitere Glättung. Zwei länger eingestellte „GDs“ sollen den vorherrschenden Trend identifizieren, während zwei kürzer eingestellte „GDs“ zur Generierung von Handelssignalen genutzt werden. Dabei werden ausschließlich die in Trendrichtung gerichteten Handelssignale befolgt (Aufwärtstrend nur Hausse-Positionen, Abwärtstrend nur Baisse-Positionen). Gebräuchlich ist hier die Einstellung von 20- und 40-Tagen (Trend), sowie 5- und 12-Tagen (Signal).
Funktionsweise und (die schier unerschöpflichen) Möglichkeiten der „Moving Averages“ sind nicht nur der „Leitfaden“ vieler Handelssysteme, sondern auch die „Basis“ fast eines jeden Trendfolgers. Wenn Sie ein eigenes System entwickeln, fangen Sie unbedingt bei den „GDs“ an. Was hier nicht „funktioniert“, wird Sie wahrscheinlich auch in keinem anderen trendfolgenden Ansatz zum Erfolg führen. Mit dem Unterschied, dass Sie aufgrund der Einfachheit und Objektivität bei den „GDs“ die fehlerhaften Anfangsschritte mit Abstand am leichtesten erkennen werden. Dazu sei jedoch auch betont, dass gerade bei den „Moving Averages“ die Versuchung am größten ist, übertriebene Optimierungen bei der Parameterwahl vorzunehmen, so dass für die Vergangenheit „phantastische“ Ergebnisse errechnet werden, die in der Zukunft aber zu einem ebenso ungewöhnlich schnellen „Ruin“ führen können.
Falls Sie mit „Moving Averages“ (anderen Trendfolgern) arbeiten, bedenken Sie bitte stets, dass die Signale hier „immer zu spät“ kommen, „niemals zu früh“. Die Sensitivität für Einstiegssignale und Ausstiegssignale sollte daher unbedingt variiert werden
Quelle:
Thomas Müller,
TM BÖRSENVERLAG AG: Das GROSSE Buch der TECHNISCHEN INDIKATOREN
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