Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
tun wir einmal so, liebe Anlegerinnen und Anleger, als gäbe es keine Schuldenkrise in Europa. Die Banken würden klotzig verdienen, Inflation wäre kein Thema und der Euro eine international begehrte Währung. Diese – natürlich unerlaubte – Vereinfachung hat nur einen Sinn: Sie soll deutlich machen, wie stark uns die „übergeordneten“ Faktoren beschäftigen und dabei zu wenig Raum für den Blick auf die fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten erlauben. Die sind aber nach meiner Einschätzung der Hauptgrund für die relative Widerstandskraft der Aktienmärkte in den zurückliegenden Wochen. Obwohl es an Crash-Kassandras auch in diesen Zeiten nicht mangelt und die Kommentatoren in den meisten Medien am liebsten den Niedergang Europas und das Ende des Geldwährungssystems herbeischreiben möchten – ich hatte und habe nie (heute sagt man: nicht wirklich) das Gefühl gehabt, die Börsen drohten nachhaltig einzubrechen. Und nun, mit den ersten Fortschritten europäischer Hilfs- oder Umschuldungsaktionen, zeigen Dax & Co., dass sie eigentlich nach oben wollen.
Ganz seltsam ist, dass quasi im Einklang mit den Angst verbreitenden Griechenland-Schlagzeilen immer wieder von den Schwarzsehern versucht wird, drohende Schwächen in unserer Volkswirtschaft auszumachen. Auch jetzt werden sie wieder eines Besseren belehrt: Entgegen den Markterwartungen zogen die Auftragseingänge im Monatsvergleich um 1,8 % an. Damit verharrt die Jahresrate mit 12,2 % seit Januar 2010 im zweistelligen Bereich. Dazu kommentiert HSBC Trinkaus & Burkhardt: „Die heutigen Daten unterstreichen zweierlei: Zum einen bleibt das Konjunkturmomentum der deutschen Wirtschaft weiter aufwärtsgerichtet. Zum anderen weisen die Daten darauf hin, dass die heimische Konjunktur zunehmend von der Binnenkonjunktur getragen wird.“
Die aktuellen Stimmungsbeschreibungen und Prognosen für die Finanzmärkte bleiben allerdings sehr differenziert. Namhafte Köpfe unter den Analysten und Vermögensverwaltern geben sich betont zuversichtlich für deutsche Aktien und betonen generell die anhaltende Bevorzugung von Sachwerten als Anlageziele. Die Skeptiker dagegen sehen in der noch ungelösten Staatsschuldenproblematik ein Damoklesschwert, das auch die Dividendenwerte treffen könnte. So war jetzt zu lesen: „Das Feuerwerk an den Aktienmärkten erlischt rasch – zumindest aus Sicht der Anleger. Nach einer Blitzumfrage des Frankfurter Researchinstituts Sentix in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt misstraut die Mehrheit der professionellen und privaten Anleger dem milliardenschweren Hilfspaket der Europäer … 64 Prozent der rund 1000 Investoren, die an der Umfrage teilgenommen haben, glauben, dass sich die neuerliche Kreditrate für Griechenland samt Beteiligung der Banken als nicht tragfähig erweisen wird. Die Dax-Euphorie der vergangenen Woche ist für 39 Prozent der Befragten nur ein „Strohfeuer“. Weitere 25 Prozent sind sogar der Meinung, dass der Rettungsplan das Schulden- und Zinsproblem …Selbst auf Sicht von zwölf Monaten rechnen die Anleger nur mit stagnierenden Kursen. Das gab es noch nie.“
Was sagen Kurs-Kurven und -Linien? Durch den aktuellen Aufwärtstrend an den Börsen hat sich das Chartbild nach Ansicht vieler technischer Analysten deutlich verbessert. Alte Rekordstände werden wieder zum Thema, selbst das Wiedererreichen des historischen Hochs von 8.151 Punkten aus dem Juli 2007 gilt so manchem als durchaus realistisch.
Ähnliches könnte man übrigens auch von den Edelmetallen berichten. Es mangelt nicht an Vorsichtigen, die Gold und Silber kaum noch Preissteigerungspotenzial bescheinigen – wenn überhaupt. Dagegen beschreibt ein neuer 90-Seiten-Report der österreichischen Erste Bank mit ungewöhnlicher Intensität, warum das gelbe Metall derzeit eine Renaissance als Anlageklasse erlebt: „Gold ist eine der richtigen Antworten in Zeiten chronischer Unsicherheit.“ Die 2000er-Marke wird als nächstes 12-Monats-Kursziel genannt, längerfristig erwartet die Erste 2300 Dollar.
Der Finanz-GAU, den mancher seit geraumer Zeit erwartet hatte, ist nicht eingetreten. Und ich bleibe (noch) dabei: Es wird ihn nicht geben. Grund zum Jubeln gibt es aber auch nicht – uns drohen weiterhin brisante Entwicklungen mit unbekanntem Ausgang. Deshalb ist es eine sinnvolle Strategie, unverändert auf „sachliche“ Anlageklassen zu setzen bzw. dort investiert zu bleiben – Immobilien, bestimmte Rohstoffe und Aktien. Denn selbst wenn deren Preise im zweiten Halbjahr nicht weiter deutlich steigen sollten – man schläft einfach besser.
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Quelle: boerse.de