Die physische Lieferung bezeichnet in der Finanz- und Rohstoffwelt die tatsächliche Übergabe eines zugrunde liegenden Vermögenswertes nach Ablauf eines Terminkontrakts oder eines anderen lieferbaren Derivats. Während viele Futures und Optionen durch Barausgleich (Cash Settlement) beendet werden, verpflichtet die physische Lieferung dazu, den Basiswert – etwa Rohstoffe, Agrargüter, Edelmetalle oder bestimmte festverzinsliche Wertpapiere – tatsächlich zu übertragen. Dies macht die physische Lieferung zu einem essenziellen Bestandteil vieler Warenterminmärkte.
Bei Kontrakten mit physischer Lieferung ist im Vorfeld klar definiert, an welchem Ort, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Qualität der Basiswert geliefert wird. Der Ablauf erfolgt meist in mehreren Schritten:
Zu den bekannten Beispielen zählen Öl-Futures, Goldbarren, Weizen, Mais oder auch bestimmte Anleihen. Die Standards für Qualität und Menge sind dabei streng reguliert, um Transparenz und Handelbarkeit sicherzustellen.
Ein Großteil der Finanzderivate wird heute nicht physisch erfüllt, sondern per Barausgleich. Beim Barausgleich erfolgt lediglich ein finanzieller Ausgleich der Preisdifferenz zwischen Vertragswert und Marktpreis zum Fälligkeitszeitpunkt. Dies ist besonders typisch für Aktienindizes, viele Optionen oder Währungsderivate, bei denen eine physische Übergabe entweder nicht praktikabel oder nicht möglich wäre.
Im Gegensatz dazu führt die physische Lieferung zu einer tatsächlichen Warenbewegung. Dies ist vor allem dann relevant, wenn Marktteilnehmer nicht nur spekulieren, sondern Rohstoffe tatsächlich benötigen – etwa Energieversorger oder Lebensmittelproduzenten.
Der zentrale Zweck physischer Lieferungen liegt in der Verknüpfung von Terminmärkten mit der realen Wirtschaft. Sie stellt sicher, dass Preissignale am Future-Markt eine funktionierende Verbindung zum physischen Angebot haben. Dadurch wird eine faire und transparente Preisbildung gewährleistet.
Für Unternehmen ist die physische Lieferung insbesondere in folgenden Fällen entscheidend:
Damit dient die physische Lieferung nicht nur dem Austausch von Gütern, sondern auch als wichtiges Fundament für die Integrität des Marktes.
Eines der bekanntesten Beispiele ist die physische Lieferung von Rohöl über den WTI-Future an der NYMEX. Hier erfolgt die Lieferung in Cushing, Oklahoma – einem der wichtigsten Lagerorte der US-Energieinfrastruktur. Ein weiteres Beispiel ist physisches Gold, das in Form von zertifizierten Barren mit festgelegtem Gewicht und Reinheitsgrad geliefert wird.
Auch im Agrarsektor spielen physisch erfüllbare Futures eine wichtige Rolle, etwa bei Mais-, Sojabohnen- oder Weizen-Kontrakten. Die genaue Qualität der Körner, die Lieferorte sowie Abnahmebedingungen sind streng in den Kontraktspezifikationen geregelt.
Die physische Lieferung kann im Vergleich zum reinen Barausgleich komplexer und kostspieliger sein. Typische Herausforderungen sind:
Deshalb ist es üblich, dass spekulative Anleger ihre Positionen vor Ablauf glattstellen, um keine tatsächliche Lieferung zu erhalten.
Die physische Lieferung verbindet den Finanzmarkt unmittelbar mit der realen Wirtschaft. Sie stärkt die Preisbildung, stabilisiert die Märkte und ermöglicht es Produzenten wie Verbrauchern, Preisrisiken effektiv abzusichern. Obwohl viele Marktteilnehmer Barausgleich bevorzugen, bleibt die physische Lieferung ein unverzichtbarer Mechanismus, der sicherstellt, dass Terminmärkte reale, handelbare Güter abbilden. Für professionelle Händler und Unternehmen ist sie ein wichtiges Instrument zur Planung, Risikosteuerung und langfristigen Marktsicherung.