Die Baring-Krise (1890)

Der Name Baring wird bei vielen Lesern Erinnerungen wachrufen. Im Frühjahr 1995 hatte der nur 28-jährige Finanzmakler Nick Leeson mit riskanten Spekulationsgeschäften die Londoner Bank in den Konkurs getrieben. Doch das war nicht der erste Skandal, der die Bank erschütterte. Gut 100 Jahre vorher, im November 1890, stand die Bank schon einmal kurz vor dem Aus.

Die Geschichte der Baring Bank reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1762 gründeten zwei Söhne einer holländischen Händlerfamilie die John and Francis Baring Company als erstes privates Handelshaus in London. Da der Handel in der damals größten Wirtschaftsmacht der Welt florierte, etablierte sich das Handelshaus und begann rasch zu expandieren. Neben dem bisherigen Import- und Exporthandel wurden dabei auch immer mehr Bankgeschäfte übernommen. Im Jahr 1806 wurde das Unternehmen in Baring Brothers and Company umfirmiert. Bald hatte das Haus einen ausgezeichneten Ruf, was u.a. daran lag, dass Sir Francis Baring geholfen hatte, die Napoleonischen Kriege mitzufinanzieren. Das Unternehmen akquirierte mittlerweile Geschäfte mit dem britischen Königshaus, Paris oder St. Petersburg.

Nach dem Tod von Sir Francis Baring übernahm Sohn Alexander Baring die Geschicke des Unternehmens. Unter seiner Regie nahmen die Aktivitäten in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika stetig zu. Immer noch bildeten aber die Finanzunterstützungen für europäische Regierungen den Schwerpunkt des Tagesgeschäfts. Auch nach dem Tod Alexanders hielt die Familie Baring die Ruder fest in der Hand und mehrte Ansehen und Vertrauen. Dies ist wohl auch ein Grund für die bis dato beispiellose Rettungsaktion, die im Jahr 1890 stattfand.

Baring-Bank setzt auf Südamerika
Ungefähr ab 1880 rückte Südamerika in das Blickfeld der europäischen Anleger. Dort versprachen Landerschließungen im Süden Argentiniens, brasilianischer Kaffee, oder Salpeter aus Chile raschen Gewinn. Verteilten sich die Investitionen zunächst noch auf verschiedene Länder, zeigte sich ab 1885 durch den Rückzug vor allem der deutschen und französischen Investoren eine zunehmende Konzentration, der von Argentinien im Wert von insgesamt 200 Millionen britischen Pfund ausgegebenen Anleihen, bei den britischen Anlegern. Im Jahr 1888 machte sich aber auch in Großbritannien eine gewisse Übersättigung bemerkbar, als eine Emission im Wert von 3,5 Millionen Pfund der städischen Wasserversorgungs- und Kanalisationsgesellschaft von Buenos Aires scheiterte.

Trotzdem investierte die Baring-Bank weiter in südamerikanische Unternehmen und gewährte Argentinien Darlehen in Form von Akzeptkrediten. Diese langfristigen Kredite wurden problematischerweise aber nur durch eine kurzfristige Refinanzierung abgesichert. Insbesondere die Bank of England sah diese Entwicklung mit Sorge und forderte Baring Brothers auf, die Höhe der Akzeptkredite, die im Sommer 1890 rund 30 Millionen Pfund betrugen, zu begrenzen.

Als in der zweiten Jahreshälfte 1890 die Rohstoffpreise immer weiter einbrachen, konnte die argentinische Regierung die gewährten Kredite nicht mehr rechtzeitig zurückzahlen und stellte Ende 1890 ihre Zahlungen auf Auslandsschulden ein. Zusätzlich belastete im Oktober 1890 eine Krise in New York die Märkte, so dass Baring keine weiteren Mittel mehr durch die Emission von Wertpapieren oder die Aufnahme kurzfristigen Kredite aufnehmen konnte.

Damit saß das Bankhaus plötzlich auf faulen Argentinischen Anleihen im Wert von 21 Millionen Pfund. Deshalb offenbarte Baring Brothers am Samstag, den 8. November 1890, die akute Notlage dem Gouverneur der Bank of England, William Lidderdale und bat gleichzeitig um Hilfe bei der Lösung des Problems. Lidderdale erkannte schnell, dass der ausgezeichnete Ruf von Baring Brothers bei Bekanntwerden dieser Nachricht eine große Panik heraufbeschwören konnte. Es bestand die Gefahr, dass Baring-Kunden ihr Vermögen bei der Bank einlösen und die Bank of England zum Umtausch der Banknoten in Gold auffordern konnten. Dies hätte einen massiven Abfluss der Goldreserven der Bank of England zur Folge, was die Situation weiter verschärfen hätte können.

Suche nach Auswegen aus der Krise beginnt
Auf der folgenden Krisensitzung wurde zunächst der Vorschlag diskutiert, die Baring Bank mit Liquidität zu versorgen. Dies hätte jedoch ebenfalls schrumpfende Goldreserven zur Folge gehabt. Zudem hätten Zweifel in der Finanzwelt aufkommen können, ob die Bank von England mit dieser Strategie langfristig die Konvertibilität des Pfundes aufrechterhalten kann. Die Folge wäre eine Aussetzung der Konvertibilität der Landeswährung, um die binnenwirtschaftliche Bankenkrise abzuwenden. Auch eine Erhöhung des Diskontsatzes hätte keine rechtzeitige Aufstockung der Goldreserven ermöglicht. Nach Beratung mit Vertretern des Schatzamtes am Montag, 10. November, wurden diese Szenarien deswegen verworfen. Statt dessen suchte die Bank of England Hilfe im Ausland und lieh sich 3 Millionen Pfund in Gold bei der Banque of France sowie eine Bürgschaft in Höhe von 1,5 Millionen Pfund von der russischen Staatsbank. Zudem bat Lidderdale die russische Regierung, ihre Einlagen bei Baring in Höhe von 2,4 Millionen Pfund nicht abzuziehen.

In der folgenden Woche gab es in der Öffentlichkeit zunehmend Gerüchte über eine mögliche Insolvenz einer bekannten Londoner Bank. Bei der Bank of Engand wurden zunehmend Baring-Wechsel diskontiert. Die Situation spitze sich langsam zu. Am Freitag, 14. November, kam John Daniell, der Haupthändler der Bank of England für Offenmarktgeschäfte zu Lidderdale und beklagte sich über die angespannte Situation: \"Können Sie nicht irgendetwas tun oder sagen, das die Menschen beruhigt: Sie bilden sich ein, dass etwas Schreckliches im Gange ist und sie nennen die besten Namen - die allerbesten!\" Bereits am Mittwoch hatte Lidderdale erfahren, dass Baring nach der letzten Rechnung langfristig solvent bleiben würde und nur ein kurzfristiger Engpass in Höhe von 8 bis 9 Millionen Pfund bestand. Noch am 14. November traf sich Lidderdale deshalb mit den Kabinettsministern, Lord Smith und Lord Salisbury, zwei Repräsentanten des Schatzamtes, und vereinbarte eine Erhöhung des Regierungsguthabens bei der Bank of England. Zudem konnte Lidderdale eine Teilung der Verluste der Bank of England durchsetzten, die zwischen 14 Uhr am Freitag und 14 Uhr am Samstag durch kurzfristige Schuldtitel von Baring Brothers entstanden. Anschließend traf sich der Gouvernour der Bank of England mit Vertretern von elf Privatbanken und einigen angesehenen Unternehmern, um einen Garantiefonds für die Rettung Barings ins Leben zu rufen. Positiv wirkte sich dabei die gerade erhaltene Nacricht der russischen Regierung aus, ihre Barings-Einlagen nicht zurückzuziehen. So konnte Lidderdale die Zusage für 3.250.000 Pfund von den Privatbanken erreichen. Die Bank of England beteiligte sich mit 1.000.000 Pfund und die Unternehmen Glyn, Mills & Co., Currie & Co. sowie die Rothschilds mit je 500.000 Pfund an dem Garantiefonds. Am Abend hatte Lidderdale nach weiteren Gesprächen mit den Londoner Aktienbanken die Zustimmung für weitere 3,25 Millionen Pfund, so dass nun genau 9 Millionen Pfund in dem Garantiefonds zusammengetragen waren.

Konkurs der Baring-Bank
Endlich konnte die Bank von England den Markt mit der nötigen Liquidität versorgen und gleichzeitig ihre Reserven, die Glaubwürdigkeit und die Stabilität der Währung wahren. Damit war der Zeitpunkt gekommen, die Öffentlichkeit zu informieren und so meldete die Times am Samstag, 15. November 1890, dass Barings in Konkurs gehen würde, glücklicherweise aber keine Verluste seitens der Anleger befürchtet werden müssten. Gleichzeitig wurde der gebildete Garantiefonds als Stärke des Londoner Finanzwesens dargestellt. Immerhin schlossen sich daraufhin noch weitere Finanzhäuser dem Fonds an, so dass er bis zum Abend auf 10 Millionen Pfund angewachsen war. Später erreichte der Fonds, u.a. durch die Beteiligung schottischer Banken, sogar 17 Millionen Pfund. Zu diesem Zeitpunkt waren 108 Banken, Finanzhäuser und Personen in dem Konsortium vertreten.

Die Bedrohung war damit erfolgreich abgewendet worden. Die Anleger beruhigten sich, da ja genügend Sicherheiten vorhanden waren und die befürchtete Panik blieb aus. Zehn Tage später konnte aus der Konkursmasse der Baring Brothers das neue Unternehmen Baring Brothers & Co. Ltd, als Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 1 Million Pfund gegründet werden, das einen Großteil des bestehenden Geschäfts übernahm und gleichzeitig den guten Ruf des Hauses wiederherstellen konnte. Doch obwohl die kritische Situation entschärft worden war, hatte die Baring-Krise langfristig entscheidende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Eine Folge war die weltweit drastische Reduzierung britischer Auslandskredite was letztendlich 1893 zu Wirtschaftkrisen in Südafrika, Australien oder den Vereinigten Staaten führte.
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