In den Jahren 1772 und 1773 erschütterte eine schlimme Finanzkrise Europa. Auslöser war der Zusammenbruch einer angesehenen Londoner Bank. Aufgrund der engen Verknüpfung der Finanzplätze von London, Edinburgh und Amsterdam zeigte die Londoner Krise wenig später Auswirkungen in Schottland und den Niederlanden.
Die Ursprünge des schottischen Bankensystems liegen wohl im Mittelalter. Es gibt Hinweise, dass damals große italienische Banken in Schottland aktiv waren. Im 17. Jahrhundert unterhielten dann zwei Gruppen, die Kaufleute und die Goldschmiede, einfache Banken in Edinburgh. Vor allem wohlhabendere Kaufleute gaben bereits kurzfristige Kredite und fungierten gleichzeitig auch als Geldwechsler und Devisenhändler für ausländische Währungen. Im Gegensatz zu England herrschte in Schottland, aufgrund der geringen Größe des Landes, ein Nebeneinander verschiedenster in- und ausländischer Währungen. Im Jahr 1695 wurde schließlich die Bank of Scotland auf Beschluss des schottischen Parlaments gegründet. Im Gegensatz zur Bank of England, die immer eng mit der Regierung zusammenarbeitete, war es der Bank of Scotland verboten der Regierung - ohne parlamentarische Zustimmung - Darlehen zu gewähren. Im Jahr 1727 enstand dann die Royal Bank of Scotland (kurz: Royal) als zweite Staatsbank. Beide Banken versuchten zunächst sich gegenseitig aus dem Markt zu drängen. Nachdem diese Versuche aber scheiterten und mehr Kosten als Nutzen brachten, einigten sich beide Finanzinstitute schließlich im Jahr 1751, die jeweiligen Banknoten der Konkurrenz zu akzeptieren.
Doch während es somit in der Hauptstadt Edinburgh zwei große Banken gab, war der Rest Schottlands für Bankgeschäfte noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Aus diesem Grund entstanden ab Mitte des 18. Jahrhunderts in den größeren Städten die ersten Unternehmen, die Bankleistungen wie Diskont- oder Wechselgeschäfte anboten. Die Nachfrage nach weiteren Bankdienstleistungen stieg in der Folgezeit stark an und es dauerte nicht lange bis weitere Organisationen die noch vorhandenen Lücken füllten. Meistens waren es kleinere Privatbanken, die zunächst eine größere Summe von den Banken in Edinburgh borgten, um sie anschließend in kleineren Teilen an Kaufleute aus ihrer Gegend zu verteilen. Später gründeten Kaufleute in den größeren Städten Schottlands schließlich eigene Banken.
Das Gesetz sah damals keine Einschränkungen für Einheimische bei der Gründung eines solchen Finanzinstitutes vor und so konnte praktisch jeder wohlhabende Schotte eine eigene Bank eröffnen. Ein Problem entstand jedoch bald durch die unterschiedlichen Banknoten. Jede Bank wollte ihr eigenes Geld drucken und es herrschte ein buntes Gemisch aus den verschiedensten Banknoten. Die beiden Landesbanken beobachteten diese Entwicklung mit Sorge und bündelten schließlich ihre Kräfte, um diese Privatbanken aus dem Geschäft zu treiben. Doch bis auf einige kleinere verletzbare Provinzbanken verhallten die Maßnahmen ohne große Wirkung..
Eine der Banken, die zu dieser Zeit entstanden, ist die British Linen Company. Das Unternehmen war ursprünglich 1746 gegründet worden, um die schottische Leinenindustrie zu fördern. Später entwickelte sich daraus eine Privatbank, die Bankdienstleistungen in vielen schottischen Städten anbot. Da dafür in jeder Stadt eigene Niederlassungen gegründet wurden, war das Unternehmen gleichsam der Pionier des Filialbankensystems, obwohl die Bank of Scotland bereits in den Jahren um 1690 und später nochmal um 1730 erfolglos versucht hatte ein Zweigstellennetz aufzubauen. Erst in den Siebziger Jahren des Jahrhunderts etablierte auch die Bank of Scotland ein funktionierendes Filialsystem. Lediglich in Glasgow unterhielt das Finanzinstitut bereits längere Zeit eine erfolgreiche Niederlassung.
Nach dem siebenjährigen Krieg boomte die Wirtschaft in Europa. Die aufkeimende Industrialisierung brachte die Massenproduktion von Gütern und heizte die Konjunktur an. Überall wurden große Geldsummen in Häuser, Fernstrassen, Kanäle und andere öffentliche Bauten investiert. Parallel nahm auch das aufgenommene Kreditvolumen stark zu. Ein Unternehmen, dass zunächst davon profitierte, war die britische East-India Company. Seit 1767 hatte das Londonder Unternehmen die Ausfuhr ihrer Produkte aus England deutlich gesteigert.
Doch zwei schlechte Ernten - 1771 und 1772 - führte zu einer Wende in Europa. Da die Ostindische Kompagnie Getreide aus anderen Kontinenten nach Europa einführte, konnte Sie die Gewinne zunächst noch steigern und der Aktienkurs zog weiter an. Doch wenig später holten die Ereignisse auch dieses Unternehmen ein. Der Markt in Europa war übersättigt. Der hohen Produktion und den vollen Lagern standen aufgrund mangelnder Einnahmen der Bevölkerung - vor allem wegen der schlechten Ernten - eine nur geringe Kaufkraft gegenüber. Zudem musste der Export mit den neuenglischen Kolonien in Amerika aufgrund des Protestes der dortigen Bürger eingestellt werden. Während die Preise für Nahrungsmittel anzogen, sanken die Preise der anderen Produkte. Die Verschuldung des Unternehmens stieg plötzlich sprunghaft an - allein in Indien hatte die Compagnie Wechselschulden von 1,2 Millionen Pfund Sterling. Seltsamerweise hielt sich der Aktienkurs noch auf hohem Niveau.
Die allgemeine wirtschaftliche Lage führte mittlerweile zu einer gewissen Nervosität an den Märkten in Europa und wieder war es nur ein relativ kleiner Auslöser, der zu einer europaweiten Finanzkrise führte.. Einige Kaufleute, darunter der angesehene schottische Bankier, Alexander Fordyce, glaubten an einen baldigen Kursrückgang der Ostindischen Kompagnie. Fordyce, dem zusammen mit drei anderen angesehenen Bankiers die Neale, James, Fordyce & Downe Bank gehörte, spekulierte Anfang 1772 mit einem großen Vermögen auf einen fallenden Kurs. Doch die East-India-Aktie fiel nicht - im Mai 1772 lag der Kurs mit 226 Zählern gerade einmal 5 Zähler unter dem Höchststand von Ende Februar 1771. Fordyce hatte so das Vermögen der Bank verspekuliert. Er floh aus London und hinterließ seinen Partner einen Schuldenberg in Höhe von einer halben Million Pfund Sterling. Zwar versuchten die Partner das Ruder noch herumzureißen, doch es half nichts. Im Juni 1772 musste das Londoner Banking House of Neale, James, Fordyce and Doune schließlich Bankrott anmelden.
Auch die East-India Compagnie war Mitte 1772 in arge Bedrängnis geraten. Eine Hungersnot in Indien führte zu einem massiven Rückgang der Getreideexporte, die das Unternehmen bislang noch mit Einnahmen versorgt hatten. Im Sommer 1772 gestand die Unternehmensführung schließlich öffentlich ihre Zahlungsunfähigkeit ein. Jetzt erst fiel der Kurs in den Keller. Viele Anleger standen vor den Scherben ihres Investments und mussten in der Folge ebenfalls Insolvenz anmelden. Erst durch einen hohen Zuschuß seitens der Regierung für die East India Compagnie konnte die Krise einigermaßen unter Kontrolle gebracht werden.
Von den Konkursen der Londoner Unternehmen war vor allem auch eine schottische Bank betroffen, die enge Beziehungen nach London hatte. In Schottland hatte die boomende Wirtschaft zu einer steigenden Anzahl an neuen Privatbanken geführt. Im Jahr 1769 war im schottischen Ort Ayr, die Douglas, Heron & Company gegründet worden. Die Bank gewann aufgrund einer liberalen Kreditpolitik sehr schnell neue Kunden und expandierte rasch in andere Teile Schottlands. Im Jahr 1771 verschmolz das Unternehmen mit der Ayr Banking Company. Ab 1772 wurde das Unternehmen schließlich in Ayr-Bank umfirmiert. 1772 besaß die Ayr-Bankgruppe neben dem Hauptsitz in Ayr Filialen in Edinburgh und Dumfries sowie Vertretungen in Glasgow, Inverness, Kelso, Montrose, Campbeltown und einigen anderen Orten. Unter den Shareholdern des Unternehmens waren bekannte Personen wie der Duke of Queensberry, der Duke of Buccleuch, der Earl of Dumfries, der Earl of March, Sir Adam Fergusson of Kilkerran, Patrick Heron of Heron und der ehrbare Archibald Douglas.
Die Bank war gegründet worden, um die finanzielle Versorgung auf dem Land zu sichern. Aber schon bei der Gründung waren einige Fehler begangen worden, die schließlich ins Verderben führten. Das Unternehmen handelte weit über die ihm zur Verfügung stehenden Mittel hinaus und erhöhte zur Deckung den Umlauf mit bankeigenen Geldscheinen. Ein Fehler, an dem bereits John Law - wenn auch in größerem Umfang - gescheitert war. Kredite wurden ohne große Prüfung in hoher Summe für die verrücktesten Geschäftsideen verliehen. In der Geschäftsführung befanden sich zwar viele angesehene und ehrbare Persönlichkeiten - aber kein einziger kannte die Grundregeln des Bankgeschäfts. Zudem erschwerten die unabhängig voneinander operienden Filialen eine Gesamtkontrolle der Zahlungsströme. Und zu guter Letzt zeigte auch die Unternehmensführung eine katastrophale Nachlässigkeit in wichtigen Entscheidungen.
Im Mai 1772, schon vor dem Kollaps des Londoner Banking House of Neale, James, Fordyce and Doune, erkannten die Direktoren der Ayr-Bank ihre Fehler und versuchten verzweifelt eine Lösung zu finden. Die engen Geschäftsbeziehungen nach London leitete nach dem für die Schotten unerwarteten Kollaps in London das Ende der Ayr-Bank ein. Zwar versuchten die Inhaber fast ein Jahr lang das Vertrauen der Gläubiger in die Ayr Bank wiederherzustellen, doch die Bank of Scotland, die Royal und die British Linen Company verweigerten weiterhin die Annahme der Banknoten der Ayr Bank. Auch in London wurde der Geldhahn zugedreht. Im August 1773 musste die Ayr Bank schließlich bankrott melden. Der Gesamtverlust für die damals 225 Teilhaber lag bei über 663.396 Pfund.
Die plötzliche Insolvenz der bekannten Bank löste einen Schock in Schottland aus. Der Zusammenbruch riss eine große Anzahl der Privat- und Provinzbanken mit sich. Betroffen waren auch viele Gutshöfe und Kleinunternehmen. Lediglich das Eingreifen der Bank of Scotland, der Royal Bank sowie der British Linen Company verhinderten Schlimmeres. Diese drei Unternehmen sorgten durch das Verleihen von Geldern an einige Provinzbanken für deren Rettung. Die Banken hätten sonst die Forderungen ihrer Kunden nicht begleichen können. Durch die Bereitwilligkeit der drei Banken wurde das Vertrauen und die Stabilität des schottischen Banksystem schnell wiederhergestellt. Auch in Zukunft gab es in Schottland nie wieder eine so ernste wirtschaftliche Krise wie in den Jahren 1772 und 1773.
Doch die Finanzkrise zog weiter ihre Kreise. Wie in Großbritannien standen auch auf dem Festland die Massenproduktion und die vollen Lager einer stark zurückgegangenen Nachfrage gegenüber. In Amsterdam hatte das alteingesessene britisch-niederländische Handelshaus Clifford & Söhne in großem Umfang Aktien der Londoner East India Kompagnie erworben.. Beide Unternehmen waren durch umfangreiche Handelsbeziehung eng aneinander geknüpft und Clifford versuchte durch die Aktienkäufe den Kurs der Ostindischen Kompagnie zu stützen. Doch die Aktion half nicht - bis Mitte 1773 reduzierte sich der Kurs auf 150 Zähler. Auf dem Handelshaus lastete nun ein Schuldenberg von 5 Millionen niederländischen Gulden. Zwar konnte sich das Unternehmen noch einige Monate über Wasser halten, doch am 28. Dezember 1773 brach es schließlich unter der Last der Schulden endgültig zusammen. Private Kreditgeber und Gesellschafter Cliffords hatten die Verlängerung der kurzfristigen Schulden ohne zusätzliche Sicherungen verweigert.
Da die Bank of England die Vergabe weiterer Wechsel oder Kredite zum eigenen Schutz aussetzte, verschärfte sich die Krise zunehmend. Allein in Amsterdam gingen danach 40 Handelshäuser in Konkurs, doch wurde eine schlimmere Katastrophe durch schnelle Edelmetallimporte verhindert. Auch in Stockholm und St. Petersburg erschütterten wenig später einige Insolvenzen die Wirtschaft, doch insgesamt kam Europa relativ glimpflich davon.
Insbesondere das schottische Bankensystem ging gestärkt aus dieser Krise hervor. Der Zusammenschluss der Banken hatte bereits das Vertrauen und die Stabilität wieder hergestellt. Die vollständige gesetzliche Haftung der Aktionäre sowie die Tatsache, dass aufgrund der hohen Umlaufgeschwindigkeit die meisten anderen Banken kaum Geldscheine der insolventen Institute hielten, führt nur zu geringen Einlageverlusten bei den übrigen Finanzinstituten. Auch in Zukunft konnten durch gegenseitigen Unterstützungsmaßnahmen zahlreiche Konkurse in Schottland verhindert werden. Zwischen 1809 und 1830 lag die Insolvenzrate schottischer Banken sogar deutlich unter der englischen. Während es in Schottland also bergauf ging, wurde England bereits 1793 erneut in eine Krise gezogen.