Enronitis und Megainsolvenzen (2001-2002)

Während die Welt unter den Folgen des 11. Septembers litt, konnte die Börse kräftige Zuwächse verzeichnen. Doch der Aufschwung hielt nicht lange. Bereits Ab Ende Oktober sorgten die beunruhigenden Nachrichten über den Energiekonzern Enron zu einer erneuten Rückkehr der Unsicherheit an den Börsen.

Der 1985 durch die Fusion von Natural GAS und Internorth entstandene amerikanische Energiekonzern zählte zu den größten Erdgas-Händlern der Welt. Im August 2000 hatten die Aktien mit 90,52 Dollar ihren Höchststand erreicht und mussten danach deutliche Kursrückgänge hinnehmen, die viele Anleger zunächst aber noch mit der herrschenden Baisse begründeten. Am 11. Oktober 2001 war die Aktie noch 36,79 Dollar wert. Doch während nach außen weiter "heile Welt" verkündet wurde, brodelte es im Herbst 2001 hinter den Kulissen bereits gewaltig. Unbemerkt von der öffentlichkeit hatte der Chef-Rechnungsprüfer im Oktober 2001 unzählige brisante Daten vernichten lassen, um so Fehlbuchungen zu vertuschen. Doch wenig später bekam die US-Börsenaufsicht Wind von der Aktion und begann am 22. Oktober 2001 Ermittlungen gegen Enron aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kurs gegenüber dem 11. Oktober bereits um über 40 Prozent auf 20,65 Dollar eingebrochen. Während nun auch Finanzdirektor Andrew S. Fastow eilends mit der Aktenvernichtung startete, verunsicherten die weiter häppchenweise an die öffentlichkeit gelangenden Gerüchte die Anleger. Doch niemand konnte das ganze Ausmaß vorhersehen. Am 8. November 2001 gab Enron schließlich offiziell zu, seit 1997 die Gewinne um rund 600 Millionen Dollar künstlich aufgeblasen zu haben. Der Kurs hatte sich mit 8,41 Dollar noch einmal mehr als halbiert.

Panikverkäufe bei Enron-Anlegern
Da die schlechten Nachrichten damit zunächst auf dem Tisch waren, konnte sich der Kurs sogar wieder leicht erholen. Grund dafür war auch ein übernahme-Angebot des deutlich kleineren Wettbewerbers Dynergy Inc., der die marode Gesellschaft für 9,3 Milliarden US-Dollar in Aktien kaufen wollte. Das fusionierte Unternehmen sollte als Dynergy mit Firmensitz in Houston firmieren. Die Schlüsselpositionen im Management sollten ausschließlich von Dynergy besetzt werden. Obwohl Enron das übernahmeangebot annahm und damit ein leichte Kurserholung auf 10,00 Dollar bis zum 14. November auslöste, kam die Fusion nicht zustande. Schon bald nach der Ankündigung wurde klar, dass Enron nur durch diese Fusion überleben konnte. Dies belastete den Kurs der Enron-Aktie erneut und bis zum 27. November halbierte sich die Aktie auf einen Schlusskurs von 4,11 Dollar. Am nächsten Tag schockte dann der übernahmepartner die Anleger, da Dynergy die geplante Fusion mit der Begründung absagte, Enron habe Vertragsbruch begangen, indem hohe Schulden nicht bilanziert wurden. Die Enron-Anleger gerieten in Panik und warfen ihre Papiere auf den Markt. Der Kurs der Aktie brach innerhalb weniger Stunden um über 85 Prozent ein und ging mit 0,61 US-Dollar aus dem Handel. Nach einem Kursverlust von mehr als 90 Prozent seit dem Höchstkurs war Enron damit zum Pennystock degradiert worden. Daran änderte auch der Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Konkursrechts am 2. Dezember 2001 nichts mehr. Am 23. Januar 2002 wurde die Enron-Aktie schließlich vom Handel ausgeschlossen.

Doch auch wenn die "Enronitis" die Gemüter der Anleger erhitzte, so verharrten die beiden deutschen Indizes in einem Seitwärstrend im Bereich von 4900-5200 (DAX) bzw. 1000-1250 (Nemax All Share). Zum Jahreswechsel 2001/2002 notierte der DAX bei 5160, der Nemax All Share bei 1095 und der Dow bei 10021. Seit den Tiefstständen vom 21. September entsprach dies immerhin einem Zuwachs um 36 Prozent im DAX, um 51 Prozent im Neuen Markt und um 22 Prozent im Dow Jones. Zwar hatten die deutschen Indizes damit erneut eine negative Jahresperformance aufgewiesen und nur vier DAX-Titel schlossen das Jahr mit einem Kursgewinn ab (Adidas, SAP, BMW, Daimler), dennoch blickte die breite Anlegerschar und die Analysten aufgrund der hinter ihnen liegenden Jahresendrallye relativ positiv in das Jahr 2002.



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