Vom Ausbruch des ersten Weltkrieges bis zur Nachkriegsdepression in den USA (1920)
Die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg gehört nicht nur politisch zu den brisantesten Phasen der Weltgeschichte, auch wirtschaftlich prägten mehrere, rasch aufeinanderfolgende Krisen und Boomphasen das Handeln an den Weltbörsen. Aufgrund der vielen Ereignisse wird die Beschreibung der Börsengeschichte dieser Zeit in mehreren Teilen erfolgen. Die Betrachtung beginnt mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges und reicht bis zur großen Nachkriegsdepression der Jahre 1920/1921. In den folgenden Teilen werden dann die Hyperinflation in Deutschland, der Boom der goldenen Zwanziger der schließlich im \"Black Friday\" im Oktober 1929 endete sowie die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre behandelt.
Der Erste Weltkrieg brach für viele Menschen relativ überraschend aus. Als am 28. Juni 1914 der österreichische Kronprinz Franz Ferdinand und seine Gattin durch serbische Nationalisten ermordet wurden, betrachteten die meisten diesen Anschlag lediglich als weiteres tragisches Ereignis in einem bereits seit langem schwelenden Konflikt. Schnell gewannen andere Themen die Schlagzeilen der Presse zurück. Erst Ende Juli mehrten sich die Anzeichen eines möglichen Kriegsausbruchs. Am 23. Juli hatte Österreich-Ungarn Serbien ein Ultimatum gestellt und in den letzten Julitagen erließen Österreich, Serbien, Russland, Deutschland und Frankreich den Befehl zur Generalmobilmachung. Hauptgegner waren zu dieser Zeit die beiden Mittelmächte - das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn - auf der einen Seite sowie die als Entente-Mächte bezeichneten Staaten Großbritannien, Frankreich und Rußland auf der anderen Seite. Am 28. Juli 1914 erklärt schließlich Österreich-Ungarn Serbien den Kriegs. Binnen weniger Tage traten auch das Deutsche Reich (1. August), Großbritannien (4. August), Serbien (6. August), Montenegro (7. August) und Frankreich (13. August) aus eigenem Antrieb in den Krieg ein. Insgesamt waren damit bis Mitte August bereits 10 Länder in den Krieg verwickelt. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges sollten 38 Staaten aktiv in die kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt werden, mit den Kolonien waren sogar zwei Drittel der Weltbevölkerung vom Krieg betroffen.
Die USA war zu Kriegsbeginn in einer unglücklichen Situation. Einerseits lebten unter den 92 Millionen Bürgern in Amerika unzählige Emigranten aus den verschiedenen europäischen Staaten (darunter immerhin 8 Millionen deutscher Herkunft), andererseits sprach die kulturelle Nähe zu Großbritannien für einen Kriegseintritt gegen Deutschland. Um die Situation nicht zu verschärfen, rief der amerikanische Präsident Woodrow Wilson seine Landsleute zu strikter Neutralität auf. Im Verlauf des Krieges mehrten sich jedoch die Stimmen, die einen Kriegseintritt an der Seite der Entente forderten. Insbesondere die Versenkung des britischen Luxusliners Lusitania durch ein deutsches U-Boot im Mai 1915, bei der 128 Amerikaner den Tod fanden, führte zu einem breiten Stimmungsumschwung, der letztendlich am 6. April 1917 in eine Kriegserklärung an Deutschland mündete. Auch wenn die Entscheidung innenpolitisch immer noch umstritten war, so erwies sich das amerikanische Engagement durch die Entsendung von über zwei Millionen Soldaten zum europäischen Kriegsschauplatz als kriegsentscheidend. Doch auch wirtschaftlich war der Eintritt für die USA langfristig günstig.
Bei Kriegsbeginn in Europa schlitterte die US-Wirtschaft zunächst in eine kurze Depression. Die Kurse an der New Yorker Börse sackten Ende Juli 1914 in sich zusammen. Um eine weitere Talfahrt aufgrund der unsicheren Lage zu stoppen, entschied die Führung der New Yorker Börse am 31. Juli 1914 den Handel in Wertpapieren vorerst einzustellen. Aus den zunächst geplanten wenigen Tagen wurden allerdings schnell Wochen und Monate. Natürlich konnte diese Maßnahme den Handel nicht vollkommen zum Erliegen bringen. Kurz nachdem der erste Schock über den Kriegsausbruch in Europa und die Schließung der NYSE überwunden worden war, fanden sich vor der NYSE regelmäßig einige Händler und Spekulanten zusammen, die ihre Wertpapiere auf dem Schwarzmarkt handelten. Dennoch dauerte es noch bis zum Jahresende, ehe die amerikanische Börse offiziell zur Normalität zurückkehrte. Erst nach viereinhalb Monaten, am 15. Dezember 1914, konnten wieder Aktien - zunächst noch unter Beachtung vorgesetzter Minimum-Preise - am \"Big Board\" in New York gehandelt werden. Die europäischen Börsen blieben dagegen weiter geschlossen.
Dennoch brachte der Krieg für viele amerikanischen Investoren einen wahren Geldsegen. Grund waren die massiven Einkäufe der Alliierten in Amerika. Zwar sanken durch den Krieg die Außenhandelseinkünfte, gleichzeitig sorgte aber die Kapitalnachfrage der Kriegsstaaten und deren Bedarf an amerikanischen Waffen für ein neuen Boom in der US-Wirtschaft. Nach Aussagen der Wallstreet-Legende Jesse Livermoore handelte es sich dabei \"um die sich am deutlichsten abzeichende Hausse aller Zeiten ... Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Amerika aufgrund der massiven Einkäufe der Alliierten das wohlhabenste Land der Erde werden würde. Bei uns gab es all die Dinge zu kaufen, die niemand anderer sonst im Angebot hatte. Das Geld der ganzen Welt floß in Strömen in dieses Land. Eine Inflation war unvermeidlich - und das bedeutete natürlich einen allgemeinen Preis- und Kursanstieg" (aus Jesse Livermore Das Spiel der Spiele, TM Börsenverlag AG).
Doch auch diese Hausse musste irgendwann ein Ende haben. Im Jahr 1916 sorgten Gerüchte über ein Botschaft des US-Präsidenten Wilson, die Europa den Frieden bringen sollte, für einen kräftigen Kursrutsch an der Börse. Die Anleger befürchteten, die Kriegshausse würde durch diesen Vorschlag ihre Grundlage verlieren - Frieden war auf einmal ein Baisse-Grund! In der Folge sorgten verschiedene negative und positive Gerüchte immer wieder für kurze kräftige Kurserholungen gefolgt von massiven Kurseinbrüchen. So sackten die Kurse beispielsweise bei Erklärung des totalen U-Bootkriegs durch die Deutsche Admiralität in den Keller. Die deutschen U-Boote durchkreuzten zu dieser Zeit alle Meere, waren zahlenmäßig weit überlegen und torpedierten praktisch alle feindlichen Schiffe, die sie finden konnten. Allein im April 1917 fügten die deutschen U-Bootflotte der Handelsmarine der Alliierten verheerende Schäden in Höhe von fast 680.000 Bruttoregistertonnen zu.
Zwar kämpfte die USA nun auf der Seite der Alliierten, doch arbeitete Präsident Wilson weiter an einem Friedensplan. Im Januar 1918 legte Wilson ein vierzehn Punkte umfassendes Programm für den Weltfrieden und die Neuordnung Europas nach dem 1.Weltkrieg vor, das u.a. das Selbstbestimmungsrecht aller Völker, die gerechte Neuordnung des Kolonialsystems und die Einrichtung des Völkerbundes zur Friedenssicherung vorsah. Im Oktober 1918 bat Deutschland auf der Grundlage der Vierzehn Punkte um einen Waffenstillstand, dem sich langwierige Friedensverhandlungen in Paris anschlossen und die schließlich im Versailler Vertrag mündeten. Während die USA außenpolitisch also eine wichtige Rolle spielte, regte sich innenpolitisch der Widerstand gegen den Versailler Vertrag. Die Gegner befürchteten, dass der Beitritt zum Völkerbund eine enge Verwicklung der USA in künftigen Kriegen mit sich bringen würde und dadurch die amerikanische Unabhängigkeit und militärische Handlungsfreiheit einschränken könnte. So kam es, dass der US-Senat den Friedensvertrag schließlich ablehnte und sich die USA nach Kriegsende unter dem 1920 neu gewählten Präsidenten Warren G. Harding wieder in die neutrale Rolle zurückzog.
Wirtschaftlich war die USA dagegen zur bedeutendsten Handelsmacht aufgestiegen. Der Krieg hatte dafür gesorgt, dass die Vereinigten Staaten von einer Schuldnernation zum größten Gläubiger der Welt und New York neben London zum wichtigsten Welthandelszentrum aufgestiegen waren. Im Gegensatz zur politisch verfolgten Isolation der USA, wurden die wirtschaftlichen Beziehungen mit den europäischen Staaten weiter gepflegt. Dabei forderte die USA vielfach einen freien Zugang zu den nationalen Märkten, erschwerten aber gleichzeitig durch Schutzzölle die Einfuhr ausländischer Waren ins eigene Land. Die inländische Industrie war nach Kriegsende darauf bedacht, die Produktion weiter auszubauen. Viele amerikanischen Unternehmen hatten im Krieg volle Auftragsbücher und dementsprechend hohe Gewinne, die sie nun investierten. Neben der Erneuerung bestehender Werke, waren dabei vor allem der Ausbau und die Expansion Ziel vieler Firmen, um sich so weitere Marktanteile zu sichern. Und immer noch konnten viele Produkte wegen der hohen Nachfrage noch zu den überteuerten Kriegspreisen verkaufen werden.
Doch der Aufschwung war nur von kurzer Dauer. Schon bald setzte eine massive Preissenkung durch nachlassende Nachfrage ein. Im April 1920 kam es schließlich zu einem Zusammenbruch des amerikanischen Marktes. Mit einem Verlust von fast 33% auf einen Jahres-Endstand des Dow Jones von 71,95 erlebte die amerikanische Börse 1920 eines ihrer schlimmsten Jahre. Viele Unternehmen reagierten auf den Crash mit Massenentlassungen. Die Rezession dauerte von April 1920 bis Juli 1921. In dieser Zeit setzte ein Preiskampf nach unten ein, dem viele kleinere Unternehmen und Nischenanbieter zum Opfer fielen. Ein gutes Beispiel liefert hier der amerikanische Automarkt. Hier kämpften vor allem General Motors (GM) und Ford nach dem Krieg um die Marktführerschaft. Jedoch reagierte Ford bereits 1920 mit sinkenden Verkaufspreisen auf die Rezession, während GM noch zögerte die Preise für seine Modelle zu reduzieren. Ford profitierte dabei von der 1913 eingeführten Fließbandproduktion des Ford T-Models, der den Preis bereits von 850 Dollar (1909) auf 350 Dollar (1916) reduziert hatte. So überstand Ford die kurze Krise wesentlich besser als GM und beherrschte im Jahr 1921 mit 55 Prozent Marktanteil die US-Autoindustrie. General Motors war dagegen am Rand des Ruins und kam 1921 nur noch auf einen Marktanteil von 12 %. Erst die Übernahme der Firmenleitung durch Großaktionär Pierre Du Pont, konnte die drohende Pleite abwenden. Andere Hersteller (vor allem von Kleinserien und Luxuswagen) hatten dagegen nicht soviel Glück und mußten die Produktion einstellen.
Doch nicht nur in den USA war die Wirtschaft in eine Krise gestürzt. Auch viele europäische Länder wie Großbritannien und Frankreich waren von einem scharfen Rückgang von Produktion und Beschäftigung betroffen. Lediglich Deutschland, Österreich, Polen und einige andere mitteleuropäische Länder blieben aufgrund ihrer starken Nachkriegsinflation von der Krise von 1920-21 verschont. Doch die Rezession hatte auch positive Effekte. Der Markt hatte sich dadurch selber von der ausufernden Wirtschaftsituation der Nachkriegszeit gereinigt. Die überteuerten Preise hatten sich wieder normalisiert und die Industrie formierte sich neu. Insbesondere die Unternehmen mit den rationellsten Produktionsabläufen wie z.B. Ford gingen als Sieger hervor. 1922 begann deswegen ein neuer kräftiger Aufschwung, der in den vielen Ländern bis 1929 anhielt. Lediglich die Besiegten des ersten Weltkriegs (u.a. Deutschland und Österreich) nahmen vorerst nicht an den "goldenen Zwanzigen" teil.
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