„Ist diesmal alles anders? Ich kaufe nach!“

Samstag, 21.03.20 07:00

Interview mit Thomas Müller, Herausgeber boerse.de-Aktienbrief

boerse.de: Was unterscheidet den laufenden Börsen-Crash von bisherigen Rückschlägen an den Aktienmärkten?

Thomas Müller: In jedem meiner Vorträge auf dem Rosenheimer Börsentag erkläre ich die vier teuersten Wörter der Börse: „Diesmal ist alles anders“. Denn alle Börsenkrisen haben verschiedene Ursachen und damit Schlagzeilen, folgen aber einem ähnlichen Drehbuch. Dieses Mal ist der schwarze Schwan in Form des Coronavirus über uns hereingebrochen, der natürlich für ein einzigartiges Ereignis steht. Wir sind aber keine Virologen, und uns fehlt die Glaskugel für die Kurse von morgen. Doch wir können aus dem Wissen der Vergangenheit schöpfen.

boerse.de: Börsenrückschläge gab es immer wieder, doch in welcher Häufigkeit traten Korrekturen im zweistelligen Prozentbereich auf?

Thomas Müller: Der Dow Jones wird seit 1896 berechnet. In diesen 124 Jahren gab es 36 Korrekturen mit einem Rückgang von mehr als 10%, und seit Mitte Februar befinden wir uns in Rücksetzer Nummer 37. Damit kam es rund alle drei Jahre zu einem zweistelligen Kursrückgang, was sich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen deckt.

boerse.de: Was hat sich im Laufe Ihrer Börsenkarriere abgespielt?

Thomas Müller: Ich bin seit Anfang der 1980er-Jahre Aktienkäufer (damals notierte der Dow Jones noch unterhalb von 1000 Punkten), und in diesen 40 Jahren durchlief der Dow Jones 13 bzw. nun 14 Korrekturen. In dem Zeitraum haben sich die Kurse aber auch verdreißigfacht!



boerse.de: Dennoch dürfte es für Anleger nicht ganz leicht sein, den laufenden Coronavirus-Crash in völliger Gelassenheit zu betrachten …

Thomas Müller: Inmitten der Panik ist es schwer, einen klaren Kopf zu behalten und sich von der emotional agierenden Masse nicht mitreißen zu lassen. Da genau diese Investorendisziplin an der Börse den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern ausmacht, plädieren wir stets dafür, vor dem ersten Investment die persönliche Asset Allocation festzulegen und einen Crash-Plan vorzubereiten.

boerse.de: Wie sollte die persönliche Asset Allocation samt Crash-Plan idealerweise aussehen?

Thomas Müller: Wie auch im „Leitfaden für den Vermögensaufbau“ beschrieben, könnte eine vernünftige Allokation beispielsweise bedeuten, 50% an der Börse zu investieren, 30% in Gold zu halten und 20% in Cash. Dabei ist Gold das bessere Geld und zudem eine Art Absicherung (Hedge) für Börseninvestments, wobei der Goldpreis zwar zuletzt etwas schwächer tendierte, in Euro aber seit Oktober 2018 beachtliche 44% gewonnen hat. Den Cash-Anteil sollte es geben, um in den Crash-Phasen der Aktienmärkte einzukaufen, also Crash-Geschenke auch annehmen zu können.

boerse.de: Wann ist ein Crash überhaupt ein Crash?

Thomas Müller: Das ist die Kernfrage. Denn wer beispielsweise genau zum Februar-Hoch unseren Offensiv-Champion Apple gekauft hat, fühlte sich Ende Februar – in Euro 20% tiefer – mitten im Crash. Doch für den Dezember-Käufer ist Apple eine Plus-/Minus-Null-Position, und alle früheren Apple-Käufer liegen sehr massiv im Gewinn (+67% im Zwölf-Monats- und +1001% im Zehn-Jahres-Vergleich).



boerse.de: Dennoch geraten viele Anleger in Phasen wie derzeit in Verkaufspanik …

Thomas Müller: Es kommt eben auf den Anlagehorizont an, wobei ein gewisser Abstand notwendig ist, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Wer sich dem Rauschen der Schlagzeilen entziehen kann und seinem Investmentplan treu bleibt, vermeidet emotionale Fehlentscheidungen und wird dadurch stets höhere Renditen erzielen. Denn eigentlich ist der Vermögensaufbau an der Börse ganz einfach.

boerse.de: Was raten Sie Ihren Lesern dabei?

Thomas Müller: Ein Champions-Depot sollte an den 200-Tage-Linien ausgerichtet werden. Aber vor allem geht es darum, dem Portfolio ein defensives Fundament zu geben (Defensiv-Champions, boerse.de-Aktienfonds, boerse.de-Weltfonds), an diesem bedingungslos festzuhalten und günstige Nachkaufgelegenheiten zu nutzen, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben. Die Gewinne kommen dann mit der Zeit ganz von allein. So handeln „Investoren“, während „intuitive“ Anleger, die Andre Kostolany als „Zittrige“ bezeichnete, jedes Mal aufs Neue überzeugt sind „Diesmal ist alles anders“ ...

boerse.de: Welche Crash-Strategie verfolgen Sie persönlich?

Thomas Müller: Wie am Rosenheimer Börsentag präsentiert, basiert meine persönliche Crash-Strategie auf drei nach unten gestaffelten Käufen. Das erste Drittel sollte eingesetzt werden, wenn unser Aktienfonds 15% verlieren sollte oder der Dax 25%. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen, und deshalb habe ich zur Eröffnung am 10. März über die Börse Stuttgart weitere 1200 Anteile des boerse.de-Aktienfonds WKN A2AQJY gekauft.

boerse.de: Herr Müller, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!



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