Aktien - Kurzfristig zittern, langfristig hoffen

Donnerstag, 23.06.11 16:29

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

keine Entwarnung! Das Zittern geht weiter, zumindest noch ein paar Tage, vielleicht auch Wochen. Und parallel zur Griechenland-Diskussion reagiert die Börse weiter überempfindlich, aber nicht heftig und nur kurz auf neue fundamentalwirtschaftliche Daten aus USA und Europa. Die Aktie bleibt im Fokus der Anleger, ist sie doch ein Sachwert, der bei weitem noch nicht als überteuert gelten kann. Da aber auch sie sich einer nachhaltigen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht entziehen kann, sollte sich jeder Anleger gründlich fragen, ob er das aktuelle Risiko gerade jetzt übernehmen und ausgerechnet in diesen Tagen seine Bestände erhöhen will.

Der Primärmarkt lahmt, nicht nur hierzulande. Fast täglich gibt es neue Meldungen von enttäuschenden oder sogar verschobenen Neuemissionen. Das ist gewiss kein gutes Zeichen. Die Aktienkurse selbst, darauf muss man immer wieder hinweisen, liefern hingegen den Negativ-Denkern keinen Stoff. Im Gegenteil, die Börse hält sich in ihrem brisanten Umfeld bemerkenswert gut. Das ist aber nicht dem Verhalten der privaten Anleger zu verdanken – viele Bundesbürger haben die Nase voll von Aktien, nachhaltig. Dementsprechend haben sie die letzten Aufschwungphasen weitgehend verpasst. Das darf kein Dauerzustand werden, die Unternehmensfinanzierung über die Aktie braucht wieder stärkere Unterstützung durch die privaten Anleger. Das ist nicht nur für den Einzelnen sinnvoll, sondern von nicht zu unterschätzender Bedeutung für unsere Volkswirtschaft insgesamt. Deshalb müssen die Maßnahmen im Rahmen des „Aktienmarketings“ wieder belebt werden. Warum sollte die historische Erkenntnis, dass die Aktie langfristig einen höheren Ertrag bringt als ihre konkurrierenden Anlageformen, für die Zukunft nicht mehr gelten?

Das Research der Postbank hat die Aktionärsentwicklung in Deutschland einmal genauer untersucht und kommt zu beruhigenden Ergebnissen. Auf den ersten Blick überrascht es den Beobachter, wenn es zusammenfassend heißt: „Aktien – der deutsche Michel mag euch doch.“ Im Folgenden einige Auszüge aus dieser Analyse.

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) wartet zweimal im Jahr mit den Ergebnissen einer halbjährlichen Anlegerbefragung durch auf. Seit 2001 ist der Tenor der Analyse der Befragungsergebnisse meist negativ. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle ist die Zahl der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer in Deutschland im Vorjahresvergleich gesunken. In 2001, ein Jahr nach dem die „TMT-Blase“ (Technologie - Medien - Telekommunikation) platzte, erreichte die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Investmentfonds, die auch in Dividendentitel investieren, mit 12,9 Millionen Bundesbürgern Ihren bisherigen Höchststand. Seitdem schrumpfte die Zahl nahezu jedes Jahr. Ende 2010 waren es nur noch 8,2 Millionen Investoren in den genannten Assetklassen. Dies bedeutet einen Rückgang von 36% bzw. 4,7 Millionen Anlegern. Selbst in den Jahren 2003 bis 2007 in denen der DAX von 2.203 Punkten bis auf mehr als 8.100 Punkten kletterte, verringerte sich die Anlegerschar per Saldo sogar um gut 10% bzw. 1,2 Millionen Investoren. Der Trend der Mittelzuflüsse in deutsche Aktienfonds nach der Abgrenzung für entsprechende Publikumsfonds des BVI zeigt seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrtausends ebenfalls gen Süden. Diese Daten könnten den Schluss nahe legen, dass der deutsche Privatanleger um Aktien einen großen Bogen macht.

Aber: Ein kurzer Blick auf die längerfristige Aktionärs- und Fondsbesitzerentwicklung seit 1997 nährt nach Ansicht der Postbank-Experten schon Zweifel an einem solchen Fazit. Denn die Zahl von 8,2 Millionen Investoren per Ende 2010 übersteigt die entsprechende Anlegerschar aus 1997 um satte 46% bzw.2,6 Millionen Bundesbürger: „Dies ist nach unserer Ansicht umso bemerkenswerter, da die Bevölkerungszahl in Deutschland im genannten Zeitraum bei 82 Millionen Einwohnern stagnierte bzw. sogar um 350.000 Menschen schrumpfte. Der Anteil der Bevölkerung, der sich aktiv mit dem Thema Aktie befasst, ist folglich größer geworden. Der Deutsche Michel ist zwar noch meilenweit von der Aktienaffinität des Nordamerikaners entfernt, er freundet sich aber zusehends mit Dividendentiteln an.“ Gleichzeitig gab es eine verstärkte Hinwendung zu den Investmentfonds. Denn während die Zahl der reinen Aktionäre um gut ein Drittel schrumpfte, ist die Zahl derer, die mittels Fonds in Aktien investieren um 3,6 Millionen Anleger bzw. 159% gestiegen. Der Rückgang bei den Aktionären geht primär auf das Konto der Unternehmen. Gab es 1997 noch 1,5 Millionen Belegschaftsaktionäre in Deutschland, waren es Ende 2010 nur noch 861.000.

„Wir sind optimistisch, dass die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktien- bzw. Gemischten Investmentfonds in Deutschland in den kommenden Jahren sukzessive wieder steigen wird“, resümieren die Postbank-Analysten und verweisen auf die wachsende Bedeutung der privaten Altersvorsorge. Zum anderen sind nach Einschätzung der Bank die negativen Auswirkungen der im Jahr 2000 geplatzten Blase endlich abgearbeitet. In dieser Hinsicht bin ich vorsichtiger, ja skeptischer. Denn viele, viele Privatanleger können die bitteren (und zum Teil selbstverschuldeten) Erfahrungen mit der T-Aktie und EM.TV & Co. nicht vergessen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, gehören nicht zu diesem Kreis, Sie setzen mit Recht weiterhin auf die Aktie als langfristig attraktive Anlageklasse.

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...

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