Anlagerisiken - Alles wird gut - nur noch eine Illusion?

Donnerstag, 16.06.11 14:09

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

die Börsenstimmung (soweit man davon überhaupt noch reden kann) wechselt täglich, nicht selten mehrmals. Wer sich intensiv über Gründe und Hintergründe informieren will, wird rasch verwirrt. Die wirtschaftliche und politische Lage Griechenlands liefert immer wieder Schlagzeilen mit unterschiedlichen Vorzeichen, wird aber tendenziell brisanter. Und Amerikas Konjunkturindikatoren sind – wie schon so oft – extrem wechselhaft: Heute erfreuen sie die Börse, morgen enttäuschen sie die Börse. Kein Wunder, wenn Zyniker den alten Spruch aus der Schublade holen „Information is ruination“. Wir sind an den qualitativen Grenzen des quantitativ nicht mehr überschaubaren Informationsangebots angekommen. Wenn Sie sich, liebe Anlegerinnen und Anleger, verunsichert zurückhalten oder von den Märkten erst einmal ganz zurückziehen, so ist dies im Grunde eine vernünftige, zumindest eine verständliche Haltung.

Was sollte man aber mit den bestehenden Positionen tun? Die Märkte sind sehr nervös, gewiss, zeigen aber bisher keine panikhafte Volatilität. Man könnte sogar erstaunt konstatieren, dass sich insbesondere die Aktienkurse als anhaltend widerstandsfähig erweisen. Ich habe in den vergangenen Tagen jedoch eine beträchtliche Zunahme der Besorgnis bei den Bürgern verspürt, weil die Zweifel an der Lösung der europäischen Schuldenkrise immer größer werden – und damit die Zweifel an der Haltbarkeit unseres Finanz- und Währungssystems insgesamt.

Bei den Profis scheint dies (noch) anders zu sein. So ist im wöchentlichen Sentiment-Bericht der Frankfurter Börse u.a. zu lesen: „ … eine irgendwie geartete Lösung des Griechenland-Dramas scheint in den Preisen bereits enthalten. Zumindest vordergründig, weil eigentlich niemand so recht weiß, welche komplexen Folgen sich aus einem der vorgeschlagenen Lösungswege tatsächlich ergeben werden. Aber selbst ein Beitrag des berühmten Ökonoms Nouriel Roubini in der der FT, der befürchtet, die Eurozone könne mit einer großen Wahrscheinlichkeit am Ende auseinanderbrechen, scheint die Gemüter nicht wirklich beunruhigt zu haben. Zumal sich auch viele Akteure durchaus darüber im Klaren sein dürften, dass der politische Wille für einen derartigen Weg zu keinem Zeitpunkt vorhanden war. Mehr noch hat der Erhalt der Eurozone bereits monetäre aber auch psychische Mittel in starkem Maße in Anspruch genommen. Sprich: Das Commitment der Politiker ist mittlerweile so hoch, dass die psychische Hürden, die Eurozone tatsächlich auseinanderfallen zu lassen, sehr hoch sind.“

Erforscht man die Stimmung unter den Großanlegern, dann wird es ganz kompliziert: „Das Zinsänderungsrisiko liegt auf Platz eins, wenn man institutionelle Anleger in Europa nach ihrem größten Risiko in den kommenden 12 Monaten befragt. Insgesamt sehen rund 70 % der Befragten Zinsen als ein großes oder beachtliches Risiko für die Erreichung ihrer Anlageziele an.“ Dies gehört zu den wichtigsten Erkenntnissen der erstmalig von Allianz Global Investors (AllianzGI) durchgeführten „RiskMonitor“-Umfrage. “Die Vielfalt und die Auswirkungen von finanziellen, aber auch regulatorischen Risiken haben sich seit der Finanzkrise vervielfacht ”, kommentiert Elizabeth Corley, Europachefin von AllianzGI. Das spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass nahezu die Hälfte der Umfrageteilnehmer Extremrisiken, so genannte „Tail Risks“, inzwischen als bedeutendes Risiko wahrnehmen. “Es ist nicht nur die Vielzahl an Risiken, denen institutionelle Investoren gegenüber stehen, sondern Anleger nehmen Risiko inzwischen als systemisches Phänomen war, da die unterschiedlichen Risikokategorien sich potenziell immer stärker gegenseitig beeinflussen können. In diesem Zusammenhang ist die große Zuversicht im Hinblick auf die Stabilität des Euros, die in der Umfrage zutage getreten ist, durchaus bemerkenswert”, ergänzt Corley. Nach der Umfrage glauben 76 % der institutionellen Anleger in Europa, dass der Euro in seiner derzeitigen Form überleben wird, nur 6 % der Befragten stimmen dieser Aussage nicht zu.

Eine klare und allseits unterstützte Lösung des europäischen Dilemmas, das ja auch noch von einer amerikanischen Variante begleitet wird, kann es nicht geben. Es wird aber allerhöchste Zeit, dass sich die Politik auf ein weiteres Hilfs- und/oder Umschuldungspaket verständigt. Eine Konsolidierung und Sanierung kann aber nur dann gelingen, wenn die Griechen zähneknirschend mitmachen und an die Arbeit gehen – Massendemos und Randale kann unser Partner jetzt wirklich nicht gebrauchen.

„Alles wird gut – nur kann niemand vorhersagen, was bis dahin noch passiert.“ Ich halte an meiner These fest und wackle dabei. Ihr letzter Teil überdeckt inzwischen die Kernaussage …

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...

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