Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
sooo unsicher, wie mitunter behauptet wird, sind die deutschen Anleger (bisher) noch nicht … So hatte ich vergangene Woche, am Tag vor dem Auftakt der wichtigsten Anlegermesse in Deutschland, meine Kolumne begonnen – und sehe mich jetzt bestätigt. Denn es stimmt einfach nicht, was am Wochenende in der Presse zu lesen war: „Anleger setzen wieder voll auf Sicherheit.“ Ich habe auf der „Invest“ in Stuttgart im Rahmen mehrerer Veranstaltungen nachgefragt, wer jetzt dem Vermögenserhalt Vorrang einräumt und wer vor allem auf eine möglichst hohe Wertsteigerung aus ist. In allen Fällen fiel die Abstimmung unter den Messebesuchern zugunsten der Performance aus. Natürlich wurde in jeder Ecke von Halle 1 des Stuttgarter Messegeländes über die Japan-Katastrophe und ihre (möglichen) Folgen diskutiert – aber eher mit Gelassenheit, ohne zittrige Nervosität. Man suchte Rat und Orientierungshilfe, gewiss, aber es ging in erster Linie um die Chancen, weniger um die Risiken. Die von mir darauf angesprochenen Aussteller bestätigten diese Beobachtung.
Nun darf man nicht außer Acht lassen, dass die Besucher einer solchen Anlegermesse nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind: Es dominieren „fortgeschrittene“ Privatanleger, die sich intensiver und überdurchschnittlich gut informiert um ihre Geldangelegenheiten kümmern. Dennoch wurden auch diese in die kritischen Betrachtungen der Börsenprofis einbezogen, insbesondere bei zwei Kritikpunkten:
Stichwort Altersvorsorge. In Stuttgart herrschte in den entsprechenden Diskussionsrunden weitgehende Einigkeit, dass die meisten Bundesbürger ihre Deckungslücke im Rentenalter nicht kennen bzw. falsch einschätzen, was zur Folge hat, dass in Teilen der Bevölkerung Altersarmut droht. Der Appell: Tun Sie mehr für Ihre private Altersvorsorge und prüfen Sie dabei nicht nur die Höhe der Absicherung, sondern auch die Qualität der Instrumente. So wurden viele kritische Töne beim Thema klassische Kapitallebensversicherung laut und mehrfach die ETFs (Exchange Traded Funds als zeitgemäße Alternative empfohlen. Überhaupt glauben Fachleute an eine Fortsetzung des Siegeszugs der börsengehandelten Indexfonds. Allerdings gilt es auch bei den ETFs, auf Unterschiede im Detail zu achten – vor allem darauf, ob ein Index tatsächlich eins zu eins abgebildet wird. Fachleute aus dem Bereich der unabhängigen Anlageberatung schränken außerdem ein, dass es sinnvoll sei, auch bei der Altersvorsorge neben den gesetzlichen Elementen möglichst mehrere Anlageformen zu mischen. Mein Eindruck, der ja auf verschiedenen Umfragen und Studien der vergangenen Monate basiert, ist in Stuttgart letztlich bestätigt worden: Abgesehen von den Bevölkerungsschichten, die aufgrund ihres geringen Einkommens zum wirklich regelmäßigen Sparen gar nicht in der Lage sind, sollte allgemein daran appelliert werden, sich erst einmal zu kümmern, sich dieses Themas anzunehmen – bevor es um die Einzelfragen nach dem Mix der Altersvorsorge geht. Dabei kann es sehr nützlich sein, die Analysen und Bewertungen der Stiftung Warentest (hier: „Finanztest“) zu Rate zu sein.
Stichwort Anlagestrategien. Eine solche Messe ist naturgemäß nicht nur ein Marktplatz der Produkte, sondern auch eine Schau der Meinungsvielfalt, wenn es zum Beispiel um die Strategien für den Anlageerfolg geht. Welche Vielfalt sich dem Anleger bietet, hat Stuttgart 2011 einmal mehr bestätigt – von der klassischen Fundamentalbetrachtung bis hin zu, Einsatz modernsten Chartanalysen. Fast überall war aber gleichlautende Kritik auch an fortgeschrittenen Privatanlegern zu hören, weil diese oft völlig unsystematisch vorgehen würden. Was heißt das? Kundenberater und Vermögensverwalter beobachten nach wie vor, dass selbst engagierte Anleger zwar darauf erpicht sein, neue Aktienfavoriten und ähnliches kennen zu lernen, dass dann aber ohne klare Struktur investiert wird. Einem Großteil deutscher Depots fehlt also eine systematische Grundlage, die sich aus dem Profil des einzelnen Anlegers und seinen Zielen entwickeln muss. „Da findet man häufig ein wildes Durcheinander von einzelnen Positionen, aber alles andere als eine klare Linie“, so und ähnlich kritische Stimmen in den entsprechenden Foren. Ich meine, wir brauchen einerseits mehr Selbstkritik der Anleger selbst, die erst einmal erkennen sollten, was sie wirklich wollen, und zum anderen eine bessere, vor allem mehr produktunabhängige Anlageberatung (Honorarberatung).
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
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