Anlegerschutz - Wissen ist wichtiger als neue Gesetze

Montag, 27.01.14 14:59
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

googeln Sie doch einmal „Prokon“! Was glauben Sie, steht ganz oben? Anlegerhilfe, Schutzgemeinschaft, Anlegergemeinschaft, Beratung für geschädigte Anleger, Rechtsrat sofort usw. In einschlägigen Kanzleien kann man sich die Hände reiben. Und die Anleger haben die Qual der Wahl, was und mit wem zu tun sei. So wie es heute aussieht, wird der Fall Prokon maßgeblich zur weiteren Verschärfung der gesetzgeberischen Maßnahmen führen. Von Regierungsseite wurde die Losung ausgegeben: Wo sich der Verbraucher selbst nicht schützen kann, müssen wir das übernehmen. Das passt zur bekannten These der Kanzlerin: Wir müssen alle Finanzmärkte regulieren, wir müssen alle Finanzmarktteilnehmer regulieren, wir müssen alle Finanzmarktprodukte regulieren. Es ist einer der ganz wenigen Themen, bei denen es so etwas wie eine „Mega-Groko“ gibt, von links nach rechts, denn: Die Finanzmärkte sind spätestens seit Lehman als der böse Feind der Volkswirtschaften, der Feind von Solidität und Stabilität erklärt worden. Ihm (und am besten nur ihm) sind Banken-, Währungs- und Schuldenkrisen zuzuschreiben.

Finanzmärkten droht eine Über-Regulierung

Politisch vielleicht eine geschickte Strategie. Für die Marktwirtschaft ein fatale Entwicklung. Denn nach einer so fruchtbaren Ära der De-Regulierung seit Mitte der 80er Jahre befinden wir uns jetzt in einer Phase der Re-Regulierung und nähern uns der Über-Regulierung. Ich frage mich: Wie können Marktwirtschaftler Märkte zum Feind erklären? Frevelhaftes, volkswirtschaftlich schädigendes Verhalten geht doch nicht von den Märkten an sich aus, nicht einmal von allen Marktteilnehmern. Es geht doch um die Macht der Global Players, um die wirklich Mächtigen der internationalen Finanzindustrie. Ein Oligopol von unglaublich einflussreichen Geldkonzernen, die sich im Freiraum deregulierter Märkte von der Realwirtschaft entfernt haben, ist für die Exzesse auf verschiedenen Ebenen verantwortlich, für Manipulationen und Betrügereien. Dort gilt es ordnungspolitisch anzusetzen, statt die Märkte als solche zu verteufeln und zu regulieren.

Wird der Staat zum Anlagenberater?

Was hat dies mit Börse und Geldanlagen zu tun? Diese große, mit großer Mehrheit europaweit getragene Bewegung verhindert letztlich die Weiterentwicklung auch der privaten Anleger. Diese sollen mit Schutzmänteln umgeben werden, wo Selbstschutz wichtiger, weil effizienter wäre. Der Staat will bestimmen, was sicher und nützlich ist, umgekehrt auch was gefährlich und schädlich ist. Und das ist schlimm, ist schlicht der falsche Weg – aber politisch bequem und populistisch.

Im Gegensatz zu dem oft unrealistischen Geschwätz von alles besser wissenden Verbraucherschützern möchte ich eine Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) unterstützen und deshalb in wesentlichen Auszügen zitieren. Tenor: Gegen pauschale Verbote von Anlageformen. In der am Freitag vorgelegten Mitteilung heißt es: Im Rahmen der Debatte um die Konsequenzen, die aus der Insolvenz des Windkraftbetreibers Prokon gezogen werden müssen, fordert das Deutsche Aktieninstitut endlich Schritte zu unternehmen, um die finanzielle Allgemeinbildung in der Bevölkerung zu verbessern. Pauschale Verbote von Anlageformen wie z.B. Genussrechten lehnt das Aktieninstitut dagegen ab. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, den Anlegern Vorschriften zu machen, in welche Anlageformen oder in welche Branchen sie investieren dürfen“, erklärte Dr. Christine Bortenlänger, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DAI. „Nicht eine spezielle rechtliche Ausgestaltung oder ein bestimmter Industriezweig sind per se riskant und für private Anleger ungeeignet. Vielmehr kommt es darauf an, wie ein bestimmtes Anlagevehikel im Einzelfall eingesetzt wird“.

Viele seriöse Unternehmen setzen z.B. Genussrechte zu ihrer Finanzierung ein, ohne dass die Anleger dabei unverhältnismäßig gefährdet werden. Genussrechte stehen im Chancen-Risiko-Profil zwischen Anleihen und Aktien, bergen also ein gewisses unternehmerisches Risiko. Dieses Risiko spiegelt sich in einer gegenüber normalen Anleihen höheren Verzinsung wider, so Bortenlänger. „Der Staat kann Anleger nicht vor jedem unternehmerischen Risiko schützen, wenn sie die damit verbundenen Renditechancen nutzen wollen“.

Bessere finanzielle Allgemeinbildung der Anleger gefordert

Statt des pauschalen Verbots einzelner Anlageformen wie z.B. Genussrechten fordert das Deutsche Aktieninstitut eine bessere ökonomische, insbesondere finanzielle Allgemeinbildung. „Jeder Anleger muss in die Lage versetzt werden, die mit einem Investment verbundenen Risiken einzuschätzen und auf dieser Basis eine fundierte Entscheidung zu treffen“, fordert Bortenlänger. Informationen über die Unternehmen und die einzelnen Anlagegebote liegen im Regelfall ausreichend und aktuell vor, z.B. im Rahmen von Verkaufsprospekten, Jahresabschlüssen und ggf. auch Ad hoc-Mitteilungen. Woran es fehle, so Bortenlänger, sei die Fähigkeit vieler Anleger, diese Informationen auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das sei keine Schuld der Anleger, sondern Folge einer jahrzehntelangen Vernachlässigung der ökonomischen Bildung im staatlichen Schulsystem.

„Ökonomische Bildung zum mündigen Anleger ist besser als staatliche Bevormundung“, erläutert Bortenlänger. Statt einer staatlichen Investitionsbehörde seien so schnell wie möglich ein Schulfach Ökonomie an allen allgemeinbildenden Schulen und Angebote zur Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung Erwachsener erforderlich.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Ihr

Hermann Kutzer
Chefredakteur
Kutzers Bauchgefühl



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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...


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