Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
vorsicht, die Schwarzmaler sind wieder unterwegs! Am Wochenende, wenn traditionell viele Anlageentscheidungen getroffen werden, haben sie die Medien einmal mehr mit Mahnungen und Warnungen gefüllt: Nach Griechenland bereitet nun Italiens Schuldenproblem größte Sorgen, wachsen gleichzeitig die Konjunktursorgen ausgehend von Amerika, verstärken sich die Inflationssorgen (auch wg. China). Außerdem wird die Kritik an den Rating-Agenturen immer lauter. Und was wird, wenn in den USA ein Kompromiss über die Haushaltspolitik scheitert, somit schon im August die Zahlungsunfähigkeit der größten Wirtschaftsmacht droht? In diesem Umfeld tut es gut, unsere erneut sehr, sehr guten Exportzahlen und Überschriften wie „Deutsche Firmen stehen blendend da“ (Fidelity-Fondsmanager Alexander Scurlock) zu lesen. Bleiben Sie vorsichtig, liebe Anlegerinnen und Anleger, aber bleiben Sie auch gelassen! Es gibt (noch) keinen Grund, die positive Grundhaltung gegenüber den Sachwerten Immobilien, Aktien und Rohstoffe einschließlich der Edelmetalle aufzugeben.
Apropos Grundhaltung: Die Denker im Hause Allianz Global Investors haben sich wieder einmal intensiv mit dem praktischen Nutzen von Behavioral Finance, der verhaltenswissenschaftlichen Finanztheorie, auseinandergesetzt und dazu eine Checkliste vorgelegt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte (Teil 2 folgt!). Ihr Titel: „Überliste Dich selbst!“
Niemand ist frei von verhaltensorientierten Anlageentscheidungen, die in ihrer Folge zu suboptimalen Investitionen führen. Wir sind Menschen, keine Roboter. Bei uns wirken Herz und Hirn zusammen – und selbst das Hirn ist keine Maschine, die nur den einen Prozess zum richtigen Ergebnis kennt. Deshalb gilt bei jeder Anlage-Entscheidung: Überliste Dich selbst! Denn wer sich selbst erkennt, kann sich selbst überlisten und bessere, d.h. rationalere Investmententscheidungen treffen. Hier Teil 1 dieser Checkliste:
- Gegen Selbstüberschätzung hilft ein stringenter Investmentprozess, der emotionales Verhalten möglichst ausschaltet. Die Beschränkung auf ein Investmentuniversum, in dem der Anleger besondere Kenntnisse hat, sind ein erster Schritt der Selbstbindung. Dann sollte die fundamentale Analyse folgen, die auf künftig zu erwartende Erträge und nicht auf vergangene Erfolge blickt.
- Suchen Sie nach Informationen, die Ihrer Meinung widersprechen, und suchen Sie das Gespräch mit Menschen, die die Rolle des „Advocatus Diaboli“ übernehmen, das schützt vor der Sucht nach Selbstbestätigung.
- Denken Sie an die Gefahr, zu glauben, alles vorher gewusst zu haben, auch wenn Ihre Erinnerung dies suggeriert.
- Ist das „Fenster“, aus dem heraus Sie die Anlagewelt betrachten, groß genug, damit Sie zwischen den wichtigen Anlagealternativen entscheiden können, oder schauen Sie aus einem zu kleinen „Fenster“ („Framing“) in die Welt, weil Sie etwas besonders gut kennen („deutsche Unternehmen“), Ihnen eine Geschichte besonders gut gefällt („Internetwerte“) oder Ihnen etwas besonders nahe liegt (die Mietimmobilie in Ihrer Straße statt Immobilienanlagechancen rund um den Globus)? Schauen Sie häufiger einmal über den Tellerrand!
- Reduzieren Sie die Komplexität Ihrer Entscheidungen so, dass sie nicht zu eingeengt in den Sichtweisen sind („Framing“), aber gleichzeitig nicht vor einem Informationswirrwarr stehen. Hier können langfristig getroffene Regelbindungen helfen: Wer einmal bestimmt hat, welcher Risikotyp er bei der Anlage ist, muss nicht dauernd aufs Neue seine Aktien-Anleihen-Quote neu festlegen und ist auch davor geschützt, ständig auf den Aktienkursticker zu starren. Wer einmal bestimmt hat, welche besonderen Investmentthemen (aufstrebende Staaten, neue Energien, Rohstoffe) er beimischen will und was ihm nicht ins Konzept passt, muss nicht ständig über alle möglichen neuen Angebote nachdenken.
- Komplexitätsreduktion kann auch bedeuten, grundsätzlich nur in das zu investieren, was man auch tatsächlich verstanden hat. Was nutzen die schönsten Investmentideen, die hohe Renditen versprechen, deren Risiken aber nicht abschätzbar sind?
- Und: Ein gutes Grundverständnis hilft ebenfalls bei der Komplexitätsreduktion. Wer z. B. verstanden hat, dass eine höhere Renditeerwartung grundsätzlich mit einem höheren Risiko zusammenhängt, der ist gefeit vor waghalsigen Investments, die am Ende doch nicht aufgehen.
- Die Gefahr eines fehlenden Grundverständnisses ist auch, dass Sie gute Chancen verpassen, weil Sie die Entscheidung darüber immer wieder – mangels Verstehens – vertagen. Deshalb investieren Sie in Ihre finanzielle Allgemeinbildung.
(wird fortgesetzt!)
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
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