Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
Die Spannung ist fast unerträglich. Jetzt, in dieser Woche, dürfte die Entscheidung für oder gegen eine Bankrotterklärung Griechenlands fallen. Und die hängt von den Griechen bzw. ihrem Parlament selbst ab – die europäischen Nachbarn haben sich inzwischen verständigt und sind offenbar auch für das Schlimmste präpariert. Jetzt also Aktienbestände wieder aufstocken, weil man nach dem 30. Juni auf eine Stabilisierung der innenpolitischen Situation in Athen setzen kann? Für die meisten Privatanleger erscheint dies zu gefährlich, sind sie doch relativ risikoscheu (geworden). Spekulanten hingegen können sich angestachelt fühlen. Denn gehen die Griechen auf Sparkurs und bekommen damit weiterhin den dringend notwendigen Rückhalt der EU, dann sollte dies die Märkte aufatmen lassen, dann ist die Gefahr eines Dominoeffekts in der Währungsunion gebannt.
Das Bild wäre optimistisch eingestellten Spekulanten also klar: Jetzt deutsche Aktien kaufen, zumal diese eher unterbewertet sind, denn man kann in den nächsten Tagen mit deutlich steigenden Kursen rechnen. Leider wäre dies eine Rechnung ohne die USA, deren eigene Schuldenkrise gegenwärtig von Konjunktursorgen überlagert wird. Hierzulande gibt es eher Erfreuliches: Das ifo-Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft hat sich im Juni zum ersten Mal seit Februar wieder verbessert. Die Unternehmen bewerten ihre momentane Geschäftslage deutlich positiver als im Mai. Ihre Geschäftserwartungen sind zwar erneut etwas weniger optimistisch, bleiben aber zuversichtlich. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem robusten Aufschwung. In Amerika erwartet man zitternd neue, als wichtig erachtete Wirtschaftsdaten, könnten sich die bereits aufkeimenden Rezessionsängste ausbreiten. Davon würde sich auch der Dax beeindrucken lassen.
Mein Bauchgefühl ist nicht schlecht: Ich glaube unverändert an eine Entspannung der Schuldenkrise – im Gegensatz zur großen Mehrheit der Fachleute – mit einer positiven Reaktion der Aktienmärkte. Aber die Risikofaktoren bleiben bis auf weiteres auf dem Tisch, so dass wirklich nur ausgesprochen spekulativ eingestellte Anleger jetzt zugreifen sollten.
Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Anlegerinnen und Anleger, erneut Auszüge aus einer Aktionärsstudie weitergeben, damit Sie sich auch selbst einordnen können. Es handelt sich um eine umfangreiche Analyse mit dem Titel: „Deutsche Privatanleger – Gute Sparer, schlechte Anleger“. Anders als der Tenor der kürzlich vorgelegten Postbank-Untersuchung kommt das Deutsche Bank Research zum Ergebnis, dass Bundesbürger überwiegend die Aktie nicht mögen und beschreibt unterschiedliche Ursachen:
„Phasen größeren Aktienengagements wie z.B. 1986/87 oder 1999/2000 folgten regelmäßig Enttäuschungen in Form massiver Aktienmarktkorrekturen. Insbesondere die Privatisierung und Platzierung der Aktien der Deutschen Telekom im Jahre 1996, die nicht zuletzt durch eine Marketingkampagne des staatlichen Alteigentümers getrieben wurde, dürfte das Interesse der deutschen Privatanleger an Aktien nachhaltig reduziert haben. Die sporadische Begeisterung der Deutschen für die Aktie, die dann wieder lang anhaltenden Phasen des Desinteresses und Misstrauens gewichen ist, kann wohl zum Teil durch die mangelnde Auseinandersetzung mit den Eigenschaften eines Aktieninvestments erklärt werden, die den Anleger besonders anfällig für systematische Wahrnehmungsprobleme und Entscheidungsfehler machen.
Aufgrund des begrenzten Gedächtnisses und der Überbewertung der Erfahrungen der nahen Vergangenheit werden ausgeprägte Kursbewegungen nicht als Teil eines sich wiederholenden zyklischen Musters mit einer Tendenz zur „mean reversion― gesehen, sondern als spezifische Ereignisse, für die jeweils besondere Ursachen gesucht werden. Dies verleitet dazu, Erklärungen, die auf dem Motto „this time is different“ basieren, leichtfertig zur Grundlage eigener Anlageentscheidungen zu machen. Im Ergebnis führt dies zu einem starken prozyklischen Verhalten. Private Anleger steigen ein, wenn die Kurse schon über längere Zeit kräftig gestiegen sind und sie in den Medien oder im Bekanntenkreis vermehrt Berichte über kräftige Kursgewinne hören. Halten die Kursgewinne dann zunächst noch an, wird gerade von unerfahrenen Anlegern der Erfolg des eigenen Investments auf die eigenen Fähigkeiten und nicht auf die allgemein günstige Marktentwicklung zurückgeführt. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als fundamentaler Attributionsfehler bezeichnet. Erfolge werden mit den eigenen über-durchschnittlichen Fähigkeiten begründet, während Misserfolge ungünstigen allgemeinen Entwicklungen angelastet werden. Dies ist der Nährboden für Selbstüberschätzung (over-confidence), die dann zu immer riskanteren Anlageentscheidungen führt, ohne dass sich der Anleger dessen wirklich bewusst ist.
Sind die Aktienkurse stark gefallen und vergleichsweise billig, sind Anleger angesichts der eigenen Verluste (snakebite-effect) zu keinem weiteren Engagement bereit. Häufig verzichten sie darauf, entstanden Verlust zu realisieren, da dies die emotionalen Kosten der eigenen Fehlentscheidung zusätzlich erhöhen würde. Dieser Dispositionseffekt führt dazu, dass Verlierer zu lange im Portfolio gehalten werden. Dagegen werden Gewinner, aufgrund des emotionalen Gewinns beim Verkauf, häufig zu früh abgestoßen.
Die geringe Bereitschaft deutscher Haushalte in Aktien zu investieren scheint in einer Kombination historischer, struktureller und persönlicher Gründe zu liegen. Diese dürfte sich wohl in der kurzen Frist nur wenig ändern, zumal die Alterung der Gesellschaft einen weiteren Anstieg der Risikoaversion vermuten lässt. Allerdings könnten die aktuelle Staatsschuldenkrise in Europa sowie Befürchtungen einer möglichen ähnlichen Entwicklung in den USA und Japan zu einem Überdenken des relativen Risikos von Aktienanlagen führen. Die nach wie vor niedrigen KGVs und die mageren Realzinsen auf amerikanische oder deutsche Staatsanleihen sollten derartige Überlegungen unterstützen. Daraus resultierende höhere Vermögensein-kommen könnten daher künftig den privaten Konsum in Deutschland stützen.“
Versucht man, die Deutsche-Bank-Studie auf den Punkt zu bringen, dann heißt dies verkürzt: Kauft langfristig mehr Aktien, Ihr deutschen Privatanleger, denn sie sind zur Zeit sehr attraktiv!
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
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