Börsen im Krisenmodus (III) - Gegen die Self-Fullfilling Prophecy

Montag, 11.06.12 14:13
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

„Zerbricht jetzt der Euro?“ fragt die seriöse Sonntagspresse. Und an anderer Stelle wird getitelt: „Die Pille gegen die Krise – Europa feiert den Fußball – Aber die Wirtschaft bereitet sich auf einen Euro-Crash vor, Spanien holt sich bis zu 100 Milliarden Hilfe, Jeder zweite Deutsche will die D-Mark zurück“. Das klingt schon fast so wie ein Rundschreiben von höchst intelligenten Verschwörungstheoretikern, in welchem behauptet wird: „… Und wenn viele im Fußballfieber sind, soll der für uns verhängnisvolle ESM vom Bundestag mal eben schnell durchgewinkt werden.“

Nicht selten werde ich mit der kritischen Frage konfrontiert, warum ich denn immer noch Optimismus verbreite, obwohl doch alles dafür spreche, dass die Finanzkrise nicht gelöst werden könne und der europäische Währungsverbund über kurz oder lang auseinander breche. Oft folgt der ergänzende Hinweis auf die entsprechenden Warnungen vieler prominenten Volkswirte, Anlagestrategen und Journalisten.

Abgesehen davon, dass ich dem positiven Denken verhaftet bin („Alles wird gut“), also auch auf die Lösbarkeit von noch so erdrückenden Problemen sowie an die schöpferische Kraft der Zerstörung bzw. der Krisen glaube: Es gibt noch ein grundsätzliches Argument für den Optimismus – die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Es handelt sich um einen Begriff, der an den Börsen sehr wohl bekannt ist-

Kurze Definition: Der Begriff selbsterfüllende Prophezeiung wurde von dem amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (geb. 1910) eingeführt und ist die Bezeichnung für eine sich selbst bestätigende Vorhersage. Wenn eine Person von einer bestimmten Sache glaubt, dass sie wahr ist und eintreten wird, trägt sie durch ihre Handlung und ihr Verhalten dazu bei, dass diese Prophezeiung auch eintritt. Im Gegensatz zur „self-fulfilling prophecy“ steht die selbstzerstörende Prophezeiung (engl. self-defeating prophecy, auch self-destroying prophecy), bei der der Betreffende sich so verhält, dass die Prophezeiung gerade nicht in Erfüllung geht.

Einige typische Beispiele für selbsterfüllende Prophezeiung: Ein als Vorhersage getarntes, gezieltes Gerücht entfaltet eine Eigendynamik, die es schließlich wahr macht. Dieses Mittel wird u.a. bei Machtkämpfen in der Politik und der Wirtschaft eingesetzt. Der Glaube an die Vorhersage „Bei diesem Leistungstest werde ich versagen“ führt zu so verschlechterten Leistungen, dass das Vorhergesagte eintritt. Die Furcht vor der Konfrontation mit einem zu hohen Blutdruck lässt den Blutdruck bei vielen Menschen vor einer Messung derart ansteigen, dass tatsächlich erhöhter Blutdruck gemessen wird. Die Angst vor Stürzen führt bei Senioren zu einer höheren Zahl von Stürzen.

Einige Beispiele für selbstzerstörende Prophezeiung:
Die Vorhersage eines Unglücks (etwa einer Brandkatastrophe) führt dazu, dass Maßnahmen eingeleitet werden, die dieses Unglück unmöglich machen. Ein Attentat wird vorhergesagt, weshalb Gegenmaßnahmen ergriffen werden, so dass das Attentat vereitelt wird. Die Prophezeiung des überwältigenden Wahlsieges durch eine populäre, politische Partei kurz vor dieser Wahl führt dazu, dass aufgrund dessen ihre Wähler der Wahl fernbleiben, da ihnen der Wahlsieg auch ohne ihre Stimme sicher erscheint.

Nun, mir geht es darum, dass sich die düsteren Kassandra-Rufe, Crash-Vorhersagen und Euro-Finanzkatastrophen-Prophezeiungen eben nicht selbst erfüllen. Und so leiste ich einen bescheidenen Beitrag für das Positive und hoffe, dass sich die immer häufiger und immer lauter zu hörenden Katastrophen-Warnungen zu einer selbstzerstörenden Prophezeiung entwickeln werden!

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer
Chefredakteur
Kutzers-Anlegerbrief

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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...


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