Börsencrash (Fortsetzung) - Lieber ein Ende mit Schrecken...

Donnerstag, 11.08.11 14:23

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

kann man jetzt noch eine sinnvolle, nützliche Prognose abgeben? Ich habe da meine Zweifel und ziehe den Hut vor solchen Strategen, die nicht nur ihre Dax-Ziele 2011 nach unten korrigieren, sondern bis auf weiteres konkrete Vorhersagen aussetzen. Außerdem warne ich davor, diesen Börsencrash unter Hinweis auf frühere Erfahrungen herunterzuspielen: Es ist zu simpel, unter Hinweis auf die aktuellen Wirtschaftsdaten zu beruhigen und die Kursstürze im gleichen Atemzug als langfristig gesehen günstige Kaufgelegenheit abzutun. Vielleicht ist das tatsächlich so. Aber solche und ähnliche Aussagen in diesen Tagen sind extrem risikobehaftet. Es muss doch sehr nachdenklich stimmen, wenn ein erfahrener Währungshüter wie EZB-Chef Trichet von der „schlimmsten Krisen seit dem 2. Weltkrieg“ spricht.

Die meisten Analysten und Wirtschaftsforscher sehen das anders, gelassener – jedenfalls bis gestern. Da ist etwa zu lesen: „Das hysterische Verhalten an den Märkten ist keinesfalls mit wirtschaftlichen Faktoren vollständig zu erklären. Es zeigt lediglich das verloren gegangene Vertrauen in die Politik, die Banken und die Ratingagenturen." Lediglich??? Und eine Weiser weiß: „Der massive Absturz der Märkte hat mit der Entwicklung der Realwirtschaft wenig zu tun.“ Wie bitte??? Die Börse, die bekanntlich stets versucht, die Zukunft vorweg zu nehmen, handelt doch diesen Zusammenhang: Die Finanzkrise hat sich zu einer Staatskrise ausgeweitet, die in eine Rezession, zumindest aber in eine nachhaltige Schwäche der Weltwirtschaft münden kann. Damit politisch fertig zu werden, ist in unseren demokratischen Systemen alles andere als einfach, weil der dringend notwendige Schuldenabbau immer mit unpopulären Entscheidungen verbunden ist. Das ist zwangsläufig ein langsamer Prozess. Börsen haben aber keine Geduld. Ihre Marktteilnehmer agieren im Zeitalter globaler Vernetzung mit seinem von Computerprogrammen gesteuerten Handel viel zu schnell für die Politik. Nach Italien und Spanien ist jetzt unser Nachbar und wichtigster Handelspartner Frankreich ins Gerede gekommen – die Kursverluste der Banken waren gestern im wahrsten Sinne des Wortes entsetzlich.

Es sei der Vergleich mit einem neuartigen Virus erlaubt, das sich pandemisch ausbreitet und nicht mit bekannten Antibiotika behandelt werden kann. So schnell können politische Beschlüsse gar nicht getroffen werden, wenn Regierungschefs den Urlaub abbrechen oder die Minister zu Notsitzungen zusammengetrommelt werden. Selbst das Mobiltelefon hilft nicht entscheidend weiter. Bei dieser Gelegenheit sei fragend angemerkt: Wo sind eigentlich die hervorragenden Wirtschaftsexperten, die unsere Regierung fortlaufend beraten? Wo ist ihr Know-how?

Bei der Gewichtung dieser Krise und den Marktreaktionen muss man erkennen, dass es ziemlich sinnlos ist, mit den bekannten Bewertungsmodellen die Anlageentscheidungen zu begründen. Nicht nur, dass die Aktien-Turbulenzen mit ihren grenzüberschreitenden Verkaufswellen heute als Folge der Globalisierung eine neue Dimension erreicht haben. Hinzu tritt noch ein aus meiner Sicht viel zu wenig diskutierter Faktor: Der Vertrauensverlust in die Politik als Folge der bekannten Staatsschuldenproblematik ist für die Märkte ein „übergeordnetes“ Element – ein anderes war beispielsweise die japanische Natur- und Atomkatastrophe. Solche übergeordneten Einflüsse, das ist doch einleuchtend, können weder mit Unternehmenskennzahlen oder Charts analysiert werden. Drastisch ausgedrückt: Es gibt keine Methode, einen von einem politischen Virus ausgelösten Crash mit gängigen Methoden zu analysieren.

Was wird es nun – ein Ende mit Schrecken, also ein baldiges Ende des Kursverfalls, aber auf einem noch niedrigerem Niveau als aktuell, oder ein Schrecken ohne Ende? Als Optimist glaube ich weiter an ein (relativ) gutes Ende, doch ist mein Bauchgefühl nicht eindeutig. Deshalb wage auch ich für den weiteren Jahresverlauf keine Prognose mehr – bis auf weiteres.

Machen Sie dennoch weiter mit – und machen Sie`s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...

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