Börsenprognosen - Was wäre, wenn ?

Montag, 06.06.11 16:47

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

an der Börse haben die Herren „Wenn und Hätte“ nichts zu suchen – ein alter Börsenspruch aus einer Zeit, als die Börse noch Börse war. Aber mal ehrlich: Weder die Marktteilnehmer selbst und schon gar nicht die Anleger können ohne Konditionalsätze auskommen. Auch wir Beobachter fragen uns ständig, unter welcher Bedingung (Kondition) sich Kurse nach oben oder unten verändern. Genau genommen bezieht sich die Börsenweisheit allerdings auf eine Rückschau, denn sie ist letztlich ein Appell, nicht über vergangene Fehler zu lamentieren, wie etwa: „Ach, wenn ich bloß nicht die XY-Aktie auf Empfehlung meines Freundes Ingo gekauft hätte …“ Aber auch dieses „Wenn und Hätte“ hat seine Bedeutung, denn durch falsche Entscheidungen sammelt man ja Erfahrung, die dann die Basis für richtige Entscheidungen wird!

Mir geht es hier um den Blick nach vorn, denn das Umfeld der Kapitalmärkte wird zunehmend unübersichtlicher, komplizierter – damit aber auch spannender. Spannender, das heißt nichts anderes als große Chancen und große Risiken zugleich. Daraus sollte als Konsequenz gezogen, dass diejenigen, die solche Spannung scheuen, die Position der Zuschauer einnehmen sollten (ich habe in den vergangenen Wochen schon mehrfach diese Empfehlung ausgesprochen). Schauen wir uns nur einen der wichtigsten Spannungserzeuger einmal an, der in den kommenden Tagen die Tendenzen an den Aktienmärkten entscheidend beeinflussen dürfte – die amerikanischen Konjunktursorgen.

Keine Panik, jedenfalls jetzt noch nicht: So lautet in der neuen Woche das Motto der New Yorker Anleger, denen noch die jüngsten Konjunktur-Hiobsbotschaften in den Knochen stecken. Der am Freitag veröffentlichte Arbeitsmarkt-Bericht für Mai deutet darauf hin, dass der weltgrößten Volkswirtschaft schon wieder die Puste ausgehen könnte. Die Anleger halten nun Ausschau nach Hinweisen, dass die US-Wirtschaft nur eine Schwächephase durchläuft und nicht vor einem neuen Absturz steht, berichten amerikanische Beobachter. Man erwartet „angespannte Tage“. Es mangelt aber nicht an Optimisten, die in den kommenden Monaten attraktive Einstiegsmöglichkeiten für langfristig orientierte Anleger sehen. Pessimisten hingegen befürchten eine neue Rezession. Sie sehen u.a. die Gefahr, dass der gewaltsame Aufstand im Jemen auf Saudi-Arabien übergreift und zulasten der US-Verbraucher die Benzinpreise nach oben treibt.

Was wäre, wenn …? Dem Anleger stellt sich nicht nur die Frage nach der US-Konjunktur. Er muss dieser ja auch die – nach wie vor sensationell gute – Wirtschaftsentwicklung im eigenen Land gegenüberstellen: Wenn Amerika die Puste tatsächlich ausgehen sollte, wie schnell und wie stark wirkt sich das auf unsere Volkswirtschaft aus? Bilden dann China und andere Schwellenländer ein stabilisierendes Gegengewicht? Es geht also nicht nur um die Kräfte und ihre Wirkung, die wir beim Blick in die Zukunft allenfalls erahnen können, sondern auch um zeitliche Abläufe. Beispiel: Dax & Co. können sich erfahrungsgemäß für eine gewisse Zeit von Dow & Co. abkoppeln, wenn sich die Stimmung jenseits des Atlantiks tatsächlich verschlechtern sollte. Irgendwann würden aber auch die anderen Märkte ins Fahrwasser der Wall Street geraten.

Allein dieses Beispiel soll verdeutlichen – ohne Berücksichtigung anderer Einflussgrößen wie Inflation, Geldmengenpolitik und Staatsschuldenkrisen –, wie wichtig es ist, dass der Anleger zunächst seine eigene Risikobereitschaft definiert mit dem (stark vereinfachten) Ergebnis: Der Mutige, der jetzt nicht an eine neue Rezession mit globalen Folgen glaubt, wird an seinem Aktienbestand festhalten und ihn in Schwächephasen eher noch aufstocken. Der Ängstliche bzw. ausgesprochen Vorsichtige reagiert auf die jüngsten Wall-Street-Signale und reduziert den Aktienanteil in seinem Portfolio, und das auch bei steigenden Kursen.

Was wäre, wenn …? Diese Frage muss sich der Anleger immer wieder aufs Neue stellen. Er sollte später aber entgangenen Chancen nicht lange nachtrauern. Übrigens: Ich selbst reihe mich derzeit immer noch unter die Mutigen ein. Und meine Favoriten bleiben deutsche und chinesische Aktien.


Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...


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