Börsenstimmung – Der Aktienmarkt bleibt noch im Übergangsmantel

Dienstag, 18.10.16 10:02
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

war schon der bisherige Jahresverlauf für die Aktienfans nicht gerade berauschend, so droht jetzt die totale Ernüchterung. Das kommt in den Kursen von Dax & Co. bisher nur abgemildert zum Ausdruck. Hatte ich beim letzten Mal noch protokolliert, vor dem Beginn des letzten Quartals überwiege bei aller Unsicherheit „robuste Zuversicht“ für den Aktienmarkt, so mag ich das heute nicht mehr unterstreichen. Damit zweifle ich auch an der Kraft der saisonalen Einflüsse – nach der sommerlichen Seitwärtsbewegung soll es ja der statistisch gesehen gute Herbst auch in diesem Jahr bringen. 

Nein, ähnlich wie das Wetter könnte auch die Börse in diesem Jahr und im Übergang auf 2017 wechselhaft und damit uneinheitlich bleiben. Passend zur herbstlichen Bekleidung ist mir deshalb das Bild vom Übergangsmantel in den Sinn gekommen. Ist das unangenehm? Ich sage nein, denn dieses Bild ist allemal besser als der Vergleich mit einem dicken Wintermantel nach dem Motto „Zieht Euch warm an“.Zahlreiche Gespräche mit engagierten, meist erfahrenen Privatanlegern in den vergangenen Tagen haben gezeigt, dass ein Teil von ihnen ungeduldig wird. Selbst die Gold-Fans, die nicht in Minenwerte, sondern in physisches Edelmetall investiert haben, machen mitunter keinen Hehl aus der Enttäuschung darüber, dass die Preise stehengeblieben sind. Denen rufe ich dann zu, sie sollten Gold doch nicht unter kurzfristigen Performance-Aspekten kaufen, sondern als wahren Wert und damit eine Versicherung gegenüber Katastrophen ins Portfolio mischen. 

Nach der Marktbereinigung in der Vorwoche hatte sich bei den institutionellen Anlegern langsam wieder eine Vertrauensbasis zum Dax aufgebaut, berichteten die Stimmungsbeobachter der Börse Frankfurt noch am Mittwoch. Das hielt aber nicht lange vor – neue Konjunktursorgen ausgehend von China dämpften die Märkte beiderseits des Atlantiks schon am Donnerstag. Wechselhaft eben. Und so spricht viel dafür, dass der Dax seine derzeitige Konsolidierung zwischen etwa 10.200 und 10.800 Zählern auch in den kommenden Tagen fortsetzen wird. 

Besonders wichtig ist jetzt – neben der weltwirtschaftlichen Entwicklung und dem Verhalten der Notenbanken –, wie es mit der wieder aufgeflammten Bankenkrise weitergeht. Für die Mehrheit der Investoren, mit denen ich es zuletzt zu tun hatte, steht das Drama Deutsche Bank im Mittelpunkt. Verständlich, dass jetzt von einer neuen Bankenkrise mit unabsehbaren Folgen gesprochen wird. Denn das Geschehen hierzulande macht einerseits auf die Situation der Finanzindustrie in anderen europäischen Ländern aufmerksam und verschärft andererseits die ohnedies immer heftiger werdende Kritik der Wirtschaftseliten an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. 

Hier geht es, und das spüren die Marktteilnehmer, um eine tiefgreifende Entwicklung, deren Verlauf und Ende nicht absehbar sind. Und dieser Eindruck hat sich in den vergangenen Wochen nun einmal bedrückend verstärkt. Dazu kommen die Fragezeichen hinter der Entwicklung der fundamentalen Daten bei uns sowie in den USA. Die kurzfristigen Konjunkturindikatoren bleiben differenziert und tragen häufig wechselnde Vorzeichen. Das an sich ist nicht neu – nur war bisher die Hoffnung im Markt, dass sich das Bild im Herbst klären dürfte. 

Dabei ist die Zwischenbilanz bisher keineswegs negativ: Die Crash-Kassandras liegen wieder einmal daneben bzw. müssen ihre düsteren Vorhersagen prolongieren. Amerikas Wirtschaft ist eben nicht in die Knie gegangen, Europa entwickelt sich schleppend, aber besser als erwartet. Auch von den Schwellenländern kommen seit Monaten zunehmend bessere Lageberichte.  

Zunehmend börsenrelevant könnte aber werden, dass die Erwartungshaltung für das kommende Jahr nach unten korrigiert wird. Viele Analysten und Volkswirte sehen keine Impulse für eine kräftige Belebung des müden weltwirtschaftlichen Wachstums. Damit fragt man sich, woher denn Gewinnsteigerungen der Aktiengesellschaften kommen sollen, die eine Höherbewertung durch steigende Kurse rechtfertigen würden. Die Antwort wäre eine kraftvolle Unterstützung der Notenbanken durch den Staat – vor allem durch die Fiskalpolitik und andere Anreize. 

Völlig unkalkulierbar bleiben die geopolitischen Entwicklungen, wobei ich den Punkt Donald Trump for President für mich längst abgehakt habe (er wird’s nicht). Keine Entspannung sehe ich leider in den Beziehungen zwischen Moskau und Washington sowie für den Nahen Osten. 

Diese Skizze ließe sich ohne weiteres verlängern. Heraus kommt ein Bild, das in den Augen der Anleger noch diffuser ist als in den Vormonaten. Damit ist die Qualität der Aktie als langfristige Vermögensklasse aber keineswegs in Frage gestellt. Gerade der Privatanleger sollte sich in Geduld üben, wenn die bevorstehenden Monate nicht den erhofft positiven Verlauf bescheren sollten. Ein unter Schwankungen weitgehend unverändertes Kursniveau wäre vor dem Hintergrund der umrissenen Krisenfelder schon ein Erfolg. Längerfristig gehen wir ja davon aus, geschätzte Aktionäre, dass wir den Übergangsmantel wieder ausziehen werden, weil die Temperaturen an der Börse weiter steigen.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer
Redaktion
Aktien-Ausblick

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