Börsenstimmung - Der Dax bleibt gefährdet

Donnerstag, 08.09.11 14:14

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

die gute Nachricht: Kein auch nur halbwegs erfahrener Marktbeobachter wird künftig noch die schrecklich kaputte Metapher „Politische Börsen haben kurze Beine“ zitieren. Die schlechte Nachricht: Es muss befürchtet werden, dass diese Finanzkrise wg. der politischen Problematik relativ lange Zeit die Märkte überschatten wird. Allein deshalb halte ich nichts von den zwar auf Erfahrung beruhenden, aber zu stark vereinfachenden Appellen, jetzt die „billigen“ deutschen Aktien zu kaufen – wenn man geduldig ist. Ich behaupte schon seit langem, dass ein Großteil der privaten Anleger eher ungeduldig ist. Und Begriffe wie billig und teuer sollte man an der Börse sowieso nicht verwenden – wann war die T-Aktie billig, wann teuer? Wie verhält sich das jetzt mit Commerzbank? Schon vor Jahrzehnten wurde in Fachdiskussionen dazu gerne folgendes Gespräch zweier Freunde zitiert: „Weißt Du, was bei IBM los ist? Die hängen seit Wochen bei 80, keiner will sie offenbar mehr anpacken.“ „Du, der Markt liebt sie zurzeit nicht, denn man betrachtet sie als zu teuer!“ Kurze Zeit später beginnt ein steiler Höhenflug des Kurses, und das Gespräch knüpft da an: „Sag mal, was ist jetzt denn los? Alle stürzen sich auf IBM, und der Kurs steigt und steigt …“ Antwortet der Freund: „Du, die sind wiederentdeckt worden, als Qualitätsaktie mit hohem Wachstumspotenzial, und die sind bei 120 noch billig!“

Mit einem Ohr höre ich gerade die Bundestagsdebatte über das Euro-Rettungspaket. Unabhängig vom politischen Standort sei hier als parteienübergreifende Forderung an Berlin appelliert, die seinerzeitige Diskussion über die Entscheidung zur Euro-Einführung nicht endlos fortzusetzen, sondern von der realen Existenz des Währungsverbunds ausgehend die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Ein katastrophaler Monat für viele Anleger liegt hinter uns. Was signalisieren uns die jüngsten Stimmungsindikatoren? Das meldet Cognitrend vom aktuellen Sentiment an der Frankfurter Börse: Beim deutschen Blue-Chips-Barometer zeichnete sich zuletzt eine gewisse Erleichterung und eine vorsichtige Kurserholung ab. Sehr zur Freude der heimischen, mittelfristig orientierten Anleger. Selbige haben nämlich wieder einmal ins fallende Messer gegriffen und das jüngste Dax-Jahrestief zum Einstieg bzw. zum Hinzumischen genutzt. Gleich so viele neue Bullen tummeln sich nun im Optimisten-Camp, dass das Sentiment-Barometer, der Bull/Bear-Index, mit 74,4 Punkten nicht nur auf ein neues Jahreshoch, sondern gleich auf den höchsten Stand seit 2006 schießt. Erneut haben die Fondsmanager die Nerven behalten – von Panik wieder einmal keine Spur.

Christin Stock von Cognitrend kommentiert: „Sonderlich große Positionen dürften die neuen und alten Bullen nicht angehäuft haben. Aber was haben die jüngsten Käufe bislang gebracht? Nicht einmal 200 Punkte Kurserholung vom vorangegangenen Tief aus gerechnet. Eine ähnliche Situation konnten wir bereits vor zwei Wochen beobachten…Der DAX bleibt gegen weitere Verkaufsattacken weitgehend ungeschützt.“

Die Risikobereitschaft der Anleger ist im August weiter gesunken, berichtet soeben die UBS. Anleger, die im vergangenen August mit Discount-Zertifikaten auf den DAX gesetzt haben, sind im Vergleich zum Vormonat etwas vorsichtiger geworden. Dies zeigt die aktuelle Auswertung des UBS Investor Sentiment Index. Der durchschnittliche Cap befand sich demnach im August 14,88 Prozent unter dem DAX-Stand – der Cap notierte damit 1,56 Prozentpunkte niedriger als im Juli. Das bedeutet, dass sich Anleger im August bei der Auswahl der Discount-Zertifikate für Produkte mit einem größeren Risikopuffer entschieden haben.

Mein Bauchgefühl ist eher mulmig. Und ich zucke mit den Achseln, wenn ich auf der Straße oder auf dem Golfplatz die Standardfrage dieser Tage höre: „Und, wie weit geht’s noch runter?“ Vergessen Sie billig und teuer, liebe Anlegerinnen und Anleger! Sie ärgern sich grün und blau, wenn Sie beim Dax von beispielsweise 5400 einsteigen und anschließend zusehen müssen, wie er auf 4000 oder 3000 Punkte fällt. Vielleicht haben wir ja bald den Boden gefunden. Vielleicht. Aber das Risiko weiterer, empfindlicher Kursrückschläge an den Aktienmärkten bleibt groß. Also Hände weg von Aktien?

Nein, so allgemein sollte eine Empfehlung auch nicht sein! Sie können, daran sei erinnert, auf alle denkbaren Kursverläufe und Volatilitäten spekulieren und traden. Dann müssen eben entsprechende Programme und Instrumente eingesetzt werden, also Derivate und Zertifikate. Sie können, falls Sie besonders ängstlich oder pessimistisch sein sollten, den Edelmetallanteil drastisch erhöhen oder sich für Seltene Erden als attraktive Spezialität des Rohstoffsektors interessieren. Ein alter Freund von mir, der schweizerische Vermögensverwalter Felix Lais, propagiert sein langjähriges Modell „Cash und Trading“, denn die Hektik werde an den Märkten noch zunehmen.

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


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Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...

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