Jetzt erleben wir ihn, den heftigsten Börsencrash in der DAX-Geschichte mit dem größten Kursrutsch in diesem Jahrtausend. Vor einem Monat noch auf stolzem Allzeithoch mit knapp 13.800 Punkten, jetzt abgestürzt auf 9.200 Zähler. Der Leitindex ist wieder einstellig. Der Kursverlust in weniger als einem Monat beträgt rund ein Drittel. Die harten Einschnitte bei Reisen, Veranstaltungen, Bildung und persönlicher Freiheit schüren mehr Ängste und verunsichern stärker, als es der Krankheitsverlauf bei der Corona-Pandemie erfordert. Ist es notwendig, nach den Kindertagesstätten auch Schulen und Universitäten monatelang zu schließen und womöglich auch Abitur-Prüfungen zu verlegen?
Immer mehr Anleger flüchten jetzt aus ihren Aktiendepots. Sie sorgen für eine Kettenreaktion mit dramatischem Kursverfall. Würde man den Crash brav aussitzen oder mutig zukaufen, gäbe es keinen Kursabsturz. Jeder Crash lebt vom Panik-Ausverkauf.
Die Folgen sind dramatisch – spürbar für jeden Einzelnen: Sinkendes Weltwirtschaftswachstum mit drohender Rezension, geringere Steuereinnahmen, geschlossene Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten, höhere Arbeitslosigkeit und verzweifelte Menschen bei galoppierender Zunahme von Angst. Großeltern, die Zeit hätten, sich um die Kinder zu kümmern, wenn beherzte, mutige Eltern dennoch arbeiten wollen, dürfen ihre Enkel nicht betreuen. Mütter, die im Betrieb gebraucht werden, müssen zuhause bleiben. Und was machen die Kinder bei geschlossenen Schulen, wenn fast alles verboten ist? Training im Verein, Skifahrten, Reisen. Lassen sich Kinder und Jugendliche zuhause einsperren? Steigt nicht das Ansteckungsrisiko, wenn man sich zuhause auf die Nerven fällt, alles Schöne und Spannende außerhalb der eigenen vier Wände verboten ist, das Stimmungsbarometer gegen Null fällt und umgekehrt Frust und Aggressionen auch im sonst weitgehend friedlichen familiären Umfeld zunehmen?
Ich hätte all dies verstanden, wenn die Sterbequote beim Corona-Virus bei zehn Prozent und darüber läge. Aber Todesraten zwischen 2 und 4 %? Da war doch so manche Grippe viel gefährlicher. Aber das wurde hingenommen. Und es gab ja auch nicht diesen fremden, Angst einflößenden Namen Corona – verbunden mit eingebrannten Schreckensvorstellungen von SARS. In meinen Vorträgen und Börsenseminaren konnte ich als Mutmacher wirken. Jeder ging beruhigt und wohlgelaunt nach Hause. All das ist nun für Wochen und Monate vorbei.
Aber wenden wir uns dem Börsengeschehen zu mit dem heftigen Crash, der weltweit schon fast 20 Billionen Dollar pulverisiert hat. Die Folgen für die Wirtschaft, für kleine, mittlere und große Unternehmen sind verheerend, viele Freiberufler eingeschlossen. Vielleicht ist der Buchhandel Nutznießer all der schmerzhaften Einschränkungen mit Beschneidung der persönlichen Freiheit. Lesen ist ja nicht verboten und hilfreich in diesem Börsencrash-Szenario, hauptsächlich, aber nicht nur durch Corona verursacht. Der sich immer mehr ausbreitende Angstfaktor führt zum massenweisen Panikausverkauf. Junge Mütter mit Kindern brechen in Tränen aus, wenn sie mich hilfesuchend anrufen, auch wenn ich da kaum der richtige Ansprechpartner bin.
Wie sieht es in meinem Depot aus? Meine Zwei-Millionen-Marke blieb stabil bis zum vergangenen Donnerstag. Sie wurde geknackt, als die Börsenkurse auf den tiefsten Stand in diesem Jahrtausend absackten. Beim DAX blieben gerade mal müde 9.200 Punkte übrig – weniger als einen Monat entfernt vom Februar-Allzeithoch bei 13.790 Zählern. So schnell wie nie zuvor gingen an den Weltbörsen über 18 Billionen Dollar Marktkapitalisierung verloren. Ein Vergleich mit der großen Finanzkrise 2008/2009 drängt sich geradezu aus. Der damalige Crash war ähnlich dramatisch, aber dauerte vom Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 nicht allzu lange. Ob und wie stark sich die Lage zuspitzt, hängt vor allem davon ab, wie rasch die Infektionsraten weltweit fallen, wann ein wirksamer Impfstoff entwickelt wird und die schwere Krankheitsverläufe besser behandelbar sind.
Was war und ist also zu tun? Ich verlor nach Steuern und Abgaben rund ein Fünftel meines Depot-Wertes ausgehend vom Allzeithoch. Damit kann ich gut leben und bleibe voll investiert. Ich nutze Einstieg und Zukauf bei abgestürzten dividendenstarken Titeln um ein Drittel bis zur Hälfte. Bei einer Ausschüttungsrendite von sechs Prozent und einem Kursverlust von einem Drittel steigt die unveränderte Dividende umgekehrt um ein Drittel auf stolze acht Prozent. Gerade wird die Dividendensaison eingeläutet. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form die großen DAX- und MDAX-Hauptversammlungen, wo auch über die Dividende abgestimmt wird, stattfinden.
Zu den Dividenden-Aristokraten gehören Allianz, Munich Re, Aareal Bank, Deutsche Pfandbrief, Freenet, Norilsk Nickel und Sberbank, um nur einige Namen zu nennen. Interessant sind etliche Aktien des Gesundheitswesens aus den Bereichen Pharma, Biotech und Medtech. Ich denke da an AstraZeneca, Amgen, Biogen, Intuitive Surgical, Johnson & Johnson, Medtronic, Roche, Stryker, Sanofi, United Health sowie übertrieben abgestürzte Titel des Reisesektors und der Luxusgüterbranche. Booking Holdings, Hermes, Kering und LVMH haben sicherlich noch Aufholpotenzial.
Wie lässt sich diese Umstrukturierung klug finanzieren? Bei Übernahmeangeboten wie Isra Vision, RIB Software und Qiagen vom MDAX, TecDAX und SDAX bleiben die Kurse stabil. Da bieten sich Teilverkäufe an. Hinzu kommt die Wiederanlage von Ausschüttungen. Auch beim bösartigen Corona-Crash – zum Teil genährt von extrem hohen Aktienbewertungen – kürzen oder streichen nur wenige Firmen die Dividende. Wütende Aktionäre, die aus Frust ihre Aktien aus dem Depot schleudern, dürften eine höhere Eigenkapitaleinbuße verursachen als eine vorübergehend gekürzte oder sogar gestrichene Ausschüttung.
Was tun mit kleinem Geldbeutel und wenig Börsenwissen? Gute Sachbücher lesen und mit Einmalanlage, bei fehlenden Rücklagen auch mit Sparplänen in ETFs investieren. Diese preiswerten passiven Indexfonds ohne Ausgabeaufschlag bilden ein Börsenbarometer wie DAX oder Dow Jones ab. Wer sich hier erstmals ein breit gestreutes, langfristig risikoarmes Depot aufbauen will, kann folgende ETFs auswählen: MDAX und SDAX (TecDAX jeweils beigemischt), MSCI Word mit Blue Chips und kleineren Titeln, S&P 500, Nasdaq 100 mit mehr Risikofreude und WORD WATER, wer nachhaltig, mit gutem Gewissen sein Geld anlegen will. Wann gibt es in einem solch kurzen Zeitraum schon mal so stark abgestürzte Kurse? Auch vorsichtige Anleger sollten diese Chance unbedingt nutzen auf dem Weg zu einem finanziell sorgenfreien Ruhestand.
Ich selbst bleibe zu hundert Prozent investiert und trage nicht dazu bei, mit meinem eigenen Verhalten die Kettenreaktion Kursverfall als größten Anlegerfehler zu unterstützen. Mein Zukauf im Crash 2008/09 und beim Technologie-Absturz im Dezember 2018 hat sich als Kurstreiber und Ausgangsbasis für die 1. und danach 2. Million erwiesen. Erneut vergleiche ich mich mit einem Gärtner, der genau zur richtigen Zeit sät und pflanzt, um später reichlich ernten zu können. Den Crash verursachen nicht die oft beschimpften Sündenböcke Medien. Je mehr abverkauft wird, umso tiefer sinken die Kurse. Deshalb gilt für mich: Glück verdient der Tüchtige. Und ein Crash ist nur gut – für Leute mit Mut!
Beate Sander ist Bestseller-Autorin und hat mittlerweile über 50 Fachbücher zum Thema Börse und Geldanlage veröffentlicht. Der "Aktien- und Börsenführerschein" zählt sogar zu den TOP 10 Wirtschaftsbüchern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
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