Sehr geehrte Privatanleger,
vor ungefähr einem Jahr tauchte auf den Radarschirmen verschiedener Investmenthäuser eine bekannte deutsche Aktie auf, die in den letzten Jahren zunehmend in Ungnade gefallen war. Dies hing sicherlich damit zusammen, dass das Management keinesfalls Glanzleistungen vollbracht hatte.
Dennoch stuften zum Beispiel die value-orientierten Analysten der Bayerischen Landesbank diese Aktie allein aufgrund ihres Substanzwerts mit „kaufen“ ein. Im Herbst letzten Jahres hätten Sie diese Aktie zur Hälfte des Buchwerts erhalten können. Das heißt, das reale Vermögen des Unternehmens war doppelt so viel wert wie der Marktwert aller Aktien des Unternehmens.
Noch vor einigen Monaten sprach ich mit einem sehr vermögenden Investor, der mir erläuterte, warum einige Analysten das Unternehmen so mögen. Vor einigen Tagen traf ich ihn wieder und beglückwünschte ihn zu seiner Kaufentscheidung. Seine Antwort war: „Ich hatte die Aktie auch nicht!“ Auch weitere Investoren, mit denen ich gesprochen habe, hatten die Aktie nicht im Portfolio.
Dem Unternehmen geht es schon länger nicht besonders gut; die Überkapazitäten sind groß, der Wettbewerb ist intensiv. In diesem Jahr kamen zudem etliche Skandale auf. Dennoch ist die Aktie um 60% gestiegen und hat den DAX damit um das Doppelte outperformt. Es handelt sich um die Volkswagen AG.
Mit der Königsanalyse suche ich vor allem Unternehmen, die ihre Erträge kontinuierlich steigern können. Diese Unternehmen werden vom Markt meist deutlich über dem Buchwert (Sub-stanzwert) bewertet. Maßstab ist die Summer der jetzigen und in der Zukunft erwarteten Erträge. Solche Unternehmen eignen sich besonders für den langfristigen Vermögensaufbau, und normalerweise ist die Langfristperformance dieser Aktien deutlich überdurchschnittlich.
Es kann aber auch Sinn machen, Unternehmen zu kaufen, die unter ihrem Buchwert notieren. In der 1-2-Jahresbetrachtung weisen auch solche Unternehmen im Durchschnitt eine deutliche Überrendite auf. Wenn sich die Unterbewertung dann korrigiert hat, sollte man diese Unternehmen wieder verkaufen, da Aktienkurse und Gewinne stärker schwanken.
Mit Empfehlungen von Aktien, die an ihrer Substanz gemessen unterbewertet sind, halte ich mich also zurück. Gelegentlich spreche ich aber auch eine solche Empfehlung aus. Das letzte Mal empfahl ich eine derart unterbewertete Aktie vor genau einem Jahr am 29.09.2004. In einem Jahr ist der Kurs um satte 357% gestiegen. Es handelt sich um die Salzgitter AG.
„Warum machen Sie das nicht öfters?“ höre ich Sie schon im Geiste fragen. Nun sind solch spektakuläre Erfolge natürlich selten. Bei der Salzgitter AG kannte ich zudem das Management und war vom Management absolut überzeugt, was ich zum Beispiel bei Volkswagen nicht sagen kann.
Den Grund für die jüngsten Kurssteigerungen kennen wir ja nun: die Porsche AG hat sich mit 20% am Stammkapital von VW beteiligt. VW sei ein bedeutender Lieferant für bis zu 30% des Absatzvolumens für Porsche. Warum man sich mit dieser Begründung an einem mittelmäßigen Zulieferer, der in Schwierigkeiten steckt, beteiligen will, erschließt sich mir nicht.
Viel wahrscheinlicher erscheint mir, dass Noch-VW-Aufsichtsrat und Ex-Vorstandsvorsitzender Ferdinand Piech, der dem Porsche-Clan entstammt und der einen großen Anteil der Porsche-Stammaktien hält, die Unternehmen wieder enger aneinander binden wollte. Hier scheint mir Besitzdenken viel wahrscheinlicher als nüchterne betriebswirtschaftliche Kalkulation.
Der VW-Kurs kann zwar ohne weiteres noch um weitere 20, 30 oder 40% steigen; das große Spiel dürfte aber gelaufen sein. Ich kann nur davon abraten, noch auf den fahrenden Zug auf-zuspringen. Die Sicherheitsmarge für ein Investment ist mittlerweile zu gering.
Es scheint mir eher so, dass nun in der deutschen Autobranche – eine der letzten, in der wir noch weltweit konkurrenzfähig sind – das Endspiel beginnt. Porsche kann man trotz des VW-Engagements noch halten, sollte aber das Investment jährlich überdenken. BMW steigert derzeit – von der Börse weitgehend unbeachtet – Umsatz und Gewinne. Und Daimler ist – wie auch VW – eine große Baustelle. Es würde mich wundern, wenn von unseren vier Herstellern mehr als zwei übrig bleiben.
Erfolgreiche Investments wünscht Ihnen
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
www.privatinvestor.de