Sehr geehrte Privatanleger,
Am 26. und 27. Juni führte die Bayerische Landesbank ihr ersts Value Intelligence Seminar durch. An zwei Tagen referierten führende amerikanische und deutsche Experten über Geldanlage, Fundamental- und Value-Analyse sowie über die Entwicklung einzelner Branchen. Der Fokus lag darauf, die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Branchen und Werte zu analysieren, um damit die Inneren Werte von Aktien zu bestimmen.
Mit ihrem Seminar setzt die Bayerische Landesbank Maßstäbe im deutschsprachigen Raum: anstatt Produktpräsentationen in den Vordergrund zu stellen, wurde hart an der Sache – nämlich der fundamentalen Bewertung von Aktien – gearbeitet. Die Vielzahl der Informationen ist viel zu groß, als dass ich sie hier angemessen wiedergeben könnte. Deswegen beschränke ich mich heute auf einen Punkt: „Don’t lose!“
Einer der Referenten war Charles Ellis, Gründer von Greenwich Associates
(http://www.hbs.edu/entrepreneurs/charlesellis.html),
der seit weit über 30 Jahren Banken und Finanzinstitutionen in ihren Geldanlageentscheidungen berät und nebenbei Professor an der Harvard Business School, Yale und anderen angesehenen Universitäten war.
Charles erzählte aus seinem Karrierebeginn als er, frisch von der Harvard Business School, für ein Unternehmen zu arbeiten begann, das die Gelder der Rockefeller-Familie verwaltete. Nach seinem ersten Aktienreport rief sein Chef ihn zu sich und sandte ihn mit den Worten „Charlie, die Rockefellers sind eine reiche Familie, aber sie sind nicht so reich, dass sie sich Dich leisten könnten,“ auf ein weiteres Fortbildungsprogramm an der Wall Street.
Dort sprachen Referenten aus der Praxis. An einem Tag referierte auch der Eigentümer eines Unternehmens, ein staatlicher, eleganter und sehr reicher Mann. Am Ende stellte Charlies Klassenkamerad eine Frage: „Ich möchte so reich sein wie Sie! Sagen Sie mir doch, wie ich das anstellen soll.“
Der Firmenchef stand lange da. Charles dachte zuerst, dass er sich vielleicht über die respektlose Art der Fragestellung ärgern würde. Dann merkte er, dass der Referent einfach nur tief nachdachte. Schließlich fixierte er den Fragesteller und sagte zwei Worte mit Nachdruck: „Don’t lose!“
„Wenn man eine dumme Frage stellt, bekommt man eine dumme Antwort“, war die erste Reaktion der Trainees. Im Laufe eines mehr als vierzigjährigen Berufslebens erschloss sich die Tiefe dieser einfachen Wahrheit für Charlie immer mehr. Auch ich habe in den letzten Jahren die Weisheit dieses kurzen Statements immer mehr schätzen gelernt.
„Don’t lose!“ Sie müssen immer zuerst darauf bedacht sein, Verluste zu vermeiden! Denken Sie an die Zeit des Neuen Marktes zurück und versuchen Sie, sich an Ihr eigenes Portfolio zu erinnern. Waren es letztlich die Gewinne, die Sie gemacht haben, oder die Verluste, die letztlich die Performance Ihres Portfolios bestimmt haben? Vielleicht geht es Ihnen so wie einem Nachbarn von mir, der Porsche-Aktien hatte (+ 100% seit dem Jahr 2000) und diese im Jahr 2000 in Aktien des NEMAX tauschte, weil alle anderen ihm von ihren sagenhaften Gewinnen bei NEMAX-Aktien erzählten. Wie diese Investmentstory ausging, brauche ich nicht weiter zu erzählen.
Derzeit kommen wieder einige Anleger an den Aktienmarkt zurück, die von den Jahren 2000 – 2003 verunsichert waren. Selbst Anleger, die in Aktien engagiert geblieben sind, fragen sich, ob sie nicht angesichts der rapiden Kursentwicklung der letzten Monate noch mehr investieren sollten. Wenn es Sie selber in den Fingern juckt, denken Sie an den Vortrag von Charles Ellis: „Don’t lose!“ Sie haben Gewinne gemacht. Schön! Seien Sie zufrieden. Aber lassen sie sich nicht von den Gewinnen, die andere angeblich gemacht haben, verleiten, übergroße Risiken einzugehen. Wir stecken schon wieder in einem Momentum-Markt. Die fundamentalen Bewertungen der meisten Aktien sind angemessen. Der Markt kann noch eine ganze Weile laufen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass der DAX noch deutlich über die 5000 hinausgehen wird. Aber wenn Sie jetzt in großem Stil zusätzlich investieren, kann das auch zu empfindlichen Verlusten führen.
Einer, der letztlich in großem Umfang verloren hat, ist Jürgen Schrempp. Durch seine Rücktrittserklärung schnellte der Wert von DaimlerChrysler um 3,5 Milliarden Euro in die Höhe. Eine schallende Ohrfeige. Zwar sitzt der Mann nun auf vielen Millionen, aber der topfitte sechzigjährige hat nun viel Zeit, über seinen Hochmut und die vielen Fehler nachzudenken, die er gemacht hat. Ich persönlich kann mir denken, dass diese Fehler am Ende eines langen Lebens sehr schwer wiegen werden und nur unzureichend durch die vielen Millionen aufgewogen werden können.
Auf gute Investments,
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
www.privatinvestor.de