Erste Warnsignale: der Markt straft überproportional

Freitag, 25.06.04 10:01
Sehr geehrte Privatanleger,

fast jedes Jahr wird eine Sommerhausse herbeigeredet, und fast jedes Jahr geht es im Sommer und Herbst bergab. Dieser Zyklus hat einen einfachen Grund: nachdem die Fondsmanager im Winter und Frühjahr ihre Depots bestückt haben, geht es irgendwann in die Sommerferien. Gewinne werden realisiert. Und irgendwann kommt es zu Kursrückschlägen.

Wer stur die Regel „Sell in May“ befolgen und sich im Herbst wieder eindecken würde, könnte eine deutliche Überrendite gegenüber den Indizes erzielen – nicht in jedem Jahr, aber doch in der überwiegenden Mehrzahl.

Ausnahmen bestätigen die Regel: 2003 ging es auch im Sommer weiter bergauf. In diesem Jahr dürfte der bekannte Zyklus aber wieder seinen Lauf nehmen. Hierfür gibt es deutliche Signale. Derzeit werden einige Wachstumswerte überraschend stark abgestraft, obwohl die Zahlen manchmal nur leicht unter, manchmal sogar noch leicht über den Erwartungen liegen. Die Finger werden zittriger.

In den letzten Wochen mussten mehrere erfolgsverwöhnte und gute Unternehmen deutliche Kurseinbrüche hinnehmen, zum Beispiel die Bildungsanbieter Corinthian Colleges und Apollo Group, unser Generika-Herstelle Stada, der Automobilzulieferer Leoni, sowie die Softwarefirmen Adobe und Red Hat. Von März bis April verlor Nokia fast fünfzig Prozent. Auch Samsung Electronics kämpfte in den letzten Wochen mit einer Kursschwäche. Es ist die alte Kostolany-Geschichte vom Herrchen und dem Hund. Der Hund (der Börsenkurs) war dem Herrchen (der Entwicklung des Unternehmens) vorausgeeilt. Nun kehrt der Hund um.

Der Kurs von Stada brach in den letzten beiden Wochen um mehr als 20% ein. Das schmerzt: auch ich halte Stada. Dabei hatte das Unternehmen lediglich gemeldet, dass der Gewinn voraussichtlich auf Vorjahresniveau liegen und man derzeit nur noch einstellig wachsen könne.

Nokia, sonst vom Erfolg verwöhnt, bläst der Wind ins Gesicht. Samsung und selbst Motorola machen Marktanteile wett. Apollo, Red Hat und Adobe hingegen haben die Analystenerwartungen erfüllt bzw. sogar übertroffen. Die Apollo Group Inc. weist aktuell einen Nettogewinn von 101,1 Mio. Dollar bzw. 56 Cents je Aktie auf. Im dritten Quartal 2003 lag der Nettogewinn noch bei 69,8 Mio. Dollar. Analysten hatten im Durchschnitt mit einem Nettogewinn von 51 Cents je Aktie gerechnet.

Dennoch fielen auch diese Unternehmen nach Bekanntwerden der Zahlen. Das hat einen einfachen Grund: sie waren sehr hoch bewertet. Apollo und Corinthian hatten KGVs von über 40, Stada ein KGV von fast 30. Red Hat hat auch nach dem Kursrückgang ein KGV von 90. Im Moment stürzen sich die Anleger auf die wenigen Erfolgsstorys, die es gibt und treiben damit den Kurs in die Höhe. Wenn sich dann eine Abschwächung abzeichnet, fließen viele Gelder wieder ab.

Ich habe Yahoo und eBay früher ausführlich verglichen. Beides sind gute Unternehmen, aber nur eBay ist ein wirkliches Ausnahmeunternehmen. Beide sind sehr teuer. Yahoo hat ein 2004er KGV von 97, eBay eins von 71. Ich gehe davon aus, dass die höhere Bewertung von Yahoo eine optische Täuschung ist: eBay hat mittlerweile seinen Höchstkurs aus dem Jahr 2000 weit hinter sich gelassen, Yahoo liegt noch weit darunter. Da konstatiert der Markt vielleicht einen „Nachholbedarf“. Allein: eBay hat seine Gewinne wesentlich mehr gesteigert (daher das niedrigere KGV und hat zu dem das höhere Potential). Wer bei einem KGV von 97 noch Yahoo hält, glaubt an Wunder. Ich halte eBay für das beste Geschäftsmodell der Welt, habe aber bei der jetzigen Bewertung einen Teilverkauf getätigt.

Die Erfolgsstorys Puma und Bijou Brigitte könnten ebenfalls leichte Kurseinbußen erleiden. Beide haben aber ein KGV von deutlich unter 20 und sind damit noch nicht sehr teuer.

Es ist keine schlechte Idee, für den Sommer etwas Cash aufzubauen. Der Herbst war meistens eine gute Zeit für Investments. Auch ich mache das.

Was können Sie kaufen, wenn Sie immer noch überschüssige Mittel haben? Amgen, das älteste und solideste Biotech-Unternehmen, ist nach meinen Zahlen definitiv ein Kauf. Den inneren Wert des Unternehmens sehe ich bei 64 Euro. Die gesamte Biotech-Branche ist in den letzten Jahren weitgehend auf der Stelle getreten; irgendwann wird die Entwicklung weitergehen. Medtronic ist leicht unterbewertet; allerdings fehlt mir hier noch die notwendige Sicherheitsmarge für einen Kauf. Bei Stada können Sie einsteigen; Sie sollten aber nicht allzu schnell eine Kurserholung erwarten. Erdöl und (in begrenztem Ausmaß) Rohstoffe sind weiter ein Kauf. In China könnte es sich weiter abkühlen; mittlerweile gibt es aber interessante Einstiegskurse, zum Beispiel bei China Mobile und Tsingtao. Auch in Osteuropa fällt nach der leichten Abkühlung der Einstieg wieder leichter. Und zuletzt: nutzen Sie die vorübergehende Kursschwäche zum Einstieg bei Samsung Electronics!

Erfolgreiche Investments wünscht Ihnen

Ihr
Prof. Dr. Max Otte
www.privatinvestor.de

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