Expertenirrtümer, Bild-Zeitung & Börsentrends

Donnerstag, 07.09.00 11:52

Die Flut der Wirtschaftstiteln verspricht eine nahezu sorglose Zukunft für jeden Börsianer. Ob Einsteiger oder Profi, alle können, so wird suggeriert, problemlos gewinnen. Ob es ein Chart-Guru ist, der (endlich, wir haben alle Jahrzehnte darauf gewartet) auspackt, ob es angeblich besten Analystenempfehlungen sind oder die Banken, die regelmässig ihre Einschätzungen zu einzelnen Aktien abgeben und mit Begriffen wie "reduzieren", "Verkaufen", "Market Outperformer" oder "Untergewichten" um sich werfen. Tatsache ist: Niemand hat die Weisheit an der Börse für sich alleine gepachtet und so mancher anerkannter Börsenexperte liegt des öfteren daneben. So mancher Experte scheint hier die von Andre Kostolanys geprägte Börsenweisheit, man müsse lediglich zu 51 Prozent gewinnen, offensichtlich sehr ernst zu nehmen. Zum Teil nehmen die unter redaktionellem Termindruck und im Hinblick auf den bestmöglichen Verkauf produzierten Flops groteske Auszüge an. Geradezu inflationär wird von "Gewinner-Aktien" und "Top 12", in die jeder Börsianer unbedingt investieren muß, geschrieben. Dazu kommen "Die neuen Börsenstars" und andere Versprechen mehr.

Wer sich die Mühe macht und einzelne Empfehlungen aufmerksam verfolgt, wird jedoch in vielen Fällen enttäuscht. So empfiehlt ein bekanntes Wirtschaftsmagazin im Frühjahr 2000 die Deutsche Telekom als "Lukrativen Zukauf". Die Fusionsphantasie und anderes mehr spräche für einen klaren Kauf. Wer als Leser blind dieser Empfehlung folgte, erlebte mit Kaufkursen um die 80 Euro ein finanzielles Desaster, als der Kurs der Telekom-Aktie bis Ende August zeitweise auf unter 40 Euro sank. Wer hier entgegen der Devise "Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen" in der Hoffnung auf steigende Kurse investiert blieb, der darf seit Ende August/Anfang September auf einen Kursanstieg von rund 100 Prozent hoffen, um dann zumindest plus/minus Null dazustehen.

Nach wie vor gilt: Für alle, die wissen wollen, wie die Masse der Käufer denkt, ist die Bild-Zeitung Pflichtlektüre. So titelt die Bild am Montag, den 3.April 2000 "Ab heute Ansturm auf die neue Aktie T-Online". Und weiter geht`s mit "Wie reich kann ich werden" und einige Zeilen tiefer "Fieber-Börse, Millionen Anlegern kribbelt es wieder in den Händen...". Damit war spätestens im April klar: Es ist Zeit zum Ausstieg. Und ebenso, wie die Bild-Zeitung in regelmässigen Abständen zuverlässig zum Ausstieg an der Börse klingelt, klingelte sie zum Einstieg. Am Freitag, 25.August 2000 steht auf der Titelseite "Kurs-Sturz - 1.Aktionär verklagt Telekom". Wer diese Meldung als Signal verstand, daß jetzt mit Sicherheit die Masse wieder Abstand von der Telekom-Aktie genommen hat oder nimmt, konnte beruhigt einsteigen und allein bis Anfang September mit einem zweistelligen Plus wieder aussteigen.

Fazit:

1.
Einer der wichtigsten Voraussetzungen für dauerhafte Börsengewinne ist, daß Sie Ihre eigenen Hausaufgaben machen müssen. Sicherlich ist es wichtig, Wirtschaftsmagazine zu lesen, doch verlassen Sie sich niemals blind auf die Expertenmeldungen. Sie alleine müssen die Verantwortung für Ihre Kaufentscheidung übernehmen können. Am besten Sie verfahren nach der Methode des 3-Minuten-Test©. Bei diesem Test geht es darum, daß Sie vor einem endgültigen Kauf in der Lage sein sollten, bis zu drei Minuten einen Vortrag über das Unternehmen zu halten, dessen Aktien Sie kaufen wollen. Welche Marktposition hat das Unternehmen, welches Wachstumspotential hat das Unternehmen und der Markt, in dem das betreffende Unternehmen tätig ist und wie steht es um das Management.

2.
Wichtiger als die wöchentlichen Kauf- und Verkaufempfehlungen der einzelnen Wirtschaftsmagazine ist es, daß Sie den Trend erkennen. Wie sagte der bekannte und beliebte n-tv Börsenmoderator Markus Koch im November 1998 anläßlich einer Veranstaltung der Skandia AG "Also erst einmal, wenn ich den Dow irgendwo sehen könnte, dann würde ich nicht bei n-tv arbeiten, sondern Pina Coladas in den Bahamas trinken. Das, was mich interessiert ist vielmehr die Frage, ob ein existierender Trend andauern kann"

3.
Und wenn Sie weder für den 3-Minuten-Test noch dafür Zeit haben, mögliche Trends zu erkennen, abonnieren Sie ab sofort als wichtigstes Börsenblatt die Bild-Zeitung. Kaufen Sie dann, wenn die Bild-Zeitung zum Verkauf rät und verkaufen Sie, wenn die Bild-Zeitung von Reichwerden auf der Titelseite berichtet.

von Bernd W. Klöckner / www.YOMO.de




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