Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
was kann man noch mit früheren Wirtschafts- und Börsenzyklen vergleichen und wo hat sich die Welt durch die Digitalisierung mit der Konsequenz einer globalen Vernetzung verändert? Diese Frage beschäftigt mich schon seit längerem, geschätzte Anleger, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir bis heute erst zu einem (kleinen) Teil begriffen haben, wie sehr sich unser Leben auf allen Ebenen durch das in den 80er Jahren begonnene neue Zeitalter weiter entwickelt. Wer genau hinschaut, erkennt auch die damit einher gehenden sprachlichen Neuerungen: „Innovative“ Begriffe – in aller Regel Anglizismen – werden zunächst mit Kopfschütteln übernommen und schon kurze Zeit später alltäglich.
Beispiele von gestern waren etwa Investment Banking, Financial Industry und Benchmark. Heute ist es die „Financial Repression“ – ein Wort, dass auch durch die Eindeutschung in „Finanzrepression“ nicht besser wird. Es gibt weitere Beispiele, die in meinen Augen und Ohren Hinweise auf grundsätzlich neue Prozesse sind. Wir wissen noch nicht, wo wir am Ende der Finanzrepression stehen werden – entsprechende Prognosen sind für mich Spekulation. Aber sieht es nicht so aus, als würden diese Entwicklungen für eine langfristige Anlage in Sachwerten sprechen, also auch und gerade für eine Beteiligung am Produktivkapital unserer Wirtschaft?
Ich habe diverse Analysen auf solche Hinweise abgeklopft und bin insbesondere bei den von mir besonders geschätzten Strategen von Allianz Global Investors (AllianzGI) fündig geworden. Sie sprechen bei der Untersuchung des aktuellen Börsenumfelds von „Wendepunkten“ – ich entdecke darin eben auch sprachliche Veränderungen.
Spätestens seit seinem Anleihe-Comeback lautet das Szenario für Griechenland, das an den Finanzmärkten gespielt wird, „Grecovery“ statt „Grexit“. Mit dem Rückenwind der schnellsten Kapitalmarktrückkehr eines Landes nach Umschuldung emittierte jüngst auch Portugal einen Langläufer, ein Lackmustest vor dem Ende des Hilfspakets im Mai.
Wie lange wurden doch gerade hier in Deutschland die Inflationsängste geschürt, durch Veröffentlichungen zahlreicher Ökonomen und anderer Experten! Dann rückte das Gegenteil in den Blickpunkt der Warnungen, die „Deflation“. Mehrheitlich ist sich die Fachwelt allerdings seit Monaten einig, dass solche Sorgen übertrieben seien; man müsse eher von „Disinflation“ sprechen. Jetzt taucht die Formulierung „Von Disinflation zu „Lowflation“ auf. Denn der Euroraum dürfte das Tal rückläufiger Inflationsraten durchquert haben, auch wenn uns das Phänomen „Lowflation“ in den kommenden Monaten weiter begleiten sollte. Aktuell bleibt damit die Diskussion hinsichtlich etwaiger quantitativer Lockerungsmaßnahmen der EZB erhalten.
Geldpolitik als zentrales Steuerungselement – Notenbanken werden zu Weltmächten. Hat es das so lange von Deflation gefesselte Japan geschafft? Hier taucht ein ganz neuer Begriff auf – die „Abenomics“ (in Analogie zu Reaganomics). Es ist ein sogenanntes Kofferwort zusammengesetzt aus „Abe“ und „economics“ (engl. für Volkswirtschaft) und bezeichnet die Wirtschaftspolitik des Premierministers Shinzo Abe bzw. seines Kabinetts in Japan.
Uns interessiert Amerika aber weitaus mehr. Auf der anderen Atlantikseite untermauern bessere Konjunkturdaten die (noch) nicht von allen Volkswirten geteilte Einschätzung, dass der holprige Jahresauftakt dem ungewöhnlich strengen Winter geschuldet war und mit der Normalisierung der Wetterlage in den USA Nachholeffekte einsetzen. Die Fed hat in Bezug auf die Verringerung des Anleihekaufvolumens („Tapering“) den Autopilot eingeschaltet. Ein weiterer Wendepunkt: Stabilisierung bei Schwellenmarkt-Währungen. Zuletzt konnten sich die Währungen vieler „Emerging Markets“ erholen. Auch institutionelle Investoren interessieren sich langsam wieder für Schwellenländer-Anleihen. Sprachlich gesehen wird die mittlerweile große Rolle dieser Nationen durch die synonymische Verwendung von „neue Wachstumsländer“ bestätigt.
Zieht man einen Strich darunter, dann ist eher Aufbruchsstimmung als Krisenangst angesagt. Der Anleger sollte dies honorieren und sich nicht ängstlich aufs Sparbuch zurückziehen. Wenn Aktien immer noch wie früher als „Risikopapiere“ (im Gegensatz zu
Staatsanleihen) bezeichnet werden, dann kommt die Veränderung eben auch sprachlich zum Ausdruck: „Wer keine Risiken einzugehen bereit ist“, wird sein Kapital nicht erhalten, sondern Kaufkraft verlieren.“ Kurz gesagt: Die
Aktie ist die bessere Staatsanleihe.
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
Chefredakteur
Kutzers BauchgefühlP.S.: Diese
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