Fusionen in der Softwarebranche

Freitag, 17.12.04 14:06

Sehr geehrte Privatanleger,

Diese Woche gab es gleich zwei Paukenschläge in der Software-Branche: Symantec übernimmt Veritas im Zuge des Aktientauschs und Oracle schließt die Übernahmeschlacht mit Peoplesoft ab. Ganz nebenbei schluckt Microsoft den Anti-Spyware-Spezialisten Giant Company Software. Adobe Systems meldet ein Rekordergebnis. Und vor einiger Zeit platzten heimliche Fusionsgespräche zwischen Microsoft und SAP. Kein Zweifel: die Software-Branche ist zu einer „reifen“ Branche geworden, wie es Larry Ellison, CEO von Oracle, vor einige Zeit einmal ausdrückte. Sind diese Unternehmen auch für Privatanleger interessant?

Warren Buffett meidet Software-Unternehmen, da er nur in Unternehmen und Branchen investiert, die er versteht. Trotz seiner Freundschaft mit Bill Gates war er in den letzten Jahren auch gut damit beraten, nicht in Microsoft zu investieren.

Auf die Dauer gehören meines Erachtens Software-Unternehmen mit einer starken Position beim Endverbraucher in ein Privatanleger-Portfolio. Software ist nicht „greifbar“, aber letztlich ein wichtiger Baustein der neuen, vernetzten Welt. Software lässt sich eben nicht einfach von Wettbewerbern kopieren, wenn sich die Verbraucher daran gewöhnt haben. Das ist nicht anders als bei starken Marken wie zum Beispiel Buffetts Liebling Coca-Cola, dem es ja in den letzten Jahren überhaupt nicht gut ging. Auch Coca-Cola ist am Markt ungefähr mit dem zehnfachen Buchwert bewertet – Anleger zahlen also auch hier vor allem für die Ertragskraft und die Marke. EBay und Wal-Mart wären ohne moderne Software nicht denkbar.

Microsoft, Symantec und Adobe haben Marken mit einem hohen Wert beim Endverbraucher. Microsoft ist topp, aber mit 220 Milliarden € Marktwert immerhin 3,5mal so teuer wie Oracle, 5,5mal so teuer wie SAP und mehr als 20mal teurer als Symantec, Adobe, Peoplesoft oder Veritas, die alle im Bereich von 10 Milliarden bewertet sind.

Der Marktwert ist nur ein Teil der Gleichung, gleichzeitig müssen Sie sich als Privatanleger ein Bild davon machen, wie viel Gewinn diese Unternehmen machen und wie das Potenzial für Gewinnsteigerungen aussieht. Die Spanne der Kurs-Gewinn Verhältnisse reicht von 20 (Microsoft) bis 55 (Symantec). Adobe und Veritas sind mit KGVs von ca. 30 bewertet. Es ist nur wenige Jahre her, da wurde ein KGV von 40 für Microsoft noch fast als billig bezeichnet. Mittlerweile sieht ein KGV von 20 angemessen aus, da Microsoft mit seinen neuen Geschäftsfeldern bislang wenig Glück gehabt hat. Bei Veritas und Adobe deuten KGVs von 30 und mehr auf Wachstumspotenziale hin, das KGV von über 50 deutet auf das ausgesprochen hohe Potenzial von Symantec hin.

Grundsätzlich teilen wir die Einschätzung von Symantec als hervorragendes Unternehmen. Mit seinen Virenschutz-Programmen hat Symantec ein glänzendes Franchise, das fast besser ist als Microsoft Office. Nur eBay ist noch besser. Allerdings hatte ich am 03.12.2004 den Inneren Wert des Unternehmens auf 19,39 € geschätzt. Der aktuelle Aktienkurs betrug 25,78 €, so dass das Unternehmen nach meiner Methodik ein Verkauf war.

Nach der Fusionsankündigung fiel der Kurs auf 19,00 € - damit ist Symantec nun nach meiner alten Berechnung fair bewertet. Wir wissen aber nicht, ob das fusionierte Unternehmen ebenfalls fair bewertet ist. Der Markt schätzt diese Fusion also als negativ für Symantec ein. Die genannten Gründe für die Fusion, die einstimmig durch beide Aufsichtsräte genehmigt wurde, scheinen zunächst einmal logisch: Kunden verlangen immer mehr Lösungen aus einer Hand. Mit den Sicherheitsprogrammen (Symantec) und den Datenspeicherungs- und Archivierungslösungen (Veritas) kann das Unternehmen das gewährleisten.

Die Kombination von Dienstleistungen kann Sinn machen. Allerdings sind Fusionen zunächst einmal ein Zeichen dafür, dass die organischen Wachstumsmöglichkeiten begrenzt sind. Im neuen Unternehmen machen die Virenschutzprogramme, also der Bereich mit der stärksten Performance, einen relativ geringeren Umsatz aus. Dafür nehmen die B2B-Leistungen zu und machen 75% des Konzernumsatzes aus. B2B-Leistungen sind prinzipiell nicht so stabil wie Produkte und Dienstleistungen, die an Endkunden vertrieben werden.

Die Fusion findet – wie die meisten Fusionen heutzutage - im Wege des Aktientauschs statt. Symantec schafft neue Aktien und gibt diese im Verhältnis 1,14 Aktien des kombinierten Konzerns je Veritas-Aktie an die Veritas-Aktionäre aus. Nach der Fusion halten die Symantec-Aktionäre 60%, die Veritas-Aktionäre 40%. Dies entspricht auch in etwa den Umsatz- und Gewinnanteilen der Altkonzerne, wobei der Symantec-Gewinnanteil etwas höher war. Wie bei den meisten Fusionen bekommt der Käufer den etwas schlechteren Deal, da die Verkäufer davon „überzeugt“ werden müssen, sich von ihren Aktien zu trennen.

Insgesamt halte ich den Kursrückgang von Symantec für gerechtfertigt – die Fusion ist ein Signal, dass sich die Wachstumschancen etwas abschwächen. Microsoft ist zu einem Kurs wie zuletzt Anfang 1998 zu haben und damit fair bewertet, Adobe hat noch Potenzial. Der Kurs von Oracle ist um 50% gestiegen, seitdem sich ein Ende der Übernahmeschlacht mit Siebel abzeichnet und steht nun wieder da, wo er zuletzt im Februar 2004 stand. SAP notiert zum Kursniveau von Anfang 1998 und ist als Fusionskandidat nach wie vor interessant, zum Beispiel für IBM, das sich als umfassender IT-Dienstleister für Großunternehmen versteht.

Wenn Sie bedenken, dass die Software-Branche nach wie vor eine der wesentlichen Zukunftsbranchen ist, ist jetzt sicherlich ein geeigneter Zeitpunkt, um über einen selektiven Aufbau von Positionen in diesem Bereich nachzudenken.

Erfolgreiche Investments wünscht Ihnen

Ihr
Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...

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