Geldanlage in der Krise (VI) - Rezession eingepreist? Setzen Sie nicht darauf!

Monday, 17.10.11 15:12

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

auch das gibt’s: Am Wochenende spricht mich ein mittelalter Mann auf der Messe „Grünes Geld“ in Freiburg an mit der üblichen Frage „Wo soll man denn anlegen?“ und äußert Angst vor einer Währungsreform. Meine Gegenfrage, ob er denn die unterschiedlichen Geldstrategien (Sparen – Anlegen – Spekulieren) diszipliniert trenne und sich über seine Altervorsorge im Klaren sei, beantwortete er ungewöhnlich eindeutig: „ Ach, ich habe soviel für später gespart … wenn Sie wüssten … mir geht es wirklich ums Anlegen!“ Der Mann hat die Hoffnung, dass nachhaltiges Investieren in Sachwerte nicht betroffen wird, wenn zur Bewältigung der Euro abgeschafft oder reformiert würde: „Bisher habe ich alles ins Gold gesteckt.“ Dass Gold nicht absolut sicher ist und deshalb auch nicht alles sein sollte, wurde anschließend vertieft.

Es ist unbestritten, dass wir in einer Ära der Sachwerte-Anlagen leben. Diskussionsstoff liefern allerdings, welche Anlageklassen dabei einzubeziehen sind und wo Kapitalerhalt am sichersten sein dürfte – die früher einmal völlig sicheren Häfen sind es nicht mehr. Und angesichts der übergeordneten politischen Einflüsse ist nicht ohne weiteres – wenn überhaupt – zu prognostizieren, welche Entwicklungen welches Gewicht für den Börsentrend haben werden. Deshalb warne ich erneut davor, sich schon jetzt einseitig festzulegen, entweder ganz auf die Aktie zu setzen oder sich ganz von ihr zu verabschieden.

Die Spannung wächst weiter – nehmen wir nur einmal die Schlagzeilen der Wochenendepresse: Die „Welt am Sonntag“ fasste die globale Demo-Welt in ihrer Titelstory „Die große Wut auf Spekulanten, die Politik und das Finanzsystem“ zusammen und stellt als Folge entsprechender Konsultationsergebnisse der politischen Spitzen fest: „Euro-Krise: Masterplan nimmt Gestalt an“. Bei der „Bild am Sonntag“ gelingt es, alles in einer Überschrift zu konzentrieren: „Sind die Euroretter schneller als die Wut der Straße?“

Ich möchte den Sonnenstrahlen, die in der zurückliegenden Woche die Märkte aufgehellt haben, gerne Nachhaltigkeit zuschreiben – allein mir fehlt (noch) der Glaube. Kaufen nur dann, geschätzte Aktien-Fans, wenn Sie sich des Risikos bewusst und bereit ist, dieses auch auf sich zu nehmen! Das vielleicht beste Beispiel: Argumentiert der Bulle, man sollte jetzt doch Commerzbank kaufen, denn bei Kursen von 1,50 bis 1,70 Euro sei alles Schlechte doch wohl „eingepreist“. Antwortet der Bär: Das haben viele Investoren auch schon bei 9 oder 6 Euro geglaubt – und jetzt? Wenn es zu einer europäischen Bankenkrise kommen sollte, sind noch viel niedrigere Preise denkbar.

Hören Sie also nicht hin, liebe Anlegerinnen und Anleger, wenn das Wort „eingepreist“ verwendet wird, um Hoffnung zu wecken. Seit kurzem heißt es da und dort in den Medien, Experten hielten eine Rezession für „eingepreist“. Das sind doch subjektive und durch nichts zu bestätigende Momentaufnahmen! Sie helfen nicht weiter. Denn wir haben bisher keine Rezession, und ob sie kommenden wird, ist noch immer unklar – selbst in den USA. Allenfalls sind die Warnungen vor einer Rezession in den Kursen schon berücksichtigt. Mit anderen Worten: Sollten sich die konjunkturellen Fakten in den kommenden Wochen und Monaten tatsächlich stark verschlechtern, dann werden die Märkte von immer schlimmer klingenden Nachrichten förmlich überflutet – und das würde den Dax kalt lassen? Ganz abgesehen davon, dass von den beiden anderen, noch wichtigeren Themen – Banken und Staatsverschuldung – nach wie vor große Gefahren für die Börse ausgehen.

Schauen wir erst einmal auf die neue Woche, denn der Aktienmarkt hat zahlreiche Neuigkeiten zu verarbeiten. Nach dem positiven Verlauf der Vorwoche und den Hoffnungen, von den großen US-Konzernen dürften ebenso eher positive Meldungen kommen wie von der angekündigten Weichenstellung der europäischen Politik, scharren die Bullen wieder mit den Hufen. Kann sich tatsächlich auf beiden Seiten des Atlantiks schönes Hochdruckwetter durchsetzen? Zu schön, um wahr zu werden.

Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr

Hermann Kutzer


P.S.: Im zweimal wöchentlich erscheinenden Newsletter „Kutzers Bauchgefühl” erhalten Sie einen Überblick über die aktuelle Lage und die daraus resultierenden Chancen an den Kapitalmärkten. Hier geht´s zur kostenlosen Anmeldung!



Er will seine Erfahrung einbringen, und davon hat er jede Menge: Hermann Kutzer gilt als der dienstälteste journalistische „Börsendino“ in Deutschland. Schon seit 1969 beobachtet der bekennende...

Unsere Mission