Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
die Chancen stehen 50 : 50 – oder so ähnlich. Beide Seiten haben plausible Argumente. Deshalb bleiben die Headlines in der Medien gegensätzlich, die Kommentare der Beobachter widersprüchlich. Zwei Beispiele vom Mittwochabend: Reuters meldet „Sondervertrag für Euro-Zone immer wahrscheinlicher“. Und direkt daneben heißt es, Deutschland und Frankreich seien unmittelbar vor dem Gipfel noch uneinig über die künftige Ausgestaltung des Euro-Rettungsmechanismus ESM. An anderen Stellen hebt die Wirtschaftspresse basierend auf Äußerungen der Politiker hervor, dass die Verhandlungen der Euro-Länder extrem schwierig verlaufen dürften.
Der deutsche Aktienmarkt ist zwar bis zuletzt volatil geblieben mit mehrfachen Richtungsänderungen auch im Tagesverlauf. Bemerkenswert ist dabei aber vor allem seine Widerstandskraft in Schwächephasen: Stärkere Rücksetzer, die man als Folge von Gewinnmitnahmen nach der Rekordwoche hätte erwarten können, gab es nicht – im Gegenteil, rasch kam es immer wieder zu Rückkäufen. Ich bleibe dabei: Zwei Faktoren treffen aufeinander. Einerseits wachsen die Hoffnungen fast stündlich, dass der Gipfel konkrete Ergebnisse liefern wird. Andererseits zwingt der Kalender die institutionellen Investoren zunehmend zu Engagements, um ihre 2011er Performance noch aufzupolieren.
Offensichtlich ist ein großer Teil der Profis von einem positiven Gipfel-Resultat überzeugt, wie eine typische Stimme beschreibt: „Wir vermuten, dass die Großanleger nun mehrheitlich auf ein Ende der Euro-Krise setzen. Das Ende, das Offizielle schon einige Male versprochen hatten. Diesmal aber ist der Druck auf EU-Politiker besonders hoch, ein handfestes Ergebnis zu erzielen. Wer von ihnen will schon die Feiertage auf einem weiteren Krisengipfel verbringen? Wer will sich nach den jüngsten Versprechen auf eine nachhaltige Krisenlösung sagen lassen, er hätte nicht alles versucht? Und wer will am Ende als Versager dastehen, wenn die Eurozone oder der Euro selbst tatsächlich auseinanderbrechen würden?“
Der Stimmungsindikator der Frankfurter Börse ist dementsprechend in den vergangenen Tagen nochmals zugunsten der „Bullen“ leicht gestiegen. Doch teile ich die Meinung der Cognitrend-Analysten: „Die Zuversicht der Aktieninvestoren könnte jedoch eine sehr kurze Halbwertszeit haben, denn es ist nur ein Optimismus, der auf die nächsten Tage zielt und nicht auf das neue Jahr. Dem Dax sollte dies aber trotzdem nicht daran hindern, noch im alten Jahr ein neues Korrekturhoch zu markieren.“
Einen interessanten Ansatz haben jetzt die Strategen des Frankfurter Privatbankhauses Metzler beschrieben: Aktien etablieren sich immer mehr als neuer „Safe Haven“. Begründung: Da viele Staatsanleihen inzwischen ihren Status als sicherer Hafen verloren haben, gilt es allein schon aus Risikoerwägungen, den Blick auf Investmentalternativen zu richten. Zu solchen Alternativen werden vor allem ausgewählte Unternehmensanleihen und Aktien gezählt, die gemessen an den gegenwärtigen Renditen und Risikoprämien für Staatsanleihen attraktiv bewertet sind. Im derzeitigen Krisenumfeld sollten Anleger Aktien von Unternehmen mit breiter internationaler Diversifizierung, soliden Bilanzrelationen und nachhaltigem strukturellem Wachstum wieder stärker ins Visier nehmen. Das gelte umso mehr, sagen die Metzler-Experten, als sie vielfach attraktive Rendite-Risiko-Profile bieten und die Kurse vieler Wachstumstitel in Europa seit August ungerechtfertigt deutlich gefallen sind. Insgesamt werden gerade europäischen Aktien gute Chancen auf mittelfristige Kurssteigerungen attestiert: Dafür sprechen nicht nur der Bewertungsabschlag von derzeit 25 % gegenüber dem langfristigen Mittelwert, sondern auch deutlich über der Rendite langfristiger Bundesanleihen liegende Dividendenrenditen.
Frisch auf den Schreibtisch flattern mir soeben folgende Zahlen: Die Anbieter von Zertifikaten rechnen für das Jahr 2012 mit einem starken Sicherheitsbedürfnis der Anleger. Das ist ein Ergebnis der jährlichen Umfrage, die der Deutsche Derivate Verband (DDV) bei insgesamt 24 Emittenten durchgeführt hat, die zusammen 98 Prozent des Marktes für strukturierte Wertpapiere repräsentieren. Drei Viertel der Emittenten gehen davon aus, dass Produkte mit vollständigem Kapitalschutz wie Strukturierte Anleihen und Kapitalschutz-Zertifikate die gefragtesten Produkte sein werden. 17 Prozent erwarten hingegen eine verstärkte Nachfrage nach Aktienanleihen, während jeweils 4 Prozent der Emittenten glauben, dass Bonus- oder Express-Zertifikate zu den beliebtesten Produktkategorien zählen werden.
Also: Wenn Sie (mit)spielen wollen, tun Sie es nur mit einem kleinen Teil des verfügbaren Anlagekapitals! Das bleibt mein Rat. Es muss und es wird etwas passieren auf dem Euro-Rettungsgipfel – diesmal ja! Als Optimist neige ich zur Hoffnung, dass die von den Notenbanken bereits angestachelten Märkte anschließend erleichtert aufatmen können, weil sich die Politiker doch zusammengerauft haben. Wie es dann weitergehen könnte, diskutieren wir in der nächsten Woche. Eines vorab: Sollten Dax & Co. tatsächlich den Impuls für einen stärkeren Aufschwung bis Weihnachten erhalten, muss das nicht gut für 2012 sein – worauf sollte die Fantasie ab Januar beruhen, wenn die Kurse der Realität jetzt schon (zu) weit vorauseilen?
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
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