Große Koalition und deutsche Aktien

Montag, 07.11.05 14:48
Sehr geehrte Privatanleger,

im 3Sat-Börsenspiel habe ich einmal angemerkt, dass eine Große Koalition nicht unbedingt zur Lösung der Probleme unseres Landes beitragen wird, sondern sehr schnell in eine Große Koalition der Politik gegen die Wirtschaft und den Rest des Landes ausarten könnte. Dies scheint nun zu geschehen.

Angela Merkel hatte die wichtigen Punkte ihres Reformprogramms – die weitere Reform des Arbeitsmarktes und des Steuersystems – im Prinzip schon vor dem Eintritt in Koalitionsverhandlungen ihrem Machtstreben geopfert. Stattdessen soll gespart werden. Ohne Wachstumsimpulse durch Entbürokratisierung belastet der Sparkurs unser Land noch mehr. Wenn wir jetzt sparen, ohne die Bedingungen für Wachstum zu schaffen, sparen wir uns kaputt. Sparen ist durchaus sinnvoll, aber die Reihenfolge der Maßnahmen stimmt nicht.

Meine sehr verehrten bayerischen Leserinnen und Leser, bitte verzeihen Sie mir meine nun folgende persönliche Beobachtung. Ich weiß, dass wir viele Freunde in Bayern haben. Stoiber bleibt nun also in München. Vielleicht ist es auch besser so. Bayern steht unter Stoiber wirtschaftlich glänzend da. Aber letztlich ist Stoiber aus meiner Sicht ein empfindlicher Schönwetterpolitiker, der in gute Umstände „hineingeboren“ wurde und der den Widrigkeiten harter Reformen nicht gewachsen ist.

Auch die SPD schien sich einmal mehr in Selbstzerfleischung zu üben. Der programmatische Linksruck könnte nach dem Verzicht von Andrea Nahles auf das Amt der Generalsekretärin ausbleiben. Mit dem neuen Parteivorsitzenden Matthias Platzeck kommt zumindest ein Pragmatiker der neuen Generation an die Spitze. In der möglichen Zusammenarbeit der Pragmatiker Merkel und Platzeck liegt auch einer der wenigen Lichtblicke in der jetzigen Gemengelage begründet. Wir haben einfach zu viele Politiker in Deutschland. Wir haben zu viele Länder. Wir haben zu große und zu gut bezahlte Parlamente. Wir haben zu viele Minister und Beamte. Die politische Klasse, die sich von öffentlichen Gelder ernährt, liegt wie eine lähmende Schicht auf allem, was sich in Deutschland bewegen könnte.

Dennoch bleibe ich bis auf weiteres optimistisch für deutsche und europäische Aktien gestimmt. Viele Werte sind keinesfalls teuer und bewegen sich um KGVs von 10-12. Aus dem DAX sind immer noch die Allianz, die Deutsche Bank, die BASF, die Metro, Schering, Altana, TUI, E.ON, die MAN und vielleicht sogar die Autowerte interessant.

Selbst, wenn Deutschland weiter in Reformunfähigkeit verharrt, haben sich die deutschen Großunternehmen und auch viele Mittelständler von der Politik weitgehend unabhängig gemacht. Die Börsenbewertungen der Großunternehmen sind in vielen Fällen noch wesentlich geringer als die Bewertungen vergleichbarer amerikanischer Unternehmen. Ernsthaft zurückwerfen könnte die Aktienkurse nur eine sich insgesamt stark verschlechternde Weltwirtschaft.

In Europa sind immer noch viele Großunternehmen billig und werfen glänzende Dividendenrenditen ab. Im Bankensektor sind die HSBC, die Banco Santander, die Unicredito, die ABN Amro und die ING Groep sicherlich interessante Investments. Wenn Sie wie wir davon überzeugt sind, dass Öl- und Energie ein Langfristtrend ist, bieten sich BP plc., Statoil, MOL, TotalFina oder sogar Gazprom an.

Auf gute Investments,

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...

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