Growth und Value

Freitag, 05.08.05 14:30
Sehr geehrte Privatanleger,

ich komme noch einmal auf das Thema „Growth und Value“ zurück. Von vielen Anlegern werden diese Strategien immer noch als Widerspruch angesehen. „Value“ sind nach dieser Auffassung „billige“ Unternehmen, zum Beispiel gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis oder am Kurs-Buchwert-Verhältnis. „Growth“ sind eben „teure“ Unternehmen.
In dieser einfachen Form ist dies falsch. Wenn ich ein Unternehmen, welches in den nächsten 10 Jahren sicher mit 20% p. a. wächst, für ein KGV von 20 einkaufen kann, ist das ein besserer Value-Deal, als wenn ich ein Unternehmen, das nicht wächst, für ein KGV von 12 einkaufe. Das Problem liegt darin, dass man als Aktienanleger konservativ denken sollte, um Verluste zu begrenzen, und dass sich Wachstumsraten der Zukunft nur sehr schwer schätzen lassen.

Auf der Value-Konferenz der Bayerischen Landesbank am 26. und 27. Juli in Müchen, trug mein Kollege Prof. Dr. Thorsten Hens von der Universität Zürich zum Thema „Evolutionary Finance“ vor. Die Grundidee: welche Anlagestrategie setzt sich durch, wenn verschiedene Strategien in Wettstreit treten? Hens hat das Thema in mehreren hochtheoretischen Aufsätzen behandelt. Vor seiner Arbeit habe ich großen Respekt, wenngleich ich mich persönlich lieber auf die Analyse konkreter Aktien und Branchen konzentriere – das macht ja leider kaum ein Kollege.

Das Ergebnis der Arbeiten von Prof. Hens ist so einleuchtend wie verblüffend: Value-Strategien sind die einzigen evolutionär stabilen Strategien. Wenn alle Teilnehmer am Markt sich an Value-Strategien orientieren, gibt es für keinen einzigen Teilnehmer einen Anreiz, andere Strategien zu fahren. Letztlich ist das logisch: der Wert einer Aktie bestimmt sich langfristig IMMER nach dem Inneren Wert dieses Unternehmens, also kann auch nur eine Strategie der Inneren Werte richtig sein.

Allerdings: ist der Markt gespalten und „spielt“ ein großer Teil der Anleger „Growth“, dann schlägt für einen gewissen Zeitraum die Growth-Strategie die Value-Strategie, bis der Markt zusammenbricht. Auch dieses Phänomen konnten wir von 1996-2000 beobachten: viele ungeduldige Anleger zogen Gelder von Value-Fonds ab, weil sie in Technologie- und Wachstumsaktien investieren wollten.

Ein solcher Markt ist das letztlich der klassische Momentum-Markt: immer mehr zittriges Geld fließt in den Markt und treibt die Kurse hoch, bis die ersten abspringen und sich der Trend dann umkehrt. Auch heute stehen wir an der Grenze zu einem Momentum-Markt. Noch sind die meisten Werte fair bewertet (wenngleich gerade Wachstumsunternehmen aufgrund der niedrigen Zinsen schon sehr teuer sind). Wir beobachten aber, dass viele Anleger, die dem Markt von 2002-2004 den Rücken gekehrt haben, nun zurückkehren. Das ist kein gutes Zeichen!

Allerdings kann weder ich noch ein anderer seriöser Analyst Ihnen sagen, ob es einen Momentum-Markt geben wird und wie lange die Phase anhalten wird, in welcher die Growth- bzw. Momentum-Strategie dominieren könnte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird dies nicht so lange wie vor dem Jahr 2000 dauern. Bei deutschen Großunternehmen ist mittelfristig auch noch weiteres fundamentales Wertsteigerungspotential drin: deutsche Großunternehmen haben meistens noch bei weitem nicht die Umsatz- und Eigenkapitalrenditen wie ihre amerikanischen Gegenparts. Durch die Globalisierung könnten diese Unternehmen noch einige Jahre zu den Gewinnern gehören.

Bei den deutschen Mid-Caps, die wir noch vor einem Jahr empfohlen haben, sind die Preise mittlerweile doch sehr saftig: Techem hat sich im Lauf eines Jahres fast verdoppelt, CTS Eventim ist um das 2,6fache gestiegen und Hans Einhell hat sich ebenfalls verdoppelt.

Die KGVs von ca. 10 (Hans Einhell), 20 (Techem) und 40 (CTS Eventim) geben die Qualität der einzelnen Franchises und Potentiale in etwa wieder. Schiefgehen darf aber bei der weiteren Entwicklung nichts. Value-Investoren bevorzugen auf jeden Fall eine Sicherheitsmarge und lassen sich nicht von der aufkommenden Euphorie hinreißen.

Erfolgreiche Investments wünscht Ihnen

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

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