Interview mit Dr. Eric Drexler, dem „Vater der Nanotechnologie“

Montag, 04.04.05 09:03

Dr. Eric Drexler gilt als Prophet und Vater der Nanotechnologie. Mit seinem Buch „Engines of Creation“ stellte er 1986 die Möglichkeiten der Nanotechnologie zum ersten Mal einer breiteren Weltöffentlichkeit vor. Sein Foresight Institute (www.foresight.org) beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Nanotechnologie. Seit einigen Jahren ist Nanotech auch zu einem Thema für die Börse geworden. Zu Recht? Im Gespräch mit Max Otte äußert sich Eric Drexler exklusiv.

DER PRIVATINVESTOR: Dr. Drexler, als Sie 1986 “Engines of Creation” schrieben, haben Sie im Alleingang Nanotechnologie zum Thema für die breite Öffentlichkeit gemacht. Ist es wirklich legitim, über „Nanotechnologie“ zu schreiben?

Eric Drexler: Obwohl der Begriff “Nanotechnologie” nun sehr breit verwendet wird, habe ich ihn in den achtziger Jahren eingeführt, um einer Vision Ausdruck zu verleihen, die zuerst von Richard Feynmann in seiner historischen Rede “There’s Plenty of Room at the Bottom“ beschrieben wurde. In Feynmanns Vision gibt es molekulare Maschinen oder Nanomaschinen, die fähig sind, Produkte herzustellen, die bis zur Ebene des einzelnen Atoms präzise gebaut sind.

Inspiriert von lebenden Zellen, zeigt diese Vision eine große Anzahl von Anwendungen mit nie dagewesenen Möglichkeiten und damit einhergehenden Gefahren und Chancen. Ich habe diese Zukunftstechnologien für die Öffentlichkeit in meinem Buch “Engines of Creation” aus dem Jahr 1986 beschrieben und habe später in meinem Buch „Nanosystems: Molecular Machinery, and Computation“ die technischen Details genauer erklärt. In diesen Arbeiten erkläre ich die Feynman-Vision von Nanomaschinen, die atomar präzise Produkte bauen können, wie zum Beispiel eine Nanofabrik, die auf den Schreibtisch passt. Manchmal wird dieser Prozess molekulare Herstellung („molecular manufacturing“) genannt. Das bezieht sich auf einen zukünftigen Produktionsprozess, der mit viel größerer Effizienz und Produktivität abläuft als jeder derzeitige Produktionsprozess. Es wird in der Tat eine Revolution werden und die Wirtschaft, Medizin und Sicherheitstechnik enorm verändern.

In Forschungslaboratorien auf der ganzen Welt, aber speziell in den Vereinigten Staaten, nutzt man den Begriff “Nanotechnologie” derzeit breitet, um Materialien oder Produkte zu bezeichnen, die Partikel oder Teile auf der Nanomenter-Skala beinhalten (normalerweise 100 Nanometer oder weniger). Viele wertvolle Forschungsprojekt, die das Wort „Nanotechnologie benutzen“ werden derzeit betrieben, um neue Produkte und Werkzeuge zu schaffen, die uns der Vision von Nanomaschinen näherbringen. Leider kann der Begriff aufgrund seiner breiten Verwendung auch zu Verwirrung führen.

Die neue Bedeutung des Begriffs Nanotechnologie ist so breit, dass Sie fast nutzlos ist. Der Venture-Kapitalist Steve Jurvetson (der sich auf die Zentimetertechnologie bezog), macht es ungefähr so viel Sinn, über die “Nanotechnologie”-Branche zu sprechen, als wenn man über die “Centitechnologie”-Branche sprechen würde, die dann alle Produkte beihalten würde, die weniger als ein Meter groß sind. Wenn die Mikrotechnologie nur durch die Größe definiert würde, würde Sie Zementpulver, Textfaser und Farben enthalten. Das ist nicht sehr nützlich, weil es nichts mit Mikroelektronik oder Mikromaschinen zu tun hat. Dennoch werden auch Pulver, Fasern und Farben heute als “Nanotechnologie” bezeichnet. Das macht wenig Sinn und vieles davon hat nichts mit produktiven Nanomaschinen zu tun. DER PRIVATINVESTOR: Was sind die wichtigsten Vorkommnisse und Meilensteine seit der ersten Publikation Ihres Buches?

Eric Drexler: Seit meinen frühen Arbeiten, hat die Forschung Fortschritte gemacht, insbesondere, wenn es darum geht Atome zu kontrollieren und präzise atomare Strukturen zu bauen. Ein großer Fortschritt war das Raster-Tunnelmikroskop (STM), das von Forschern in IBMs Laboratorien in Zürich entwickelt wurde. Einige Jahre später hat der IBM-Forscher Don Eigler dann zum ersten Mal atome digital kontrolliert, in dem er mit 35 Xenom-Atomen den Schriftzug „IBM“ auf eine Nickelkristalloberfläche schrieb.

In anderen Bereichen haben wir Fortschritte bei der Schaffung neuartiger Strukturen gesehen, die ich zum ersten Mal in meinem Referat für National Akademie der Wissenschaften 1981 beschrieben habe – dem Feld der Protein-Egineering. Ein anderer Bereich ist der kontinuierliche Anstieg der Rechenleistung von Computern. Fortgeschrittene Rechenkraft hat ebenso eine vitale Rolle bei der Entwicklung dem Testen atomar präziser Nanostrukturen gespielt, zum Beispiel bei „de-novo-Proteinen“.

Dennoch bin ich überrascht, dass die öffentliche Diskussion über diese Zukunftstechnologien nur recht langsam vorankommt. Insbesondere die Politiker beschäftigen sich kaum mit den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser revolutionären Technologien. Die Verwirrung durch die Neudefinition des Begriffs „Nanotechnologie“ hat eine große Grauzone geschaffen. Investoren denken nun, dass Unternehmen, die zum Beispiel Pulver mit sehr kleinen Körnergrößen herstellen, Teil einer industriellen Revolution sind. Stattdessen sind diese Unternehmen Teil der normalen industriellen Evolution und machen wertvolle, aber inkrementelle Beiträge in der Materialwirtschaft.

DER PRIVATINVESTOR: Glauben Sie, dass es stimmt, dass Nanotechnologie eher für die großen, etablierten Unternehmen als für Startups ein Thema ist?

Eric Drexler: Ich erwarte, dass sich die Werkzeuge und Techniken in den nächsten Jahren rapide verbessern werden. Die wachsende Rechenleistung der Computer wird dazu wesentlich beitragen. Letztlich wird die Entwicklung von fortgeschrittenen Nanomaschinen eine Ingenieursaufgabe sein, die eine breite Anstrengung erfordern wird, um alle Einzelleistungen in eine kohärentes System zu bringen. Daher werden die großen Unternehmen und Allianzen tatsächlich im Vorteil sein.

DER PRIVATINVESTOR: Oftmals sind große Erfindungen nicht automatisch große kommerzielle Erfolge. Häufiger sind es die trivialen Prozessinnovationen, die das Geschäftsleben revolutionieren. Die ersten Computerunternehmen hatten keinen Erfolg, erst IBM und später Apple und Microsoft haben den Computer etabliert. Wo sehen Sie Nanotech-Bereiche, die vor dem kommerziellen Durchbruch stehen? War der Hype an der Wall Street eher hilfreich oder schädlich? Welche Bereich sind für Investoren am interessantesten?

Eric Drexler: Wie ich schon sagte, gibt es viel Verwirrung um den Begriff Nanotechnologie. Wenn Investoren revolutionäre Ergebnisse wie in meinen Buch „Engines of Creation“ beschrieben erwarten, trägt dies zweifelsohne zur Überbewertung von Unternehmen bei, die sich lediglich mit Nanopartikeln und Nanomaterialien beschäftigen.

Investoren, die sich wirklich auf Nanotechnologie konzentrieren wollen, sollten nach Technologien Ausschau halten, die atomare Präzision beinhalten. Ein Bereich ist die das Desgin und die Modellierung von molekularen Systemen durch Computer. Der andere Bereich ist ziemlich vielschichtig. Er beinhalten protein und verwandte Formen des molekularen Engineering und ebenfalls einige Arbeiten mit kleinen Partikeln und dünnen Fasern.

Das Hauptkriterium ist die molekulare Präzision. Wenn Forscher Bilder ihrer Produkte erstellen können, die zeigen, wo alle Atome sind, und wenn alle Strukturen, die sie herstellen, dieselben atomaren Muster aufweisen, dann könnte ihr Produkt eine Rolle bei den molekularen Maschinen der produktiven Nanosysteme der frühen Generation spielen.

DER PRIVATINVESTOR: Dr. Drexler, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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