Dr. Eric Drexler gilt als Prophet und Vater der Nanotechnologie. Mit seinem
Buch „Engines of Creation“ stellte er 1986 die Möglichkeiten der
Nanotechnologie zum ersten Mal einer breiteren Weltöffentlichkeit vor. Sein
Foresight Institute (www.foresight.org) beschäftigt sich mit den
Auswirkungen der Nanotechnologie. Seit einigen Jahren ist Nanotech auch zu
einem Thema für die Börse geworden. Zu Recht? Im Gespräch mit Max Otte
äußert sich Eric Drexler exklusiv.
DER PRIVATINVESTOR: Dr. Drexler, als Sie 1986 “Engines of Creation”
schrieben, haben Sie im Alleingang Nanotechnologie zum Thema für die breite
Öffentlichkeit gemacht. Ist es wirklich legitim, über „Nanotechnologie“ zu
schreiben?
Eric Drexler: Obwohl der Begriff “Nanotechnologie” nun sehr breit verwendet
wird, habe ich ihn in den achtziger Jahren eingeführt, um einer Vision
Ausdruck zu verleihen, die zuerst von Richard Feynmann in seiner
historischen Rede “There’s Plenty of Room at the Bottom“ beschrieben wurde.
In Feynmanns Vision gibt es molekulare Maschinen oder Nanomaschinen, die
fähig sind, Produkte herzustellen, die bis zur Ebene des einzelnen Atoms
präzise gebaut sind.
Inspiriert von lebenden Zellen, zeigt diese Vision eine große Anzahl von
Anwendungen mit nie dagewesenen Möglichkeiten und damit einhergehenden
Gefahren und Chancen.
Ich habe diese Zukunftstechnologien für die Öffentlichkeit in meinem Buch
“Engines of Creation” aus dem Jahr 1986 beschrieben und habe später in
meinem Buch „Nanosystems: Molecular Machinery, and Computation“ die
technischen Details genauer erklärt.
In diesen Arbeiten erkläre ich die Feynman-Vision von Nanomaschinen, die
atomar präzise Produkte bauen können, wie zum Beispiel eine Nanofabrik, die
auf den Schreibtisch passt. Manchmal wird dieser Prozess molekulare
Herstellung („molecular manufacturing“) genannt. Das bezieht sich auf einen
zukünftigen Produktionsprozess, der mit viel größerer Effizienz und
Produktivität abläuft als jeder derzeitige Produktionsprozess. Es wird in
der Tat eine Revolution werden und die Wirtschaft, Medizin und
Sicherheitstechnik enorm verändern.
In Forschungslaboratorien auf der ganzen Welt, aber speziell in den
Vereinigten Staaten, nutzt man den Begriff “Nanotechnologie” derzeit
breitet, um Materialien oder Produkte zu bezeichnen, die Partikel oder Teile
auf der Nanomenter-Skala beinhalten (normalerweise 100 Nanometer oder
weniger). Viele wertvolle Forschungsprojekt, die das Wort „Nanotechnologie
benutzen“ werden derzeit betrieben, um neue Produkte und Werkzeuge zu
schaffen, die uns der Vision von Nanomaschinen näherbringen. Leider kann der
Begriff aufgrund seiner breiten Verwendung auch zu Verwirrung führen.
Die neue Bedeutung des Begriffs Nanotechnologie ist so breit, dass Sie fast
nutzlos ist. Der Venture-Kapitalist Steve Jurvetson (der sich auf die
Zentimetertechnologie bezog), macht es ungefähr so viel Sinn, über die
“Nanotechnologie”-Branche zu sprechen, als wenn man über die
“Centitechnologie”-Branche sprechen würde, die dann alle Produkte beihalten
würde, die weniger als ein Meter groß sind. Wenn die Mikrotechnologie nur
durch die Größe definiert würde, würde Sie Zementpulver, Textfaser und
Farben enthalten. Das ist nicht sehr nützlich, weil es nichts mit
Mikroelektronik oder Mikromaschinen zu tun hat. Dennoch werden auch Pulver,
Fasern und Farben heute als “Nanotechnologie” bezeichnet. Das macht wenig
Sinn und vieles davon hat nichts mit produktiven Nanomaschinen zu tun.
DER PRIVATINVESTOR: Was sind die wichtigsten Vorkommnisse und Meilensteine
seit der ersten Publikation Ihres Buches?
Eric Drexler: Seit meinen frühen Arbeiten, hat die Forschung Fortschritte
gemacht, insbesondere, wenn es darum geht Atome zu kontrollieren und präzise
atomare Strukturen zu bauen. Ein großer Fortschritt war das
Raster-Tunnelmikroskop (STM), das von Forschern in IBMs Laboratorien in
Zürich entwickelt wurde. Einige Jahre später hat der IBM-Forscher Don Eigler
dann zum ersten Mal atome digital kontrolliert, in dem er mit 35
Xenom-Atomen den Schriftzug „IBM“ auf eine Nickelkristalloberfläche schrieb.
In anderen Bereichen haben wir Fortschritte bei der Schaffung neuartiger
Strukturen gesehen, die ich zum ersten Mal in meinem Referat für National
Akademie der Wissenschaften 1981 beschrieben habe – dem Feld der
Protein-Egineering. Ein anderer Bereich ist der kontinuierliche Anstieg der
Rechenleistung von Computern. Fortgeschrittene Rechenkraft hat ebenso eine
vitale Rolle bei der Entwicklung dem Testen atomar präziser Nanostrukturen
gespielt, zum Beispiel bei „de-novo-Proteinen“.
Dennoch bin ich überrascht, dass die öffentliche Diskussion über diese
Zukunftstechnologien nur recht langsam vorankommt. Insbesondere die
Politiker beschäftigen sich kaum mit den gesellschaftlichen Auswirkungen
dieser revolutionären Technologien. Die Verwirrung durch die Neudefinition
des Begriffs „Nanotechnologie“ hat eine große Grauzone geschaffen.
Investoren denken nun, dass Unternehmen, die zum Beispiel Pulver mit sehr
kleinen Körnergrößen herstellen, Teil einer industriellen Revolution sind.
Stattdessen sind diese Unternehmen Teil der normalen industriellen Evolution
und machen wertvolle, aber inkrementelle Beiträge in der Materialwirtschaft.
DER PRIVATINVESTOR: Glauben Sie, dass es stimmt, dass Nanotechnologie eher
für die großen, etablierten Unternehmen als für Startups ein Thema ist?
Eric Drexler: Ich erwarte, dass sich die Werkzeuge und Techniken in den
nächsten Jahren rapide verbessern werden. Die wachsende Rechenleistung der
Computer wird dazu wesentlich beitragen. Letztlich wird die Entwicklung von
fortgeschrittenen Nanomaschinen eine Ingenieursaufgabe sein, die eine breite
Anstrengung erfordern wird, um alle Einzelleistungen in eine kohärentes
System zu bringen. Daher werden die großen Unternehmen und Allianzen
tatsächlich im Vorteil sein.
DER PRIVATINVESTOR: Oftmals sind große Erfindungen nicht automatisch große
kommerzielle Erfolge. Häufiger sind es die trivialen Prozessinnovationen,
die das Geschäftsleben revolutionieren. Die ersten Computerunternehmen
hatten keinen Erfolg, erst IBM und später Apple und Microsoft haben den
Computer etabliert. Wo sehen Sie Nanotech-Bereiche, die vor dem
kommerziellen Durchbruch stehen? War der Hype an der Wall Street eher
hilfreich oder schädlich? Welche Bereich sind für Investoren am
interessantesten?
Eric Drexler: Wie ich schon sagte, gibt es viel Verwirrung um den Begriff
Nanotechnologie. Wenn Investoren revolutionäre Ergebnisse wie in meinen Buch
„Engines of Creation“ beschrieben erwarten, trägt dies zweifelsohne zur
Überbewertung von Unternehmen bei, die sich lediglich mit Nanopartikeln und
Nanomaterialien beschäftigen.
Investoren, die sich wirklich auf Nanotechnologie konzentrieren wollen,
sollten nach Technologien Ausschau halten, die atomare Präzision beinhalten.
Ein Bereich ist die das Desgin und die Modellierung von molekularen Systemen
durch Computer. Der andere Bereich ist ziemlich vielschichtig. Er beinhalten
protein und verwandte Formen des molekularen Engineering und ebenfalls
einige Arbeiten mit kleinen Partikeln und dünnen Fasern.
Das Hauptkriterium ist die molekulare Präzision. Wenn Forscher Bilder ihrer
Produkte erstellen können, die zeigen, wo alle Atome sind, und wenn alle
Strukturen, die sie herstellen, dieselben atomaren Muster aufweisen, dann
könnte ihr Produkt eine Rolle bei den molekularen Maschinen der produktiven
Nanosysteme der frühen Generation spielen.
DER PRIVATINVESTOR: Dr. Drexler, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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