Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
jetzt haben wir den Salat. Es sollte etwas passieren, etwas Wichtiges – ist es auch. Aber alle – insbesondere die Akteure an den Finanzmärkten – hofften auf mehr Konkretes, Greifbares, auf Vertrauen bildende Beschlüsse, auf kraftvolle, klare Maßnahmen zur Rettung des Euros und der Währungsverbunds. Was Merkel und Sarkozy durchsetzen konnten, hat mehrheitlich ein positives Echo gefunden. Allerdings um den Preis, dass Europa eine tiefere Spaltung droht. Aus Börsensicht geht es aber weniger um die Isolierung Großbritanniens. Der Gipfel hat nicht erreichen können, überzeugenden Konsens für die Überwindung der akuten Krise herzustellen. Deshalb ist zunächst einmal die unsichere Grundstimmung geblieben, was auch in zahlreichen politischen Kommentaren vom Wochenende zum Ausdruck kam. Typisch die Formulierung in der Sonntagspresse: „Der nächste Krisengipfel kommt bestimmt.“
Ich habe versucht, mit einer Strichliste herauszufinden, wie Politiker und Repräsentanten der Wirtschaft die Gipfelbeschlüsse spontan empfanden. Den Versuch konnte ich schon im ersten Zeitungsstapel bzw. unter Berücksichtigung einiger Internet-Seiten abbrechen: Aufatmen, Erleichterung, Zustimmung – die Politiker sind ihrer Verantwortung gerecht geworden – endlich. Europa ist auf einem besseren Kurs als zuvor. Aber es fehlen die kurzfristig entspannenden Maßnahmen, und es gibt noch zu viele Fragezeichen – ganz abgesehen von den denkbaren Folgen der britischen Mit-uns-nicht-Haltung für ganz Europa. Viele Experten und Marktteilnehmer hätten sich eine stärkere Einbeziehung der Notenbanken gewünscht. Der politische Widerstand war und ist hier aber zu groß. Die Krise ist längst noch nicht bewältigt.
Bundesfinanzminister Schäuble sieht jetzt zwar gute Chancen, die Schuldenkrise zu bewältigen. Seine Zuversicht kann aber nicht überraschen, wenn er in einem Gastbeitrag für das Magazin „Focus“ schreibt, er sei sicher, dass mit den vereinbarten, weitreichenden Maßnahmen zur institutionellen Reform der Europäischen Währungsunion die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen sei. Wenn die Europäer es schafften, gemeinsam zu handeln, könne die Globalisierung in ihrem Sinne beeinflusst werden und so auch gemeinsame, verbindende Werte verteidigt werden. "Leider kommt dieser überragende Aspekt – der Euro als Ausprägung der europäischen Integration – in den täglich Diskussionen über Rettungsschirme, Renditen und Ratings oftmals zu kurz." Auch Bundesbank-Präsident Weidmann lobt in einem Interview: „Ich sehe Fortschritte.“ Er bekräftigt aber bei dieser Gelegenheit, dass die Lösung der Krise eine Aufgabe der Regierungen sei, nicht der Geldpolitik: „Eine Finanzierung von Staatsschulden über die Notenpresse ist und bleibt vertraglich verboten.“
Wie gut oder unzureichend der Fiskalpakt – aus dem ja eine Fiskalunion hervorgehen soll – auch sein mag: Fürs erste ist das Euro-Krisenthema von den Titelseiten verschwunden oder zumindest tiefer gerutscht. Die Verbraucher mögen dies honorieren, denn es gibt nun wirklich keinen Anlass, auf ein Ende des Euros zu setzen. Nur: Das kann sich täglich ändern!
Für die Kapitalanleger bleiben Fragezeichen: Kehrt jetzt Ruhe in die europäische Bankenlandschaft ein? Wohin fließt die Liquidität? Bleibt eine schädliche Inflation aus? Sind die Rezessionsgefahren abgewendet? Es würde mich nicht wundern, wenn die kommenden Wochen und Monate bei aller Unsicherheit weniger dramatisch und weniger volatil als die hinter und liegenden verlaufen würden. Relative Ruhe dürfte an der Zinsfront einkehren. Ich hege dennoch Zweifel, dass wir noch in den letzten Tagen des alten Jahres klare Trends am Aktienmarkt erkennen werden. Das lässt Zeit für die Auswahl sinnvoller Weihnachtsgeschenke – zum Beispiel langfristige Aktien-Sparpläne für Kinder und Enkel, Gold in physischer Form für die Älteren.
Machen Sie weiter mit – und machen Sie’s gut!
Ihr
Hermann Kutzer
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