PRIVATINVESTOR-Interview mit Eckhard Spoerr, CEO der freenet.de AG

Freitag, 16.09.05 14:07
Eckhard Spoerr, Jahrgang 1968, ist CEO der freenet.de AG und seit September dieses Jahres auch Vorstandsvorsitzender der mobilcom AG. Auf der ordentlichen Hauptversammlung vom 25. August 2005 wurde die Verschmelzung der freenet.de AG mit der Muttergesellschaft mobilcom AG zur telunico Holding AG – später mobilcom-freenet - beschlossen. Spoerr wird auch das fusionierte Unternehmen führen.

Im ersten großen Interview seit der Hauptversammlung stand Eckhard Spoerr dem PRIVATINVESTOR Rede und Antwort. Wir wollten wissen, wie Spoerr das Gesamtunternehmen im dynamischen Telekom-Markt positionieren will. Das Gespräch führte Prof. Dr. Max Otte.

Frage: Herr Spoerr, zunächst einmal unseren Glückwunsch, dass Ihnen die Aufsichtsräte von freenet und mobilcom die Führung des Gesamtunternehmens übertragen haben. War es schwierig, die Aufsichtsräte und Großaktionäre davon zu überzeugen, dass Sie der Richtige für den Job sind?

Spoerr:
Das war in der Tat ein langer Prozess. Am Ende des Tages haben sich die Aufsichtsräte der Gesellschaften, auch auf Wunsch von Investoren, für das Management der Tochtergesellschaft freenet entschieden. Sicherlich ist es in der Wirtschaftshistorie ungewöhnlich, dass das Management des Tochterunternehmens nach einer Verschmelzung die Gesamtführung erhält. Aber es ist in unserem Fall nachvollziehbar: freenet schreibt schon jahrelang Erfolgsgeschichte. So ist freenet zwar die Tochter, ist jedoch deutlich ertrags- und wachstumsstärker als mobilcom mit ihrem Geschäftsfeld Mobilfunk, hat mehr Mitarbeiter und ist darüber hinaus auch schon lange am Kapitalmarkt höher bewertet als die Muttergesellschaft mobilcom.

Frage: Mit mobilcom-freenet entsteht neben der Deutschen Telekom der zweite vollintegrierte Telekom- und Internetdienstleister in Deutschland. In den letzten Jahren haben Sie ein rasantes Wachstum erzielt und dabei die Profitabilität des Unternehmens beachtlich gesteigert. Im Vergleich zur Telekom ist Ihr Unternehmen aber trotz der großen Erfolge der letzten Jahre immer noch sehr klein. Wie wollen Sie es schaffen, auf allen Fronten gleichzeitig erfolgreich mit dem einstigen Staatsmonopolisten zu konkurrieren?

Spoerr:
Es ist zwar richtig, dass wir ein sehr ähnliches Produktspektrum haben werden; sich aber mit der Telekom vergleichen zu wollen, erscheint mir etwas vermessen. Die Hauptprodukte von mobilcom-freenet: Internet, Festnetz und Mobilfunk sind für viele Endkunden sowie kleinere und mittelständische Unternehmen eine sehr gute, oft flexiblere und günstigere Alternative zu den Angeboten der Telekom. Gleichzeitig ist die Telekom für uns aber auch ein sehr wichtiger Netzpartner, und ebenso ist T-Mobile im Mobilfunkbereich ein sehr guter und attraktiver Kooperationspartner.

Frage: Besteht durch die neue Struktur nicht die Gefahr, dass das Unternehmen die Fokussierung verliert? Andere Telekom- und Internetanbieter vergleichbarer Größenordnung sind ja zumeist spezieller aufgestellt. Welche Vorteile haben Sie durch Ihre Struktur?

Spoerr:
Wir haben bisher nie die Fokussierung verloren und werden es auch weiterhin nicht. Im Gegenteil: Wir werden zukünftig „alles aus einer Hand“ anbieten und sind so in der Lage, viel fokussierter am Markt zu agieren. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele, wie wir in Zukunft Vertriebssynergien nutzen werden. Erstens: freenet verfügt über umfangreiche Erfahrung im Online- und Direkt-Marketing, welches ein großes Potenzial zur Vermarktung unterschiedlichster Produkte, eben auch von Angeboten aus dem Mobilfunkbereich, birgt. Zweitens: mobilcom verfügt mit über 250 eigenen Shops und weit mehr als 1000 Fachhandelspartnern über einen leistungsstarken stationären Vertrieb. Diese mobilcom-Shops werden es der Marke freenet ermöglichen, eine eigene physische Präsenz aufzubauen: Das wird die Kundengewinnung und Kundenbindung bei erklärungsbedürftigen Produkten wie DSL positiv beeinflussen. Zusätzlich werden wir Produktinnovationen, beispielsweise Anwendungen für das stationäre und mobile Internet, einer deutlich größeren Kundenbasis anbieten können. Das heißt die Entwicklungsaufwendungen amortisieren sich schneller, wir können geringere Preise anbieten, und wir können unsere Marktstellung verbessern.

Frage: Am Festnetz- und DSL-Anbieter Arcor hat freenet bereits Interesse bekundet. Anscheinend denkt die Muttergesellschaft Vodafone derzeit aber nicht an einen Verkauf. Müssen Sie durch Zukäufe wachsen, um nicht Ihrerseits übernommen zu werden?

Spoerr:
Vodafone hat sich in der Öffentlichkeit mehrmals klar geäußert, dass Arcor zur Disposition stehen wird - unklar ist lediglich wann. Wir gehen von einer Konsolidierung am TK-Markt aus, die im Übrigen dringend notwendig ist. Denn bisher hat keiner in Deutschland die kritische Masse, um gegen die Telekom anzutreten. Eine Kombination von freenet und arcor wäre sehr charmant: wir würden dann gemeinsam über einen noch stärkeren Vertrieb und über ein größeres Local Loop-Netz verfügen. Wir stehen Gewehr bei Fuß, wenn dieser Prozess startet, und wir sind in der Lage, einen angemessenen Preis zu zahlen. Aber auch alleine sind wir hervorragend aufgestellt organisches Wachstum zu realisieren. Darüber hinaus würden wir auch konstruktiv prüfen, wenn sich jemand mit Konsolidierungsabsichten an uns wenden würde.

Frage: Im Vorfeld der Hauptversammlung wurde in der Presse spekuliert, dass eine vom Großinvestor geforderte Sonderausschüttung eine Rolle in der Führungsdiskussion gespielt hat. Nun hat sich TPG ausdrücklich hinter Ihre Wachstumsstrategie gestellt, zur Sonderdividende gibt es aber nach wie vor unklare Aussagen. Rein hypothetisch – gibt es Situationen, in denen eine Sonderdividende Sinn machen würde?

Spoerr:
Man darf sich als Führungskraft ohne Grund nie Optionen verbauen, selbstverständlich kann auch eine Sonderausschüttung Sinn machen. Beispielsweise, wenn Akquisitionen nicht realisiert werden, bzw. nicht zu einem vernünftigen Preis realisierbar sind. Dann hätten wir ein TK-Unternehmen mit einem profitablen Wachstum und zirka 300 bis 400 Millionen Euro Cash auf dem Konto – also ein Unternehmen mit einer sehr ineffizienten Kapitalstruktur. Würden wir dann nicht handeln, könnten wir uns vom Kapitalmarkt die Narrenkappe aufsetzen lassen.

Frage: Nachdem die Telefoniemärkte weitgehend verteilt sind, ist derzeit DSL das heiße Thema im Bereich Neukundengewinnung. Hier liegen Sie im Rahmen Ihrer eigenen Planungen, müssen aber im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern noch aufholen. Wie wollen Sie das erreichen?

Spoerr:
freenet liegt – gemessen an den T-DSL Neuanschlüssen – mit 15 - 20 Prozent Marktanteil sehr komfortabel im Rennen um die DSL-Kunden; aber es richtig, dass wir noch mehr Kunden gewinnen wollen. Der Preis wird zunehmend nur noch ein „Hygienefaktor“ sein. Die Differenzierung des eigenen Angebots zum Wettbewerb, beispielsweise durch Angebote wie Internettelefonie o.ä. oder maßgeschneiderte DSL-Angebote für bestimmte Zielgruppen, wird immer mehr an Gewicht gewinnen. Weiter wird die zunehmende Digitalisierung der Medien wie Sprache, Musik, Videos etc. der wesentliche Grund für die verstärkte Nutzung neuer Anwendungen im Internet, die wiederum wegen der zum Teil sehr großen Datenmengen für eine komfortable Nutzung einen Breitbandanschluss voraussetzen. freenet wird bei diesen neuen Entwicklungen mit eigenen Angeboten vorne mit dabei sein.

Frage: Mit dem Strato-Kauf sind Sie auch im großen Umfang ins Hostinggeschäft eingestiegen. Durch den Kauf haben Sie sich auch Synergien bei der Neukundengewinnung und bei der Kundenbindung versprochen. Wie kommen Sie voran?

Spoerr:
STRATO ist Deutschlands zweitgrößter Anbieter von Webhostig-Leistungen und komplett integrierten E-Commerce-Produkten für Privat- und Geschäftskunden - und ist sehr schnell zu einem der wichtigsten Vertriebskanäle für uns geworden. Die Integration mit Strato läuft sehr gut. Beispielsweise startete schon zur diesjährigen CeBIT das Strato-DSL-Angebot - aus Konzernsicht ein wichtiger Schritt um Kunden an diesem hart umkämpften Markt zu gewinnen. So steuert Strato derzeit bereits mehr als 10 Prozent zu unserem DSL-Wachstum bei. Andererseits profitiert natürlich auch das freenet Hosting-Geschäft. Aber natürlich sind wir noch nicht am Ziel und arbeiten sehr hart am Erfolg.

Frage: Netzinfrastruktur, Content, Software, Services und Endgeräte – diese fünf Faktoren lassen sich fast beliebiger Form kombinieren, um immer neue Dienstleistungen und Produkte zu schaffen. Kehrt hier in absehbarer Zeit mal wieder etwas mehr Ruhe ein? Kann man sagen, wie „das“ Telekomunternehmen der Zukunft aussieht?

Spoerr: Zwei wesentliche Trends kennzeichnen das Verhältnis von Festnetztelefonie und Mobilfunk: Zum einen werden Festnetzdienste zunehmend durch den Mobilfunk ersetzt. Zum anderen ist mit einer zunehmenden Konvergenz von Mobilfunk und Festnetzdiensten zu rechnen, also einer steigenden Nachfrage nach integrierten Dienstleistungen, die stationäre Telefonie und Internetdienste mit mobilen Sprach- und Datendiensten verbindet. Ich glaube, dass wir aufgrund dieser Megatrends auch in den nächsten Jahren viele Innovationen bei Produkten und Services sehen werden. Zum Beispiel kommen jetzt ja nach den Kamerahandys Geräte auf den Markt, die Musik- und Mobiltelefondienste kombinieren – gerade von Apple erwarte ich hier noch sehr viel. Wir werden uns so aufstellen, dass wir diese aufgezeigten Trends mitbegeleiten und weiterentwickeln sowie die daraus resultierenden Herausforderungen annehmen können.

Frage: Ihr Unternehmen ist nun gerade fünf Jahre alt. Der Telekommunikationsmarkt verändert sich rasant. Gestatten Sie uns dennoch die folgende Frage: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Spoerr: mobilcom-freenet wird ein sehr modernes Internet- und Telekommunikationshaus sein, dessen Kunden die Möglichkeit haben, äußerst attraktive, günstige, flexible und zukunftsweisende Produkte wie Voip, Internet- und Mobilfunkangebote zu erstehen.

Welche Kompetenzen sind in einem solchen Umfeld nötig?

Spoerr: Wir haben vor allem zwei Faktoren, die auch schon bei der freenet-Erfolgsstory maßgeblich waren und auf die wir auch voll bei der neuen mobilcom-freenet setzen werden: Zum einen werden wir eine Strategie wählen, die auf den langfristigen Erfolg ausgerichtet ist und sich nicht an kurzfristigen Zielen und Marktbewegungen orientiert, und zum anderen sind es die motivierten, leistungsorientierten Mitarbeiter, die wir brauchen um unsere ehrgeizigen Ziele zu realisieren.

PRIVATINVESTOR: Herr Spoerr, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...


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