Rauheres Fahrwasser

Freitag, 28.10.05 14:42
Sehr geehrte Privatanleger,

seit einigen Wochen befinden wir uns in rauerem Fahrwasser. Die Börsen reagieren nervös und mit Inflationsängsten. Dabei ist es durchaus erfreulich, dass Ben Bernanke zum neuen Zentralbankchef der USA berufen wurde. Ich erinnere mich gut an die vielen Diskussionen zur Geldpolitik, die ich mit Ben in seinem kleinen Büro in der Princeton University Anfang der neunziger Jahre hatte. Er war zeitweilig Direktor meines Doktorandenprogramms in Princeton. Auch bei ihm zuhause war ich gelegentlich. Fast wäre er mein Doktorvater geworden. Ben ist äußerst kompetent, ruhig und bescheiden. Was uns alle gewundert hat, war die Tatsache, dass er sich so gut als Politiker zurechtgefunden hat.

Vor Ben Bernanke liegt eine schwere, fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Die drei Defizite der USA (Haushalt, Zahlungsbilanz und private Sparquote) wiegen schwer. Irgendwann müssen diese Ungleichgewichte abgebaut werden. Das geht nur durch starkes Wachstum, Inflation oder eine Depression. Die Möglichkeit des starken Wachstums dürfte zunehmen geringer werden, da die USA ihr wirtschaftspolitisches Pulver weitgehend verschossen haben. Viel Glück Ben! Du hast es Dir verdient.

Die Börse überrascht auch den bestinformierten strategisch agierenden Anleger immer wieder. Kein Mensch – ich wiederhole: kein Mensch (!) – kann wissen, wo die Börse in wenigen Wochen oder Monaten steht. Mit dieser Unsicherheit müssen wir als Investoren alle leben. Für viele Anleger wäre daher Kostolanys Schlaftabletten-Strategie wirklich das Richtige. Gute Aktien kaufen, liegen lassen, Schlaftabletten nehmen, 10 Jahre schlafen. Die jetzt aufkommenden Inflations- und Zinsängste haben durchaus einen realen Hintergrund. Im Prinzip fallen die Zinsen seit 1981 und waren lange auf dem niedrigsten Stand seit den 1950ern und zum Teil sogar der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Noch 1980-81 stand die U.S. Primerate bei 18%!

Mich überrascht nicht, dass die Ängste ausbrechen, sondern, dass Sie erst jetzt ausbrechen. Schon im Special im letzten Herbst habe ich davor gewarnt. Aber: nun rennt die Hammelherde halt in die andere Richtung. Emotionen sind das Eine, die Wirtschaft ist das Andere. Als Anleger müssen Sie unter allen Umständen die Kontrolle über Ihre Emotionen behalten.

Wie Sie wissen war und bin ich besonders optimistisch für die europäischen Blue Chips. Diese, z. B. – Allianz, Capita, BASF, Merck KGaA und Rio Tinto haben sich wacker gehalten, während es bei den Öl- und Energiewerten eine Korrektur gab. Ich hatte es Ihnen geschrieben: keiner kann wissen, wo der Ölpreis in einigen Monaten stehen wird. Wenn wir allerdings halbwegs normales Wirtschaftswachstum oder eine Inflation bekommen, werden sich diese Werte weiterhin gut entwickeln.

Es kann gut sein, dass wir in raueres Fahrwasser kommen. Aber auch in einer solchen Situation müssen Sie investiert bleiben, wenn Sie auf Dauer an der Börse Erfolg haben wollen. Warren Buffett war in den schwierigen siebziger Jahren voll investiert. Und diese Jahre waren für Buffett sehr erfolgreich.

Ihnen ebenfalls erfolgreiche Investments wünscht

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

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