Unternehmensbewertung: Die Bestimmung des Substanzwertes

Dienstag, 16.01.18 09:14

Der Wert des Vermögens ist eine erste Basis für die Bewertung von Unternehmen. Dabei machen wir es uns zunutze, dass sich auch der Wert des Vermögens mit Hilfe der Kapitalkosten in einen Ertragswert überführen lässt.

 

Um ein Unternehmen zu betreiben, benötigen Sie Kapital. Sagen wir, Sie wollen einen Autokonzern aufbauen und müssen 5 Milliarden Euro investieren, um ein funktionsfähiges Unternehmen inklusive Produktion, Verwaltung, Forschung und Vertrieb auf die grüne Wiese zu stellen und Ihre ersten Autos zu produzieren. Das Unternehmen soll ausschließlich mit Eigenkapital finanziert werden.

 

In einem solchen Fall ist der Wert des Eigenkapitals und der des Vermögens zunächst gleich. Ihre Kapitalgeber verlangen für ein Engagement in der Autobranche eine Rendite von 10 Prozent. Mit Ihrem Unternehmen müssen Sie nun einen Ertrag von 500 Millionen Euro erwirtschaften, um Ihre Kapitalkosten zu verdienen. Das wären genau 10 Prozent auf das eingesetzte Kapital.

 

Ganz allgemein betrachtet – begriffliche Feinheiten wurden hier zunächst bewusst außen vor gelassen – ist der Unternehmensgewinn das Produkt aus der Kapitalrendite und dem Wert des Vermögens.

 

Gewinn = Kapitalrendite (%) * Wert des Vermögens

 

In einer Branche ohne dauerhafte Wettbewerbsvorteile sollte der Wert des Unternehmens auf Dauer dem Wert des Vermögens entsprechen. Mit anderen Worten: Das Unternehmen sollte genau die Kapitalkosten auf sein Vermögen erwirtschaften.

 

Nehmen wir an, das wäre nicht so. Das obige Automobil-Start-up würde zum Beispiel 750 Mio. Euro Gewinn erwirtschaften, also 15 Prozent auf das eingesetzte Kapital. Dann wäre der Markt sehr interessant für weitere Wettbewerber, denn sie könnten bei 10 Prozent Kapitalkosten 15 Prozent Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielen und damit ohne Risiko 5 Prozent einstreichen. Der Markt würde Wettbewerber anziehen. Wenn sich aber nun mehr Unternehmen auf dem Markt drängeln, müssen sie sich irgendwann Konkurrenz machen.

 

Konkret heißt das: Die umgesetzten Stückzahlen könnten zurückgehen, die Preise könnten fallen, die Marketing- und Vertriebsaufwendungen könnten steigen oder alles zusammen. Neue Wettbewerber werden so lange auf den Markt drängen, wie sie eine Rendite erzielen können, die höher als 10 Prozent ist.

 

Sie können das obige Beispiel anstelle von Gewinnen und Eigenkapitalrenditen auch mit dem Marktwert von Unternehmen und dem Wert des Vermögens durchspielen. Nehmen wir an, das Unternehmen hätte einen Marktwert von 7,5 Milliarden Euro. Sie müssten aber nur 5 Milliarden an Kapital einsetzen, um ein solches Unternehmen auf die grüne Wiese zu setzen. Auch dann würden sich genug Private-Equity-Gesellschaften finden, die neue Automobilfirmen finanzieren, denn sie könnten diese für 5 Milliarden Euro bauen und dann für 7,5 Milliarden am Markt platzieren.

 

In einer Branche ohne Markteintrittsbarrieren und ohne dauerhafte Wettbewerbsvorteile gleicht der faire Unternehmenswert dem Wert des betriebsnotwendigen Vermögens.

 

Zwischen 1979 und 1983 waren US-Aktie richtig günstig. Damals waren viele Unternehmen am Aktienmarkt unter ihren Buchwerten zu haben. Die Buchwerte gaben zudem oftmals den Wiederbeschaffungswert nicht einmal ansatzweise wieder, da Preise für Wirtschaftsgüter explodiert waren. In den USA betrug die Inflation Ende der siebziger Jahre teilweise 10 Prozent und mehr.

 

Der Pessimismus hatte seinen Höhepunkt erreicht. So konnten Corporate Raider wie Carl Icahn und Ivan Boesky Unternehmen gleich aus zwei Gründen billig erwerben: Der Marktwert lag unter den Buchwerten und die Buchwerte lagen weit unter dem echten Substanzwert. Im Jahr 1982 lag das durchschnittliche KGV des amerikanischen Aktienmarkts bei 7,2. Und 1982 befanden sich die USA in einer Rezession, das heißt, die Gewinne waren sehr niedrig!

 

Diese Zeiten sind vorbei.

 

Derzeit sind viele Aktien, insbesondere in den USA, ziemlich bis sehr teuer. Die meisten Unternehmen sind mit einem Vielfachen des Buchwerts bewertet. Dies kann nach der allgemeinen ökonomischen Theorie nicht dauerhaft sein, denn dann müssten diese Unternehmen dauerhaft höhere Kapitalrenditen als die Marktrendite erwirtschaften. Dies ginge nur, wenn die Unternehmen dauerhafte Wettbewerbsvorteile hätten. Und dauerhafte Wettbewerbsvorteile sind die Ausnahme, nicht die Regel. Die Basis der Marktwirtschaft besteht darin, dass technische oder organisatorische Neuerungen über kurz oder lang auch von den Wettbewerbern aufgegriffen werden.

 

Vor kurzem ist Goldman Sachs wieder mit einer seiner berüchtigten Prognosen herausgekommen. Die US- Investmentbank mit enormem politischen Einfuss warnt, dass die Bewertungen vieler Anlageklassen so hoch sind, wie zuletzt im Jahr 1900 und dass sich das irgendwann in „Schmerzen“ für die Investoren niederschlagen wird. Alle Vermögensklassen werden in der Zukunft weniger abwerfen. Und ein sprunghafter Anstieg der Infation könnte schnelle Schmerzen hervorrufen.

 

Tatsächlich: Das Shiller-KGV ist in den teuersten 10 Prozent, die US-Staatsanleihen ebenso, und auch der Spread zu riskanteren Anleihen ist sehr niedrig. Paradoxerweise empfehlt Goldmann dennoch, die Aktienquote zu erhöhen.

 

Paradoxerweise? Bei einer Krise des Systems muss Geldvermögen in Form von Anleihen, Kontoguthaben und Versicherungsforderungen vernichtet werden. Aktien sind kein Geldvermögen, sondern Besitzanteile. Solide Unternehmen werden die Krise überleben.

 

Aber auch Aktien werden in Summe in einer ernsten Krise unterdurchschnittlich performen. In der Jahresausgabe habe ich die entsprechenden Berechnungen von Jeremy Grantham von GMO und die Markteinschätzungen von Howard Marks von Oaktree Capital vorgestellt. Negative Renditen von -2 bis -3 Prozent über die nächsten sieben Jahre sind für den US-Markt durchaus drin.

 

Umso wichtiger wird es, Aktien mit besonderer Sorgfalt auszusuchen. Auch rate ich, in den ersten Monaten des Jahres 2018 sukzessive Liquidität aufzubauen, vielleicht bis zu einer Liquiditätsquote von 20 bis 30 Prozent und sogar mehr.

 

Wir werden Ihnen in den kommenden Ausgaben von Der Privatinvestor detaillierte Hinweise dazu geben.

 

Keiner weiß, wann die nächste scharfe Korrektur kommt – ich am wenigsten. Aber wir wissen, dass vieles mittlerweile teuer ist. Und dass diese Hausse eine der längsten ist. Also sollten wir Schritt für Schritt vorsichtiger werden, genauso, wie ich 2009 zu Vollgas für Aktien geraten habe.

 

Auf gute Investments,

Ihr

Max Otte

 

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Hinweis/Disclaimer:

Max Otte berät, beziehungsweise Unternehmen, an denen Max Otte beteiligt ist, beraten den PI Global Value Fund (WKN: A0NE9G) und den Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM). Diese beiden Fonds könnten Positionen in Titeln halten, die in dieser Kolumne genannt sind.

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Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...


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