Wachsen oder nicht wachsen?

Freitag, 06.05.05 14:06

Sehr geehrte Privatanleger,

eine der verwirrendsten Fragen für Privatanleger ist derzeit das Problem, wie Unternehmenswachstum zu bewerten ist. Nachdem im letzten Börsenboom Unternehmensfusionen und –käufe an der Tagesordnung waren (und bei der allgemeinen Phantasie auch unkritisch akzeptiert wurden), ist es sehr viel ruhiger geworden. Dennoch ist in den letzten Monaten das Fusionsfieber wieder ausgebrochen, wie man an den Beispielen Procter & Gamble – Gillette und der Übernahmeschlacht von Verizon und Qwest um MCI ersehen kann.

Ge- und verkauft wird wieder in erhöhtem Tempo. In Deutschland spielen dabei derzeit die „Private Equity Fonds“, die ganze Unternehmen des Mittelstandes aufkaufen (Grohe, Gerling, mobilcom-Beteiligung, Automobilzulieferer) eine besondere Rolle. Diese Fonds kaufen Unternehmen mit dem Ziel, sie in kurzer Zeit zu sanieren oder weiterzuverkaufen. Wann also ist ein Unternehmenskauf sinnvoll, wann nicht?

Im Prinzip ist diese Frage einfach zu beantworten. Kapital hat Kosten – diese drücken sich in dem von Investoren verlangten Zinssatz aus. Kostet unternehmerisches Kapital zum Beispiel 10% - ein durchaus angemessener Zinssatz, da auch unternehmerische Risiken eingegangen werden – müsste eine Akquisition von 20 Mio. € z. B. mindestens 2 Mio. € pro Jahr an Gewinn erwirtschaften, nur im ihre Kapitalkosten zu verdienen. Erst bei mehr als 2 Mio. € pro Jahr zusätzlichem Gewinn wäre dies also eine sinnvolle Investition. Damit ist auch klar: die Devise „Umsatz um jeden Preis“ kann in der Katastrophe enden, wie uns die Zeiten des Börsenbooms gezeigt haben.

Bei den meisten Unternehmensverkäufen und –käufen ist es allerdings sehr schwierig abzuschätzen, ob diese wirklich sinnvoll waren. Lassen Sie mich daher einen kleinen Überblick über einige Transaktionen der letzen Zeit wagen:

Adidas-Salomon verkauft seine kränkelnde Wintersport-Sparte Salomon und nennt sich wieder adidas. Zwar hatte man 1997 1,2 Mrd. € bezahlt und erlöst jetzt nur noch 485 Mio., aber der Deal scheint mir trotzdem sinnvoll. Seit einiger Zeit schrumpft der Umsatz der zudem noch defizitären Wintersport-Sparte. Mit dem Verkauf an die finnische Amer Sports (WKN: 870547, Atomic, Wilson) hat Amer die Chance, verschiedene Wintersport-Marken zusammenzufassen und in einem schwierigen Markt ein Sanierungsprogramm durchzuführen. Fazit: der adidas-Vorstandsvorsitzende Hainer hat einen mutigen Schritt unternommen, der für beider Seiten sinnvoll ist, selbst wenn adidas nunmehr kleiner ist und sich der Abstanz zum Weltmarktführer Nike vergrößert. Zudem erhöhte adidas seine Prognose für das Wachstum des Jahresgewinns von 10-15% auf über 20%.

Siemens schließt weitere Großakquisitionen nicht aus. Nach verschiedenen kleineren Zukäufen könnte auch eine Großakquisition wie der fast zehn Milliarden Euro teure Atecs-Kauf kommen. Fazit: ein Konzern, in dem mehr als die Hälfte der Sparten defizitär arbeiten, sollte seine Hausaufgaben machen, anstatt die Aktionäre mit neuen Finanzmanövern zu blenden.

Dasselbe gilt für Sun Microsystems Inc. CEO Scott McNealy will nach einigen katastrophalen Jahren im Kerngeschäft nun größere Akquisitionen tätigen. Fazit: wer sich so im Kerngeschäft disqualifiziert, sollte sich nicht an die sehr schwierige Übernahme weiterer Unternehmen wagen.

Procter & Gamble übernimmt Gillette: der Kaufpreis war in Ordnung, aber kein Schnäppchen. Zudem war die Transaktion erstaunlicherweise von Jim Kilts, dem sanierungserfahrenen CEO von Gillette, und nicht vom Käufer P&G eingeleitet worden. Fazit: in dem Geschäft machen größere Einheiten Sinn, die Transaktion ist kein sicherer, aber ein wahrscheinlicher Erfolg. United Internet kauft Portalgeschäft von web.de und schafft Deutschlands größten Inhalteanbieter. Fazit: der Kaufpreis war recht hoch, die ökonomischen Vorteile liegen aber auf der Hand. Zudem sollte die Integration relativ problemlos sein. In 2 bis 3 Jahren werden wir wissen, ob sich der Deal rechnet.

Gerade bei Fusionen, Übernahmen und Unternehmenskäufen kann es für Privatanleger sehr schwierig sein, sich ein Bild zu machen. Solche Transaktionen gehören aber heute zur Tagesordnung. Ich bleibe für Sie am Ball!

Erfolgreiche Investments wünscht Ihnen

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...

Unsere Mission