Wer ist der Dumme?

Freitag, 18.02.05 14:08
Sehr geehrte Privatanleger,

„Wenn Sie nach einer halben Stunde Pokerspiel und noch nicht gemerkt haben, welcher Spieler von den anderen systematisch ausgenommen wird, dann sind Sie selber mit hoher Wahrscheinlichkeit der Dumme!„ Warren Buffett wollte mit diesem Vergleich auf einen wesentlichen Aspekt der Kapitalanlage hinweisen: Sie müssen Chancen erkennen, Sie müssen sich aber auch ein Bild darüber machen, in welchen Bereichen gutgläubige Privatanleger viel Geld lassen. Ich habe Ihnen einige Bereich zusammengestellt, in denen aus meiner Sicht Gefahren lauern.

Alternative Energien: Bereits im Frühjahr 2003 hatte ich in meinen Kolumen vor Alternativen Energieaktien gewarnt. Hier wird meines Erachtens mit dem lobenswerten Umweltbewusstsein der Deutschen viel Schindluder getrieben. Als ich im Frühjahr 2003 den Windpark-Projektierer Plambeck Neue Energien AG bei einem Kurs von 4,80 € als Geldvernichter bezeichnete, bekam ich eine böse eMail vom IR-Verantwortlichen. Mittlerweile steht die Aktie bei 86 Cents – das ist ein Verlust von über 80%. Auch bei der Solarworld AG traue ich dem Braten nicht ganz – das Unternehmen ist mir viel zu abhängig von öffentlichen Geldern. Wenn Sie wie ich davon überzeugt sind, dass Energie ein Langfristtrend ist, kaufen Sie Ölaktien und halten Sie diese langfristig.

Garantieprodukte und Derivate (Bonuszertifikate, Turbos, Knock-Outs etc.): Diese Produkte waren in den letzten Jahren ein sicherer Gewinnbringer für die Banken und Finanzdienstleister. Das heißt aber auch, dass Privatanleger in Summe Verluste gemacht haben müssen.

Nanotech: Immer wieder versuchen die Finanzmedien, eine Nanotech-Welle zu starten. Ich bin mir sicher, dass in diesem Bereich ein großer technischer Fortschritt möglich ist. Allerdings gibt es „die Nanotechnologie„ nicht – der Begriff ist genauso unsinnig wie es ein Begriff „Zentimetertechnologie„ (für alle Anwendungen unter einem Zentimeter Größe) wäre. Zudem profitieren von den Anwendungen zunächst die großen Konzerne. Aus meiner Sicht werden hier wenige neue Unternehmen mit Massenappeal entstehen.

Geschlossene Immobilienfonds: Das Schielen nach einer Steuerersparnis hat schon seit Jahrzehnten viele gutverdienende Rechtsanwälte, Ärzte oder Zahnärzte etwas ärmer gemacht. Zuletzt haben wir dies im großen Stil bei Objekten nach der Wiedervereinigung in den Neuen Bundesländern gesehen. Jetzt verweigert der Berliner Senat zum Beispiel die Anschlussförderung für viele Berlin-Fonds, obwohl man noch 1994 die Weiterförderung zugesagt hatte. Begründung: „Wir sparen.„ Das Oberverwaltungsgericht Berlin entschied – wen wundert es – zu Gunsten des Senats. Vielen Fonds droht die Insolvenz, viele Anleger werden viel Geld verlieren. Das Vertrauen auf langfristige staatliche Zusagen ist weder bei Fonds noch bei der Alterversorgung angebracht.

Technologie allgemein: Nach dem Crash sind viele Technologiewerte wie z.B. Microsoft oder General Electric immer noch nicht billig. Sie können auch die Blue Chips aus diesem Bereich keinesfalls blind kaufen, wenn Sie überdurchschnittliche Renditen erzielen wollen. Im TecDAX gibt es meines Erachtens nur wenige für Privatanleger geeignete Unternehmen.

MDAX und ATX: Diese Indizes notieren in der Nähe ihres jeweiligen Allzeihochs. Ich halte sie auch prinzipiell für interessant. Wenn Sie sich jetzt noch hier engagieren wollen, sollten Sie eine genaue Vorstellung von den Unternehmen haben, die sie kaufen. Bei einigen Werten muss nach dem Kaufrausch der letzten Jahre eine Korrektur erfolgen. Andere Unternehmen, z.B. meine Kerninvestments AWD und United Internet, haben aus meiner Sicht trotz hoher KGVs langfristig hervorragende Perspektiven.

Als Privatanleger müssen Sie nicht bei jedem Spiel gegen die Bank spielen. Sie haben erhebliche Vorteile. Mich erreichte zum Beispiel die Nachricht, dass die Manager von gemischten Fonds derzeit ihre Aktienquote erhöhen. Etwas spät – der Kurszug fährt schon seit zwei Jahren. Wieder einmal können Sie die Lemminge in Aktion sehen. Für einen Fondsmanager ist es relativ ungefährlich, wenn er ungefähr wie die Masse seiner Kollegen abschneidet. Originelle Strategien und eigenständiges Denken können aber in einigen Jahren zu unterdurchschnittlichen Ergebnissen führen – und dann wird es für einen Fondsmanager gefährlich.

Sie müssen den Lemmingen nicht folgen. Schon Kostolany sagte, dass es mit den Aktien wie mit den Straßenbahnen sei: die nächste kommt bestimmt. Erhöhen Sie daher eher mit Augenmaß Ihren Kassenbestand im Laufe des Frühjahrs. Dann können Sie bei der richtigen Gelegenheit zuschlagen. Ich wünsche Ihnen gute Investments,

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

www.privatinvestor.de

Den Titel als Dipl.-Volksw. erhielt Max Otte 1989 durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums an der Universität Köln. 1991 erlangte er den Titel Master of Arts in Public Affairs an der...

Unsere Mission