DAI-Kurzstudie 2 / 2010
Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen ist im ersten Halbjahr 2010 leicht gesunken. Insgesamt waren 8,6 Mio. Anleger in Deutschland direkt oder indirekt in Aktien investiert1. Dies entspricht einem Anteil von 13,3 % der Bevölkerung. Zwar ist damit die Aktionärsquote seit dem zweiten Halbjahr 2008 nahezu konstant, doch die soziodemographische Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. In den letzten Jahren hat sich vor allem die Mittelschicht stark aus der Aktienanlage gelöst. Es ist ein klares Muster erkennbar: Je geringer die Ausbildung, je niedriger die berufliche Position und je niedriger das Einkommen, desto stärker sinkt die Zahl der Aktionäre bzw. Aktienfondsanleger. Die Finanzkrise war sicher eine der Ursachen – andere Gründe wie z.B. die Doppelbesteuerung der Aktie, die unzureichenden Ansätze zur kapitalgedeckten Altersvorsorge und die Defizite der ökonomischen Bildung sind politisch lösbar und sollten deshalb schnellstmöglich angegangen werden.
Von den 8,6 Mio. Aktienbesitzern (Abb. 1) sind 2,5 Mio. reine Aktionäre (3,9 % der Bevölkerung), die ausschließlich direkt in die Aktie investieren. 4,7 Mio. Anleger halten Fondsanteile (7,3 %) und 1,4 Mio. (2,1 %) sowohl Aktien als auch Anteile an Aktienfonds. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2001 bedeutet die aktuelle Zahl der Aktionäre einen Rückgang um rund 4,3 Mio. (-33,1 %), gegenüber dem Jahr 1997 noch ein Plus von 3,0 Mio. Anlegern (53,6 %).
Abb. 1: Zahl der Aktionäre und Fondsbesitzer in Deutschland2

Im ersten Halbjahr 2010 wie in den beiden vorangegangenen Beobachtungszeiträumen ist eine Zunahme der Anzahl der Anleger zu verzeichnen, die direkt in Aktien investieren (direkte Aktionäre, Abb. 2). Die Zahl der Anleger, die sowohl in Aktien als auch in Aktienfonds angelegt haben, blieb in diesem Zeitraum praktisch konstant. Der Rückgang der Aktionärszahlen fand also vor allem bei der reinen Fondsanlage statt. Dies lässt auf ein vermehrtes Nutzen der Chancen von Einzelinvestments durch „Selbstentscheider“ unter den Anlegern schließen.
Abb. 2: Zahl der direkten Aktionäre in Deutschland

Rund 3,9 Mio. Anleger bzw. 6 % der Bevölkerung halten Aktien in der Direktanlage. Das bedeutet eine Zunahme um 269.000 Anleger bzw. 7,4 % gegenüber dem zweiten Halbjahr 2009. Gegenüber dem Rekordstand bei den direkten Aktienanlegern im Jahr 2000 ist ein deutlicher
Rückgang um 2,3 Mio. (-37,3 %) zu verzeichnen, gegenüber dem vorläufigen Tiefststand in der Finanzkrise im ersten Halbjahr 2009 ein Wiederanstieg um 499.000.
Von den Direktanlegern sind 784.000 reine Belegschaftsaktionäre (1,2 % der Bevölkerung), 331.000 Anleger (0,5 %), die zusätzlich zu Belegschaftsaktien auch andere Aktien besitzen und 2,8 Mio. Anleger, die ausschließlich andere Aktien halten (4,3 %).
Abb. 3: Zahl der Aktienfondsanleger in Deutschland

Die Zahl der Aktienfondsanleger (indirekte Aktionäre, Abb. 3) sank im ersten Halbjahr 2010 um 484.000 bzw. 7,3 % auf 6,1 Mio. Damit halten 9,4 % der Bevölkerung Anteile an Aktien- oder Gemischten Fonds. Im langjährigen Vergleich liegt die Zahl der Aktienfondsanleger um
3,8 Mio. über dem Wert des Jahres 1997 (+164,6 %), aber um annähernd 3,7 Mio. unter dem Rekordstand des Jahres 2001 (-37,5 %).
Die Anleger entschieden sich auch innerhalb der Fondsanlage stärker für eine Diversifikation. Die Zahl der Anleger in Aktien- und Gemischten Fonds stieg im ersten Halbjahr 2010 um 145.000 bzw. 25,2 %, während die Zahl der nur in Aktien- bzw. nur in Gemischten Fonds Anlegenden um 227.000 (6,7 %) bzw. 402.000 (14,8 %) zurückging. Seit dem im Jahr 2001 erreichten Höchststand sank die Zahl der Anleger, die nur in Aktienfonds investieren, am stärksten (-49,2 %), die der ausschließlich in Gemischten Fonds Anlegenden mit -26 % und die der Anleger in beide Fondsarten mit -38,7 % etwas schwächer.
Abb. 4: Systematik der Aktionärsstrukturstatistik

Der in den letzten beiden Halbjahren zu beobachtende leichte Anstieg der Zahl der direkten Aktionäre bedeutet keine sichere Trendumkehr und rechtfertigt keine Entwarnung. Der gleichzeitige Rückgang der Zahl der Besitzer von Aktien- und Gemischten Fonds zeigt die kritische Einstellung gegenüber der Anlageform Aktie in breiten Bevölkerungskreisen. Dass die Aktienfonds nach Angaben des Bundesverbandes Investment und Asset Management e.V. von Januar bis Mai 2010 ein Netto-Mittelaufkommen von 5 Mrd. Euro, die Mischfonds sogar von 8,3
Mrd. Euro zu verbuchen hatten, widerspricht dem nicht, sondern belegt die Heterogenität der Anlegerschaft in Deutschland. Einer Reihe von Investoren, die wieder Vertrauen gefasst haben und die im ersten Halbjahr 2010 starken Kursschwankungen zum Ausbau ihrer Bestände nutzten, stehen andere Anleger gegenüber, die sich aus der Aktienanlage komplett verabschiedeten. Dies stimmt auch mit einer Studie der DWP-Bank überein, wonach private Anleger in den letzten Jahren überwiegend zu niedrigeren Kursen Aktien kauften und bei gestiegenen Kursen verkauften.
Vermögenspolitisch bedenklich ist die Entwicklung der soziodemographischen Struktur der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen (Abb. 5-7). In den letzten fünf Jahren stieg die Zahl der Leitenden Angestellten und Beamten, die direkt Aktien besitzen, um knapp 20 %, die Zahl der Aktionäre mit einem Haushaltsnettoeinkommen von über 4.000 Euro stieg um fast 6 %, und die Zahl der Aktionäre mit Hochschul- oder Fachhochschulreife nahm um 6 % bzw. 2 % zu. Bei allen anderen Gruppen sank die Zahl der Aktionäre jedoch teilweise sehr deutlich. Hier öffnet sich eine gefährliche soziale Schere: Je geringer die Ausbildung, je niedriger die berufliche Position und je niedriger das Einkommen, desto stärker ziehen sich die Bundesbürger aus der Aktienanlage zurück.
Abb. 5: Entwicklung der Zahl der Aktienanleger nach Schulabschluss (2005 – 1. Hj. 2010)

Abb. 6: Entwicklung der Zahl der Aktienanleger nach monatlichem Haushalts-Nettoeinkommen

Abb. 7: Entwicklung der Zahl der Aktienanleger nach beruflicher Position (2005 – 1. Hj. 2010)

Aus gesellschafts- und sozialpolitischer Sicht muss dieser Entwicklung dringend gegengesteuert werden. Gerade die breite mittlere Schicht der Arbeitnehmer ist es, die künftig zur Ergänzung ihrer Altersvorsorge auf eine private Ergänzung angewiesen sein wird. Die staatlichen Maßnahmen, die Abhilfe schaffen können, sind bekannt. Neben einer Abschaffung der diskriminierenden Doppelbesteuerung von Aktienerträgen und angemessenen Rahmenbedingungen für eine ergänzende private Altersvorsorge am Kapitalmarkt zählt hierzu eine Verbesserung der ökonomischen und finanziellen Allgemeinbildung – in allen Bevölkerungskreisen.
1 Quelle: NFO-Infratest®-Umfragen im Auftrag des Deutschen Aktieninstituts; befragt werden in zwölf Wellen insgesamt 26.400 Anleger p.a. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Bevölkerung über 14 Jahren.
2 Die Abbildungen geben für die Jahre bis 2008 die jeweiligen Durchschnittswerte der Befragungswellen des gesamten Jahres, für 2009 und 2010 die Durchschnittswerte der Befragungswellen für das jeweilige Halbjahr an.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut