Der deutsche Bankensektor steht im Umbruch. Schon lange wurde über mögliche Fusionen diskutiert, sei es nun Commerzbank mit Deutscher Bank oder Dresdner Bank mit der HypoVereinsbank, doch die am Dienstag bekanntgewordenen Gerüchte über die Fusion der Deutschen Bank mit der Dresdner Bank schlugen dennoch wie eine Bombe ins Parkett der Börse. Mit einer Fusion dieser beiden Finanzhäuser hatte fast keiner gerechnet, da Gespräche über die Zusammenlegung der Privatkundengeschäfte beider Finanzinstitute im Oktober ergebnislos beendet worden waren. Am besagten Dienstag bestätigten die beiden Unternehmen, dass sich die Gespräche über eine enge Zusammenarbeit in einem fortgeschrittenem Stadium befänden. Angeblich hatten die Gespräche erst im Februar 2000 begonnen, nachdem Verhandlungen zwischen der Dresdner Bank und der HypoVereinsbank gescheitert waren. Am Mittwochnachmittag gab dann Aufsichtsratsmitglied Gerhard Renner offiziell die Fusion der beiden Bankhäuser bekannt. Als Termin wurde der 1. Juli genannt.
Die beiden Banken wollen Ihre Geschäftsaktivitäten in einer neu gegründeten Gesellschaft zusammenlegen, die den Namen Deutsche Bank - die Beraterbank tragen soll. Der neue Megakonzern wird eine Bilanzsumme von 2,5 Billionen Mark (2.500.000.000.000 DM!) bei 120.000 Mitarbeitern und 2.800 Filialen aufweisen. Damit gewinnt die Deutsche Bank mal wieder das Rennen um die grössten Bank der Welt. Erst letzten August wurde die Deutsche Bank durch das japanische Banken-Dreigestirn IBJ, Dai-Ichi Kangyo Bank (DKB) und Fuji Bank von diesem Platz verdrängt.
Seit der Bekanntgabe gibt es jeden Tag neue Gerüchte über die zukünftige Strategie des Unternehmens. Fest steht nur, dass sich der neue Konzern mittelfristig aus dem Privatkunden- und Filialgeschäft zurückziehen will. Über die Rolle des Großaktionärs Allianz wird weiter spekuliert. Bisher hält die Allianz 21,7 Prozent an der Dresdner Bank und knapp 5% an der Deutschen Bank. Die Dresdner ist im Gegenzug mit zehn Prozent und die Deutsche Bank mit sieben Prozent am größten deutschen Versicherer beteiligt. Nach aktuellen Informationen soll sich die Allianz künftig nicht mehr als Großaktionär des entstehenden Geldriesen auftreten. Dafür soll die Publikumsfondstochter der Deutschen Bank, DWS und der Deutsche Herold an den Versicherungskonzern abgetreten werden. Die fusionierte Bank würde sich damit im Fondsgeschäft auf die Dresdner Bank Investmentgruppe beschränken. Der Großteil des Privatkundengeschäft der beiden Banken soll in der Tochter Deutsche Bank 24, die künftig "Bank 24" heißen wird, gebündelt werden. In welcher Form sich die Allianz dann an der Bank 24 beteiligt, ist noch offen, die Spekulationen reichen von "maßgebliche Beteiligung" über "stufenweise Abgabe" bis "vollständige Übernahme". Dagegen soll die Direktbank der Dresdner Bank, die Advance Bank, angeblich im neuen Institut verbleiben. Nach Insider-Informationen werden auch die Bausparkassen abgegeben. Die neue Deutsche Bank wird sich auf drei Kerngeschäftsfelder fokussieren: Private Banking für eine anspruchsvolle Kundschaft mit hohem Beratungsbedarf, Firmenkundengeschäft und institutionelles Geschäft.
Doch die Fusion steht noch auf wackligen Beinen. Neben der Zustimmung der Aufsichtsräte, die in der kommenden Woche folgen soll, müssen auch die Kartellbehörden in Deutschland und der EU grünes Licht geben. Vor allem für Privatkunden und kleinere Unternehmen erwarten Kenner der Branche eine Verschlechterung der gegenwärtigen Situation. Zudem rufen Gewerkschaften wegen dem befürchteten Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen zum Widerstand gegen die Fusion auf. Die beiden Banken müssen noch einige Steine aus dem Weg räumen, bis sie zum erhofften Megakonzern wachsen. Doch auch falls Sie den Weg unbeschadet überstehen sollten, stellt sich die Frage, ob das neue Unternehmen die Erwartungen bestätigten kann. Das Beispiel DaimlerChrysler zeigt, daß solche Mega-Fusionen auch nach hinten losgehen können. Zu guter letzt könnte der Traum der Deutschen Bank, grösste Bank der Welt zu sein, wieder schnell zu Ende gehen - die Konkurrenz schläft nicht. Die Fusionen im Bankensektor sind noch nicht zu Ende.
P.S.: Seit Mittwoch Abend gibt es ein neues Gerücht im deutschen Bankensektor: Angeblich plant die Londoner Hongkong and Shanghai Banking Corporation HSBC eine feindliche Übernahme der Commerzbank.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut