Gut gedacht ist nicht gleich gut gemacht

Mittwoch, 15.09.10 09:25
Aktien Graph
Bildquelle: iStock by Getty Images
Bei der Überarbeitung der Transparenz- und Marktmissbrauchsrichtlinie hat die Europäische Kommission ihr Herz für mittelständische Unternehmen entdeckt. In den Konsultationspapieren, die Mitte des Jahres veröffentlicht wurden, wird nach der Notwendigkeit unterschiedlicher regulatorischer Erleichterungen für „SMILEs" („Small and Mediumsized Issuers Listed in Europe") gefragt. Obwohl in den Konsultationspapieren lediglich Fragen gestellt werden, zeichnet sich dennoch ein Bild darüber ab, in welche Richtung die künftige Regulierung gehen könnte.

Börsennotiz auch für den Mittelstand


Grundsätzlich ist das Ziel, die Attraktivität der Börsennotiz auch für den Mittelstand zu erhöhen, eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit. Immerhin ist der Gang auf das Parkett der Königsweg zur Stärkung der Eigenkapitalbasis. Der große Wurf ist mit den in der Konsultation zur Diskussion gestellten Maßnahmen allerdings nicht gelungen.

 

Dies gilt insbesondere für die von der EU-Kommission diskutierte Ausweitung des Anwendungsbereichs der Marktmissbrauchsrichtlinie auf den bisher ausschließlich privatrechtlich regulierten Freiverkehr, beispielsweise den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Ein solches Vorhaben widerspricht grundlegend dem Anspruch des Freiverkehrs, durch ein effizientes, aber recht breitmaschiges Regulierungsnetz den Unternehmen die Hemmungen vor dem Börsengang zu nehmen. Die Erhöhung der gesetzlichen Anforderungen in diesen Segmenten schwächt damit eindeutig das erklärte Ziel der EU-Kommission, die Attraktivität des Börsengangs für den Mittelstand zu stärken. Es ist wenig sinnvoll, Erleichterungen für kleine und mittlere Emittenten in der Marktmissbrauchsrichtlinie vorzusehen, aber umgekehrt die Anforderungen durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf typische mittelständische Börsensegmente heraufzusetzen. Auch künftig muss es bei der privatrechtlichen Regulierung des Freiverkehrs bleiben.

 

Ein ähnliches Dilemma zeigt sich bei den Überlegungen der EU-Kommission zur Corporate Governance sowie zu Sozial- und Umweltbelangen. Zwar kann und sollte darüber diskutiert werden, ob die freiwillige Anwendung eines Formulars den Marktteilnehmern Hilfestellung beim Erfüllen dieser Pflich-ten leisten kann. Allerdings ist es eindeutig abzulehnen, die diesbezüglichen Regeln zu detailliert fortzuschreiben. Eine weitere Konkretisierung der Transparenzvorschriften ist das Gegenteil einer Erleichterung, nimmt sie doch den Unternehmen den notwendigen Spielraum, die Regeln vor dem Hintergrund der spezifischen An-forderungen ihrer Investoren zu erfüllen.

 

Darüber hinaus ist völlig unklar, welchen Nutzen es bringen soll, Regeln wie die Erklärung zur Unternehmensführung oder die Berichtspflichten zum Personalbereich bzw. Umweltschutz, die bislang nicht von der Transparenzrichtlinie erfasst werden, künftig in diese zu integrieren. In-zwischen hat sich jeder Marktteilnehmer darauf eingestellt, dass es diese Regelungen gibt und wo sie zu finden sind. Von einer Vereinfachung kann keine Rede sein. In Deutschland sind diese Berichtspflichten ohnehin schon ausführlich im Handelsgesetzbuch geregelt.

 

Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass zumindest ein Teil der in Brüssel diskutierten Maßnahmen nichts dazu beiträgt, den Unternehmen die Börsennotiz schmackhafter zu machen. Dies ist außerordentlich schade, ist doch der Ansatz, die Regularien hinsichtlich ihres Umfangs zu überdenken, grundsätzlich richtig. Hierfür ein separates Regulierungsregime aus-schließlich für den Mittelstand zu entwerfen, ist jedoch aus zwei Gründen nicht empfehlenswert. Zum einen ist wohl das Problem unlösbar, wie kleine und mittlere von den größeren Unternehmen ökonomisch sauber abge-grenzt werden können. Zudem ist mit einer Regulierung „light" die Gefahr verbunden, dass in den Augen der Investoren Emittenten „zweiter Klasse" entstehen. Risikoabschläge beim Kurs der Aktien wären die Folge.

 

Flexibler Regulierungsrahmen erwünscht


Sinnvoll ist vielmehr ein flexiblerer Regulierungsrahmen, in dem alle Emittenten vor dem Hintergrund der spezifischen Informationsinteressen ihrer Investoren selbst entscheiden können, ob sie bestimmten Anforderungen nachkommen oder nicht. Welche dies sind, muss vor dem Kriterium „effektiver Anlegerschutz" geprüft werden. Beispielsweise können die Fristen zur Abgabe von Halbjahresberichten oder die Notwendigkeit, Zwischenberichte erstellen zu müssen, flexibler ge-handhabt werden. Dieses „Rahmenwerk" darf aber die Börsenbetreiber nicht daran hindern, für ihre Premiumsegmente zusätzliche Qualitätsstandards zu erlassen.

 

Die Bereitschaft zur Börsennotiz ist aber nicht nur von der Ausgestaltung der Regularien abhängig, sondern insbesondere in Deutschland eine generelle Frage der Einstellung zu Börse und Kapitalmarkt. Gerade in mittel-ständischen Unternehmen sind weiterhin zahlreiche Missverständnisse bezüglich des Börsengangs anzutreffen. Obwohl inzwischen empirisch widerlegt, grassiert immer noch die Angst vor einem Verlust an unternehmerischem Handlungsspielraum. Diese Befürchtungen müssen im Dialog mit den mittelständischen Unternehmen entkräftet werden.

 

Da ein Börsengang immer nur dann ge-lingen kann, wenn genügend Investoren die Aktien kaufen, darf auch die Anlegerseite nicht außer Acht gelassen werden. Immer noch ist die Skepsis der Deutschen gegenüber der Anlageform Aktie hoch. Dem muss mit entsprechenden Maßnahmen entschlossen begegnet werden. Hierzu gehört ein Ende der steuerlichen Diskriminierung der Aktie durch die Abgeltungsteuer. Hinzu kommen muss eine großangelegte Offensive, um die finanzielle Allge-meinbildung in breiten Schichten der Bevölkerung zu erhöhen.

 

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts e.V.



Quelle: Deutsches Aktieninstitut



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