Unternehmen müssen sich nicht nur an die Gesetze halten – sie müssen auch dafür sorgen, dass die eigenen Mitarbeiter dies tun. Das zwingt die Firmenspitze oft zu einer heiklen Gratwanderung: Vorbeugung und Aufklärung von Verstößen stößt schnell an die Grenze von Datenschutz- und Arbeitsrecht. Und kann öffentlich zu einer „Spitzelaffäre“ aufgebauscht werden.
Der Kampf gegen die Korruption in der Wirtschaft gewinnt weltweit an Fahrt. Insbesondere die amerikanische, aber auch viele europäische Rechtsordnungen gehen mit Entschlossenheit und immer schärferen Sanktionen gegen Unternehmen vor, die sich durch Schmiergeldzahlungen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Der Rohrleitungsproduzent Eginhard Vietz aus Hannover dürfte zwar vielen mittelständischen Unternehmen aus der Seele gesprochen haben, als er offenbarte: Es gebe Länder, in denen ohne Bestechungs- oder Schmiergeldzahlungen nicht an Aufträge zu kommen sei (F.A.Z. vom 21. August).
Dennoch ist einem Unternehmen mit solchen Zahlungen nicht geholfen - selbst dann nicht, wenn dadurch schließlich der begehrte Auftrag erlangt werden sollte. Denn die Bußgelder mit denen Unternehmen für Korruptionshandlungen belegt werden, ferner die Kosten für die Aufklärung, eventuelle Marktanteilsverluste und nicht zuletzt Rufschädigungen können sich oftmals als existenzbedrohend erweisen. Das gilt vor allem bei einem geschäftlichen Bezug zu den Vereinigten Staaten. Der amerikanische Foreign Corrupt Practices Act (FCPA), der die Bestechung ausländischer Amtsträger und Vorbereitungshandlungen dazu unter Strafe stellt, findet auch Anwendung auf deutsche Unternehmen, die in den Vereinigten Staaten tätig sind. Das gilt selbst dann, wenn sie dort keine Niederlassungen unterhalten und dort nicht an der Börse notiert sind. Ohnehin gehen amerikanische Gerichte oft recht großzügig mit der Feststellung ihrer Zuständigkeit um.
Verstöße gegen den FCPA werden mit hohen Geldbußen geahndet, die durchaus dreistellige Millionenbeträge erreichen können. Behördliche Ermittlungen wegen Korruption werden in den USA zudem in naher Zukunft noch zunehmen, da nach der jüngsten Gesetzgebung Mitarbeiter eines Unternehmens, die den Behörden Compliance-Verstöße melden, von diesen Belohnungen in Höhe von 10 bis 30 Prozent der eingetriebenen Bußgelder erhalten sollen (F.A.Z. vom 12. August).
Allerdings besteht die Möglichkeit einer Reduzierung der Sanktion. Sofern es „Reue zeigt“, den Korruptionsfall sorgfältig aufklärt, die Ergebnisse den Behörden mitteilt und sein Compliance-System überarbeitet, können Strafverfolgungsbehörden sogar von einer Anklage absehen.
Diese Strategie der amerikanischen Antikorruptionsgesetzgebung wird zunehmend auch von europäischen Staaten übernommen. Ende der neunziger Jahre trat eine Konvention der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr in Kraft. Seither ist in Europa eine Tendenz zur Verhängung restriktiver Geldbußen bei gleichzeitiger Möglichkeit ihrer Verringerung durch Kooperation mit den Ermittlungsbehörden zu beobachten. Beispielhaft hierfür ist das EU-Kartellrecht mit seiner Kronzeugenregelung. Diese ermöglicht sogar einen vollständigen Bußgelderlass für jenes am Kartell beteiligte Unternehmen, welches den entscheidenden Hinweis zur Aufdeckung des Kartells gibt.
Um solche Regelungen in Anspruch nehmen zu können, wird die unternehmensinterne Aufklärung von Compliance-Verstößen immer wichtiger – selbstverständlich auch für deutsche Unternehmen. Das deutsche Recht enthält bereits an verschiedenen Stellen Anreize und Eingangstore für die Durchführung solcher Ermittlungen. Dennoch stecken solche Internal Investigations, wie sie in Amerika bezeichnet werden, in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut