Erstens: Die Treue zum Heimatmarkt wäre vor allem dann problematisch, wenn die Unternehmen jeweils nur auf ihren nationalen Märkten aktiv wären. Dann nämlich würde ein Anleger, der sich ausschließlich auf deutsche Aktien konzentriert, der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein. Er würde unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten eindeutig davon profitieren, wenn er zusätzliche Aktien aus anderen Ländern in sein Depot aufnehmen würde. Da viele börsennotierte Unternehmen heute allerdings weltweit tätig sind, ist dieser Zusammenhang nicht mehr gegeben. Im Schnitt beschäftigen z.B. die DAX-Unternehmen über 50 Prozent der Mitarbeiter und erwirtschaften weit mehr als jeden zweiten Euro Umsatz oder Ertrag im Ausland. Einzelne Unternehmen kommen gar auf Werte von weit über 80 Prozent. Wer eine deutsche Aktie kauft, partizipiert damit in Abhängigkeit vom jeweiligen Unternehmen mehr oder weniger stark an den globalen Marktentwicklungen, so dass auch ein rein deutsches Portfolio bei näherem Hinsehen international stark diversifiziert sein kann.
Zweitens: Ein Investment im Ausland ist für den typischen Privatanleger aufwendig, weil er sich Informationen über ausländische Märkte nur schwer beschaffen kann, diese häufig nur in fremder Sprache vorliegen und er zudem mit den Kapitalmarktregeln der Ländern nicht vertraut ist. Wie der FTD-Artikel zu Recht aufführt, erklärt dies zumindest teilweise den „Home Bias". Zugleich erklärt es, dass die Privatanleger bei Auslandsanlagen in der Regel indirekte Anlagevehikel wie Investmentfonds nutzen, bei denen ein Fondsmanagement die Informationssuche übernimmt.
Drittens: Bei Auslandsinvestments außerhalb des Euroraums bestehen Währungsrisiken. Verliert etwa der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert, fällt die in Euro gerechnete Rendite der US-Aktien entsprechend niedriger aus. Bei Investmentfonds sollte der Anleger deshalb sowohl auf die Fondswährung als auch darauf achten, inwieweit der Fonds Währungseffekte durch Absicherungstechniken neutralisiert. Beim direkten Investment muss er die Absicherung selbst vornehmen.
Viertens: Emerging Markets sind tendenziell riskanter, was auch die höheren Renditen der Vergangenheit erklärt. Hauptgrund für das höhere Risiko ist, dass die aufstrebenden Volkswirtschaften wirtschaftlich und teilweise auch politisch noch nicht so gefestigt sind wie die Industrieländer. Dies schlägt sich auch in Unsicherheiten im Rechtssystem bis hin zu verbreiteter Korruption nieder. Anleger müssen daher in Emerging Market grundsätzlich mit volatileren Kursentwicklungen rechnen und die Möglichkeit auch größerer wirtschaftlicher Rückschläge einkalkulieren. Deshalb sollte das Investment in Emerging Markets immer nur einen Teil des Portfolios ausmachen.
Um insgesamt nicht missverstanden zu werden: Aktienanleger sollten ihre Investments über verschiedene Regionen der Welt streuen, damit sie nicht einseitig von dem wirtschaftlichen Erfolg einer Region abhängig sind. Dieser Kernaussage des FTD-Artikels stimme ich zu. Eine ausreichende Streuung lässt sich jedoch auf verschiedenen Wegen erreichen. Zudem sollte das Portfolio des Anlegers zu dessen persönlichen Vorlieben passen. Wer den höheren Informationsaufwand und auch höhere Risiken scheut, der kann schon mit einer klugen Streuung innerhalb Deutschlands oder des Euroraums viel erreichen. Auch heimattreue Anleger können durchaus von den künftigen Wachstumsmärkten profitieren, da Unternehmen heute global agieren.
Das Hauptproblem der Geldanlage ist aber ohnehin, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt in Aktien oder Aktienfonds investiert. Derzeit sind es gut 13 Prozent der Bevölkerung. Den anderen 87 Prozent entgehen die Renditechancen der Aktien: Internationale Diversifikation ist wichtig, wichtiger ist aber, dass die Menschen überhaupt in Aktien investieren.
Prof. Dr. Rüdiger von Rosen ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts e.V.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut