Der Aufstand vom 17. Juni 1953 ist heute fast vergessen. Dabei sind die damaligen Forderungen aktueller denn je – für Bürger und Börsen.
Panzer gegen das Volk
Tausende gehen auf die Straße und rufen: „Wir wollen freie Menschen sein!” Der Aufstand beginnt in Ost-Berlin, der Hauptstadt der ehemaligen DDR. Er entzündet sich an einer staatlich verordneten Norm-Erhöhung (= Gehaltskürzung).
In Windeseile greift die Revolte über auf andere Städte der DDR, am 17. Juni 1953 revoltieren schon über eine Million Ostdeutsche gegen die Diktatur der Staatspartei SED. Dann rollen Panzer der russischen Besatzungstruppen den Volksaufstand nieder und retten der SED die Macht im angeblichen Arbeiter- und Bauernstaat. Heute ist das blutig beendete Geschehen, an das einst ein Feiertag in der alten Bundesrepublik erinnerte, weitgehend vergessen.
Was hat ein Aufstand in einem untergegangenen Staat mit der Börse zu tun? Viel. Sehr viel sogar. Der Aufstand lenkt die Aufmerksamkeit auf das nötige Fundament einer modernen Gesellschaft. Sie gründet auf der Freiheit des einzelnen Menschen. Die Freiheit ist die Voraussetzung für kraftvollen Fortschritt, für das erfolgreiche Streben nach einem besseren Leben auf die Art, wie der Einzelne es für sich und gegebenenfalls seine Familie wünscht.
Auch der verantwortungsvolle Umgang mit Umwelt und Vorräten, die Verbesserung der Lebensbedingungen gelingt am besten, wenn freie Menschen frei ihre Ideen äußern, ihre Pläne schmieden und diese Pläne dann dem Urteil potenzieller Käufer im Wettbewerb aussetzen. Die Ergebnisse dieses Mechanismus, wir nennen ihn Markt, schlagen das, was Politfunktionäre und Lobbyisten in Hinterzimmern aushecken, um es den Menschen anschließend aufzuzwingen, um Längen – in der Vergangenheit, in der Gegenwart und auch in der Zukunft.
So funktionieren Wirtschaft und Wissenschaft, und so funktionieren Aktienunternehmen auch im internationalen Wettbewerb. Dagegen nehmen Bevormundung und Einschüchterung den Menschen den Mut und die Kreativität. Sie machen Märkte ineffizient. Geringere Effizienz und geringerer Fortschritt belasten auch die Umwelt stärker als nötig. Sie mindern den Wohlstand und sie mindern das Lebensglück der Menschen.
Warum die Kurse steigen
Plötzlich hebt der Markt ab. Zuerst ziehen die Kurse an der New Yorker Börse an, bald darauf zeigt sich in Frankfurt und an anderen Börsenzentren der westlichen Welt ein ähnliches Bild. Hier muss großes Geld beteiligt sein. Denn nur institutionelle Anleger können eine solche, breite Marktbewegung auslösen, und genau das belegt der gerade veröffentlichte Fund Manager Survey, Ausgabe Juni 2023.
Für den weltweit respektierten und viel beachteten Fund Manager Survey befragt die Bank of America regelmäßig Großinvestoren nach ihrer Investmentaufstellung und ihren Markterwartungen. Signifikant sinken gerade die Barbestände der Großanleger auf zuletzt 5,1%. Das ist der niedrigste Cash-Level seit Januar 2022. Mit anderen Worten: Big Money hat Angst, etwas zu verpassen. Man ist vom Markt auf dem falschen Fuß erwischt worden und investiert nun hastig.
Kleinanleger dürfen folgende Überlegung anstellen: Wollen Großanleger ihre Investitionsquote signifikant erhöhen, dann haben sie viel Geld zu bewegen, wirklich viel Geld. Ein derartiger Investitionsprozess muss über Tage und Wochen gestreckt werden, um zu vermeiden, Kurse einzelner Unternehmen punktuell hochzukaufen. Stimmt eine solche Überlegung, dann dürfte der Markt in der eigentlich traditionell schwachen Börsensommerzeit weiter von Kapitalzuflüssen gestützt werden.
Das Milliardenpotenzial der Künstlichen Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) sorgt für außerordentliches Produktivitätswachstum. Von einer ersten Generation markttauglicher KI-Programme, die in den kommenden Monaten veröffentlicht werden, können vor allem Banken und Finanzdienstleister profitieren sowie Forschung und Lehre und die Bereiche Kundenservice und Marketing,
Das geht aus einer Studie hervor, die das McKinsey Global Institute (MGI) heute in Düsseldorf vorstellt. Das MGI beziffert den jährlichen Produktivitätszuwachs durch KI-Technologie auf 2,4 bis 4,1 Bio. EUR. An der Börse, an welcher Zukunft gehandelt wird, dokumentieren teils heftige Kursveränderungen, wie Anleger versuchen, die Auswirkungen des herandämmernden KI-Zeitalters einzupreisen. Das betrifft nicht nur die KI-Aktien im engeren Sinne, sondern auch die „Schaufelverkäufer“ dieses Booms wie etwa die Chiphersteller, z.B. Nvidia (WKN: 918422).

Tauben und Falken auf Augenhöhe
Laut dem US-Ministerium für Arbeit ist die Inflationsrate in den USA im Mai stärker als erwartet zurückgegangen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Vorjahresvergleich nur um 4,0%. Im April lag die Teuerungsrate noch bei 4,9%. Mit dieser Entwicklung hat die Fed endlich ein valides Argument für eine Zinspause bei der heutigen Sitzung. Mehr wissen wir allerdings erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Denn selbstverständlich hat die hawkishe Zinspolitik der letzten Monate auch negative Auswirkungen, die bereits auf anderen Problemfeldern sichtbar wurden.
So tänzelt zum einen der amerikanische Bankensektor bedrohlich knapp am Rande einer neuen (Finanz-)Krise, nachdem u. a. die Silicon Valley Bank (wir berichteten) im März dieses Jahres in die Knie ging. Deren Kunden hatten hohe Einlagen geparkt, lösten diese aber aufgrund der Zinssteigerungen in rasender Geschwindigkeit auf, was dann auf der Aktivseite der Bank die Realisierung von Verlusten nötig machte. Des Weiteren schwächen die Zinserhöhungen die Konjunktur. Das Wirtschaftswachstum wird gebremst, weil die Unternehmen weniger investieren und produzieren. Das ist zwar einerseits sogar das gewünschte Ziel der Zinserhöhungspolitik, aber andererseits steigt dadurch die Arbeitslosenquote und die Wirtschaftsleistung sinkt. Eigentlich sind in einem solchen Szenario fallende Aktienkurse zu erwarten.
Warum die Börsen dennoch aus der Reihe tanzen? Letztlich scheint sich gerade die Auffassung „Cash is Trash“ durchsetzen, die sich bis zu einem Crack-up-Boom steigern könnte. Das Thema spielt bei uns immer wieder eine Rolle im Smart Investor Magazin. Andererseits waren es oft auch Technologiesprünge, wie die erwähnte KI, die die Märkte über längere Zeit beflügeln konnten. Dennoch befindet sich die Welt aktuell in einem fragilen Zustand, was auch zu extremen Bewegungen, in die eine oder die andere Richtung, bzw. ganz grundsätzlich zu Turbulenzen führen könnte. In den Himmel werden die Bäume auch diesmal vermutlich nicht wachsen.
Zu den Märkten
Angesichts der Angst von „Big Money“ den Anstieg der Aktien zu verpassen, ist es kein Wunder, dass der DAX erneut ein Allzeithoch erzielen konnte. Heute war es wieder einmal so weit, allerdings zum Redaktionsschluss dieses Newsletters nur um Haaresbreite. Dabei schält sich nun ein interessantes markttechnisches Phänomen heraus: Normalerweise gilt ein Allzeithoch als das Beste, was einem Markt oder einem Einzeltitel aus dem Blickwinkel der Technischen Analyse passieren kann. Denn an diesem Punkt gibt es oberhalb des aktuellen Kursniveaus keine historischen Widerstände mehr.
In diesem „uncharted territory“ ist entsprechend auch niemand froh darüber, nun endlich wieder seinen Einstiegskurs zu sehen und ohne Verlust verkaufen zu können. Allerdings ist die Lehrbuchaussage, dass einem Allzeithoch viele weitere folgen werden, mit einem Fragezeichen zu versehen. Betrachten wir nämlich die letzten vier Allzeithochs (auf Schlusskursbasis), so sind diesen gerade keine weiteren Rekordkurse gefolgt. Das Beste war noch ein weiteres Dahindümpeln wie im Mai 2022, gefolgt vom aktuellen erneuten Gipfelsturm. Dagegen war die Erfahrung aus dem Januar 2022 geradezu katastrophal. Dem Allzeithoch folgte fast unmittelbar der Absturz.
Auch hinter diesem Wechselspiel steckt eine technische Erwägung. Zwar gibt es bei einem Allzeithoch keine alten Widerstände (s.o.), wohl aber eine Menge an Vorschusslorbeeren in Form der Standarderwartung auf weiter kräftig steigende Kurse. Sollte diese nicht erfüllt werden, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Wer in der Hoffnung teuer kaufte, schon bald noch teurer verkaufen zu können, dürfte dann rasch auf die Verkäuferseite wechseln.
Ein zweites Warnsignal leitet sich aus dem oben erwähnten Fund Manager Survey ab. Die niedrige Barquote der Fonds von nur noch 5,1% hat nämlich auch eine Schattenseite: Der Schub aus dieser Richtung könnte bald nachlassen, denn neu investierbar sind aktuell eben nur noch diese 5,1%, während 94,9% bereits investiert sind. Zwar ist das Absinken der Barquote, insbesondere von hohen Niveaus aus, ein positives, wenn auch nachlaufendes Signal, das Erreichen (historisch) niedriger Barquoten zeigt aber, dass das Pulver im Wesentlichen schon verschossen wurde. Wie schon bemerkt, werden die Bäume auch diesmal nicht in den Himmel wachsen.
Fazit
Ohne (wirtschaftliche) Freiheit laufen wir in die Dystopie des besserwisserischen Funktionärsstaats, ganz egal wie das Wetter in 20 Jahren ist.
Ralf Flierl, Frank Sauerland, Ralph Malisch, Rainer Kromarek
smartinvestor.de
Quelle: Smart Investor