Smart Investor Weekly: Aus tausendundeiner Nacht

Donnerstag, 15.11.12 10:40
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Oder: „Troika-Bericht“ führt Erzähltradition der Gebrüder Grimm fort „Es war einmal …“

Eigentlich wäre die treffendste Einleitung für den sogenannten Troika-Bericht zu Griechenland das Grimm’sche „Es war einmal …“ gewesen. Tatsächlich konnte die Troika – jene unheilbringende Allianz aus EU, EZB und IWF – erst nach ausgiebigem Aufpolieren des Datenkranzes den langersehnten „Bericht“ zur desolaten Lage des Landes präsentieren. Wohlwollen gegenüber den Maßnahmen ging dabei offenbar vor Objektivität und vor allem vor Vollständigkeit, denn noch immer klaffen große Lücken in dem Werk. Pikanterweise sind zwei der drei Berichterstatter – EU und EZB – selbst die eifrigsten Aktivisten im Komödienstadl der „Rettungspolitik“. Wenn vor diesem Hintergrund Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker den Bericht lediglich als „im Grundton positiv“ bewertet, dann ist das weniger als nichts. Die dritte im Bunde, IWF-Chefin Christine Lagarde, verdrehte jedenfalls ebenso genervt wie undiplomatisch die Augen, als Juncker zum nächsten Rettungsstrohhalm griff: Eine zeitliche Streckung der griechischen Konsolidierung um weitere zwei Jahre soll es richten. Wertschätzung jedenfalls sieht anders aus. Aktuell verdichten sich sogar die Gerüchte, dass der IWF in Sachen Griechenland am liebsten hinschmeißen würde. Zumindest wird die „Rettungstruppe“ um Juncker & Co. international immer mehr als Zumutung empfunden. Während sich also die „Retter“ der Troika langsam auseinanderzudividieren scheinen, entsteht auf den Straßen von Lissabon bis Athen so etwas, wie eine neue europäische Einheit – zumindest im Straßenkampf gegen die Entmündigung der europäischen Völker durch EU, EZB und IWF.

Garantiezins-Sorgen

Auch diese Meldung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der gescheiterten „Rettungspolitik“: Einzelne Lebensversicherungen schlugen Alarm, da sie angesichts künstlich gedrückter, rekordtiefer Zinsen, Schwierigkeiten erwarten künftig den sogenannten Garantiezins zu erwirtschaften. Opfer dieser Entwicklung bzw. Politik sind allerdings nicht die Versicherungsgesellschaften selbst, sondern jene Bürger, die in einem solchen Umfeld Rücklagen für das Alter bilden wollen. Zwar schickte sich der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft an, die Sicherheit der Produkte zu betonen, unsere mehrfach geäußerte Skepsis gegenüber der Kapitallebensversicherung, wird durch diese Geschehnisse aber bestätigt. Zudem zeigt der Umstand, dass sich die einst so medienscheuen Versicherungen mit diesem Thema überhaupt an die Öffentlichkeit wenden, einen gewissen Wandel im Selbstverständnis der Assekuranz: Galt früher Verschwiegenheit als Geschäftsprinzip, so hat man in diesem Punkt offenbar von den Banken gelernt. Je dramatischer man die eigene Situation schildert, desto eher wird die Politik ein offenes Ohr – und was wichtiger ist, einen offenen Geldbeutel – für die Sorgen und Nöte der Branche haben.




Zu den Märkten

Einigermaßen holprig reagierten die amerikanischen Aktienmärkte auf die Wiederwahl von Barack Obama. Betrachtet man den Dow-Jones-Industrial-Index, so kennt dieser seit dem Urnengang nur noch eine Richtung – nach unten. Was die Aktienanleger auch immer von weiteren vier Obama-Jahren erwarten, es scheint weder positiv noch bereits eingepreist zu sein. Andererseits könnte die Erklärung auch darin bestehen, dass die Märkte vor der Wahl etwas „Unterstützung“ oder Kurspflege erhalten haben, die jetzt erst einmal wegfällt. Die Wahl-Debatte ist jedenfalls abgehakt, dafür aber die „Fiscal Cliff“-Diskussion in vollem Gange. Denn zum Jahreswechsel fallen bekanntlich Steuererleichterungen weg bzw. werden Steuern in erheblichem Umfang erhöht.

Letztlich spielt die konkrete Ursache aber nicht die entscheidende Rolle. Im Dow Jones Index hat sich das charttechnische Bild weiter eingetrübt. Wie schon zuvor der S&P500 ist auch der Dow inzwischen aus dem kurzfristigen Aufwärtstrend nach unten herausgefallen. Allerdings gibt es auch relative Gewinner, etwa die Aktien des Healthcare-Bereichs, die offenbar weiter als Profiteure der US-Gesundheitsreform angesehen werden .Zwar sind auch diese Aktien insgesamt gefallen, aber eben etwas weniger stark als der breite Markt.

Für Anleger bleibt es daher bei der bangen Frage, wann die Kavallerie von Fed-Chef Bernanke einreiten wird, um einen fallenden Markt zu unterstützen. Bernanke sitzt zwar mit der Wiederwahl Obamas wieder deutlich fester im Sattel, mit dem Losreiten scheint er es aber trotzdem nicht besonders eilig zu haben. Irritierend wirkten jedenfalls die jüngsten Berichte, denen zufolge die Fed der berühmten Jackson-Hole-Rede ihres Chefs bislang keine nennenswerten geldpolitischen Taten folgen ließ.


Fazit

Die Entwicklungen in Griechenland haben zu erheblichen Missstimmungen zwischen EU und IWF geführt. Angesichts der Untauglichkeit der ergriffenen Maßnahmen, sind Vorhaltungen und Schuldzuweisungen wenig überraschend. Ein offenes Zerwürfnis erscheint derzeit aber eher unwahrscheinlich, dafür steht für die Beteiligten inzwischen zu viel auf dem Spiel.

Ralf Flierl, Ralph Malisch



Quelle: boerse.de

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